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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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und seinem bedeutendem Einfluß nur den edelsten Gebrauch. Durch
reichliche Unterstützungen ermuthigte er Künstler, Gelehrte und
Schriftsteller. Der junge Justus Lipstus, dessen Talent er beim
Beginn seiner Laufbahn errathen, war seinSecretair: Sifried Petri
und Stephan Pighius waren seine Bibliothekare. Unter seiner Pro-
tection wurden in der Magistratur die berühmten Rechtsgelehrten
Pack und Damhoudere, und in den Nathsversammlungen des Kö¬
nigs zwei der ausgezeichnetsten Staatsmänner jener Zeit, Viglius
und HopperuS, erzogen. Granvella beschäftigte sich nicht allein mit
Politik und Literatur, sondern auch mit Astronomie, Physik, Arznei-
kunde und Naturwissenschaften. Sein ausgedehnter und feuriger
Geist umfaßte Alles. Er stand mir den berühmtesten Männern aller
Länder in Verbindung und viele derselben erhielten von ihm oder
durch seine Vermittlung Stellen, ehrenvolle Auszeichnungen und
Pensionen: man kann die Zahl derselben darnach messen, daß ihm,
wie man versichert, mehr als Jot) Werke dedicirt worden sind. Er
beschützte die Altl in Italien und Plantin, der Belgien eben so viel
Ehre machte, alö die Atti ihrem Lande. Gleich allen Männern
von großen Absichten arbeitete er für die Zukunft; er stiftete an vielen
Orten Museen, Gymnasien und öffentliche Bibliotheken."

"Niemand ist unter uns mehr verleumdet worden als Gran-
vella, und doch hat Niemand mehr als er sich bemüht, den Belgiern
schreckliches Trübsal zu ersparen. Sein Jahrhundert begriff ihn
nicht, weil er mitten unter den wüthendsten politischen Leidenschaften
lebte und gezwungen war, gegen sie zu kämpfen. Granvella hat
alle protestantischen und den größten Theil der ausländischen Schrift¬
steller gegen sich gehabt, weil er voll Eifer für die von allen Seiten
angegriffenen Interessen der Religion und seines Fürsten war. Und
doch war er weder fanatisch, noch grausam, eine seltene Erscheinung
zu jener Zeit. Aus Charakter sowohl als aus Politik zeigte er sich
als einen Gegner gewaltsamer Maßregeln und unter Andern: der
spanischen Inquisition. In der Angelegenheit des BajaniömuS legte
er einen Beweis seiner Sanft- und Langmuth ab, indem er sie ohne
Geräusch ersticken wollte. Obgleich er alle Pläne des Schweigsa¬
men, seines Todfeindes, durchdrungen und entlarvt hatte, wollte er
ihn doch nicht durchaus verderben; sondern er verlangte nur,
wie dies seine Korrespondenz mit Philipp beweist, daß man ihn


und seinem bedeutendem Einfluß nur den edelsten Gebrauch. Durch
reichliche Unterstützungen ermuthigte er Künstler, Gelehrte und
Schriftsteller. Der junge Justus Lipstus, dessen Talent er beim
Beginn seiner Laufbahn errathen, war seinSecretair: Sifried Petri
und Stephan Pighius waren seine Bibliothekare. Unter seiner Pro-
tection wurden in der Magistratur die berühmten Rechtsgelehrten
Pack und Damhoudere, und in den Nathsversammlungen des Kö¬
nigs zwei der ausgezeichnetsten Staatsmänner jener Zeit, Viglius
und HopperuS, erzogen. Granvella beschäftigte sich nicht allein mit
Politik und Literatur, sondern auch mit Astronomie, Physik, Arznei-
kunde und Naturwissenschaften. Sein ausgedehnter und feuriger
Geist umfaßte Alles. Er stand mir den berühmtesten Männern aller
Länder in Verbindung und viele derselben erhielten von ihm oder
durch seine Vermittlung Stellen, ehrenvolle Auszeichnungen und
Pensionen: man kann die Zahl derselben darnach messen, daß ihm,
wie man versichert, mehr als Jot) Werke dedicirt worden sind. Er
beschützte die Altl in Italien und Plantin, der Belgien eben so viel
Ehre machte, alö die Atti ihrem Lande. Gleich allen Männern
von großen Absichten arbeitete er für die Zukunft; er stiftete an vielen
Orten Museen, Gymnasien und öffentliche Bibliotheken."

„Niemand ist unter uns mehr verleumdet worden als Gran-
vella, und doch hat Niemand mehr als er sich bemüht, den Belgiern
schreckliches Trübsal zu ersparen. Sein Jahrhundert begriff ihn
nicht, weil er mitten unter den wüthendsten politischen Leidenschaften
lebte und gezwungen war, gegen sie zu kämpfen. Granvella hat
alle protestantischen und den größten Theil der ausländischen Schrift¬
steller gegen sich gehabt, weil er voll Eifer für die von allen Seiten
angegriffenen Interessen der Religion und seines Fürsten war. Und
doch war er weder fanatisch, noch grausam, eine seltene Erscheinung
zu jener Zeit. Aus Charakter sowohl als aus Politik zeigte er sich
als einen Gegner gewaltsamer Maßregeln und unter Andern: der
spanischen Inquisition. In der Angelegenheit des BajaniömuS legte
er einen Beweis seiner Sanft- und Langmuth ab, indem er sie ohne
Geräusch ersticken wollte. Obgleich er alle Pläne des Schweigsa¬
men, seines Todfeindes, durchdrungen und entlarvt hatte, wollte er
ihn doch nicht durchaus verderben; sondern er verlangte nur,
wie dies seine Korrespondenz mit Philipp beweist, daß man ihn


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[0151] und seinem bedeutendem Einfluß nur den edelsten Gebrauch. Durch reichliche Unterstützungen ermuthigte er Künstler, Gelehrte und Schriftsteller. Der junge Justus Lipstus, dessen Talent er beim Beginn seiner Laufbahn errathen, war seinSecretair: Sifried Petri und Stephan Pighius waren seine Bibliothekare. Unter seiner Pro- tection wurden in der Magistratur die berühmten Rechtsgelehrten Pack und Damhoudere, und in den Nathsversammlungen des Kö¬ nigs zwei der ausgezeichnetsten Staatsmänner jener Zeit, Viglius und HopperuS, erzogen. Granvella beschäftigte sich nicht allein mit Politik und Literatur, sondern auch mit Astronomie, Physik, Arznei- kunde und Naturwissenschaften. Sein ausgedehnter und feuriger Geist umfaßte Alles. Er stand mir den berühmtesten Männern aller Länder in Verbindung und viele derselben erhielten von ihm oder durch seine Vermittlung Stellen, ehrenvolle Auszeichnungen und Pensionen: man kann die Zahl derselben darnach messen, daß ihm, wie man versichert, mehr als Jot) Werke dedicirt worden sind. Er beschützte die Altl in Italien und Plantin, der Belgien eben so viel Ehre machte, alö die Atti ihrem Lande. Gleich allen Männern von großen Absichten arbeitete er für die Zukunft; er stiftete an vielen Orten Museen, Gymnasien und öffentliche Bibliotheken." „Niemand ist unter uns mehr verleumdet worden als Gran- vella, und doch hat Niemand mehr als er sich bemüht, den Belgiern schreckliches Trübsal zu ersparen. Sein Jahrhundert begriff ihn nicht, weil er mitten unter den wüthendsten politischen Leidenschaften lebte und gezwungen war, gegen sie zu kämpfen. Granvella hat alle protestantischen und den größten Theil der ausländischen Schrift¬ steller gegen sich gehabt, weil er voll Eifer für die von allen Seiten angegriffenen Interessen der Religion und seines Fürsten war. Und doch war er weder fanatisch, noch grausam, eine seltene Erscheinung zu jener Zeit. Aus Charakter sowohl als aus Politik zeigte er sich als einen Gegner gewaltsamer Maßregeln und unter Andern: der spanischen Inquisition. In der Angelegenheit des BajaniömuS legte er einen Beweis seiner Sanft- und Langmuth ab, indem er sie ohne Geräusch ersticken wollte. Obgleich er alle Pläne des Schweigsa¬ men, seines Todfeindes, durchdrungen und entlarvt hatte, wollte er ihn doch nicht durchaus verderben; sondern er verlangte nur, wie dies seine Korrespondenz mit Philipp beweist, daß man ihn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/151>, abgerufen am 01.07.2024.