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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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überzeugt, daß Nichts die Gegenwart des Herrn, "illa", "nil ,x'"t"in
Il.tuot. "culos," deö hundertängigen Argus, ersetzen könne, war von
einer bewunderungswürdigen Thätigkeit; Philipp I >. dagegen wollte
Alles aus seinem Cabinete heraus lenken. Als er Belgien erst ein¬
mal verlassen hatte, sah mau ihn nie mehr in diesem Lande. Und
da er so diese Provinzen nicht kannte, so täuschte er sich über die
Mittel, sie zu regieren und in Ruhe zu halten. Aber man schildert
Philipp gemeiniglich als einen rachsüchtigen, unerbittlichen, aus
Charakter und Grundsatz unbeugsamen Despoten; und doch war
der Beginn seiner Negierung von zu großer Strenge so weit ent¬
fernt, daß im Gegentheil mehrere seiner Handlungen den harten
Tadel einer unzeitigen Nachgiebigkeit vollkommen verdienen. So
war eS ein erster Fehler, daß er seine Armee zurückberief, ohne sie
durch eine Macht zu ersetzen, welche hingereicht hätte, die Ruhe deö
Landes zu verbürgen, während der Protestantismus anwuchs und
von Tage zu Tage drohender ward. Es war ein zweiter, nicht
minder arger Fehler, daß er in Granvella'S Rücktritt aus dem
Staatsdienste willigte und den Schreiereien der Neider und Feinde
dieses Mannes nachgab, denen er lästig war, weil ihnen seine Ge¬
genwart imponirte. Diese beiden Fehler zogen als nothwendige
Folge einen dritten, noch gewichtigeren nach sich, der Alles verdarb,
nämlich die Sendung deS Herzogs von Alba in die Niederlande."

"Um die Politik Philipp's U. richtig zu würdigen, muß man
einen Blick auf den Zustand Europas um diese Zeit werfen. Der
Protestantismus hatte in einem großen Theile Deutschlands, Eng- "
lands und Frankreichs das Uebergewicht; von allen Seiten her de¬


Anm. d. Bars.
er wieder zur Besinnung gekommen war. Karl V. von diesem Borfall beun¬
ruhigt, eilte, obgleich selbst krank, an das Bett seines Sohnes. Nachdem er
ihn mit milden Worte" ermuthigt hatte, sagte er lächelnd zu ihm. "Dachtest
Du, mein lieber Philipp, das) die Lanzen dieses Landes hier den spanischen
gleichen, welche zerbrechen, wenn man sie anrührt!" Man kann sich leicht
denken, daß dieser Vorfall nicht wenig dazu beitrug, den jungen Fürsten von
den militärischen Uebungen zu entfernen, gegen die er ohnedies) eine natür¬
liche Abneigung hatte. Sepulveda gesteht übrigens ein, daß während der
3 Jahre, die er in den Niederlanden verbrachte, er unaufhörlich von Spanien
sprach und sich dahin zurücksehnte.

überzeugt, daß Nichts die Gegenwart des Herrn, „illa«, «nil ,x'»t»in
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einer bewunderungswürdigen Thätigkeit; Philipp I >. dagegen wollte
Alles aus seinem Cabinete heraus lenken. Als er Belgien erst ein¬
mal verlassen hatte, sah mau ihn nie mehr in diesem Lande. Und
da er so diese Provinzen nicht kannte, so täuschte er sich über die
Mittel, sie zu regieren und in Ruhe zu halten. Aber man schildert
Philipp gemeiniglich als einen rachsüchtigen, unerbittlichen, aus
Charakter und Grundsatz unbeugsamen Despoten; und doch war
der Beginn seiner Negierung von zu großer Strenge so weit ent¬
fernt, daß im Gegentheil mehrere seiner Handlungen den harten
Tadel einer unzeitigen Nachgiebigkeit vollkommen verdienen. So
war eS ein erster Fehler, daß er seine Armee zurückberief, ohne sie
durch eine Macht zu ersetzen, welche hingereicht hätte, die Ruhe deö
Landes zu verbürgen, während der Protestantismus anwuchs und
von Tage zu Tage drohender ward. Es war ein zweiter, nicht
minder arger Fehler, daß er in Granvella'S Rücktritt aus dem
Staatsdienste willigte und den Schreiereien der Neider und Feinde
dieses Mannes nachgab, denen er lästig war, weil ihnen seine Ge¬
genwart imponirte. Diese beiden Fehler zogen als nothwendige
Folge einen dritten, noch gewichtigeren nach sich, der Alles verdarb,
nämlich die Sendung deS Herzogs von Alba in die Niederlande."

„Um die Politik Philipp's U. richtig zu würdigen, muß man
einen Blick auf den Zustand Europas um diese Zeit werfen. Der
Protestantismus hatte in einem großen Theile Deutschlands, Eng- »
lands und Frankreichs das Uebergewicht; von allen Seiten her de¬


Anm. d. Bars.
er wieder zur Besinnung gekommen war. Karl V. von diesem Borfall beun¬
ruhigt, eilte, obgleich selbst krank, an das Bett seines Sohnes. Nachdem er
ihn mit milden Worte» ermuthigt hatte, sagte er lächelnd zu ihm. „Dachtest
Du, mein lieber Philipp, das) die Lanzen dieses Landes hier den spanischen
gleichen, welche zerbrechen, wenn man sie anrührt!" Man kann sich leicht
denken, daß dieser Vorfall nicht wenig dazu beitrug, den jungen Fürsten von
den militärischen Uebungen zu entfernen, gegen die er ohnedies) eine natür¬
liche Abneigung hatte. Sepulveda gesteht übrigens ein, daß während der
3 Jahre, die er in den Niederlanden verbrachte, er unaufhörlich von Spanien
sprach und sich dahin zurücksehnte.
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[0138] überzeugt, daß Nichts die Gegenwart des Herrn, „illa«, «nil ,x'»t»in Il.tuot. »culos," deö hundertängigen Argus, ersetzen könne, war von einer bewunderungswürdigen Thätigkeit; Philipp I >. dagegen wollte Alles aus seinem Cabinete heraus lenken. Als er Belgien erst ein¬ mal verlassen hatte, sah mau ihn nie mehr in diesem Lande. Und da er so diese Provinzen nicht kannte, so täuschte er sich über die Mittel, sie zu regieren und in Ruhe zu halten. Aber man schildert Philipp gemeiniglich als einen rachsüchtigen, unerbittlichen, aus Charakter und Grundsatz unbeugsamen Despoten; und doch war der Beginn seiner Negierung von zu großer Strenge so weit ent¬ fernt, daß im Gegentheil mehrere seiner Handlungen den harten Tadel einer unzeitigen Nachgiebigkeit vollkommen verdienen. So war eS ein erster Fehler, daß er seine Armee zurückberief, ohne sie durch eine Macht zu ersetzen, welche hingereicht hätte, die Ruhe deö Landes zu verbürgen, während der Protestantismus anwuchs und von Tage zu Tage drohender ward. Es war ein zweiter, nicht minder arger Fehler, daß er in Granvella'S Rücktritt aus dem Staatsdienste willigte und den Schreiereien der Neider und Feinde dieses Mannes nachgab, denen er lästig war, weil ihnen seine Ge¬ genwart imponirte. Diese beiden Fehler zogen als nothwendige Folge einen dritten, noch gewichtigeren nach sich, der Alles verdarb, nämlich die Sendung deS Herzogs von Alba in die Niederlande." „Um die Politik Philipp's U. richtig zu würdigen, muß man einen Blick auf den Zustand Europas um diese Zeit werfen. Der Protestantismus hatte in einem großen Theile Deutschlands, Eng- » lands und Frankreichs das Uebergewicht; von allen Seiten her de¬ Anm. d. Bars. er wieder zur Besinnung gekommen war. Karl V. von diesem Borfall beun¬ ruhigt, eilte, obgleich selbst krank, an das Bett seines Sohnes. Nachdem er ihn mit milden Worte» ermuthigt hatte, sagte er lächelnd zu ihm. „Dachtest Du, mein lieber Philipp, das) die Lanzen dieses Landes hier den spanischen gleichen, welche zerbrechen, wenn man sie anrührt!" Man kann sich leicht denken, daß dieser Vorfall nicht wenig dazu beitrug, den jungen Fürsten von den militärischen Uebungen zu entfernen, gegen die er ohnedies) eine natür¬ liche Abneigung hatte. Sepulveda gesteht übrigens ein, daß während der 3 Jahre, die er in den Niederlanden verbrachte, er unaufhörlich von Spanien sprach und sich dahin zurücksehnte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/138>, abgerufen am 23.07.2024.