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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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schicken suchen; so mag die Wissenschaft die Augen öffnen und auf
die Warte der Zeit und der Ewigkeit zugleich steigen, um die Spreu
in die Winde fliegen, den Waitzen in frischbebauter Erde keimen
und reifen zu lassen.

Ich lasse Ihnen das Glauben und Wissen dieser Männer als
vor andre Richterstühle gehörig hier zur Seite und gedenke der
eigenthümlichen Stellung dieser drei Männer im Verhältniß zu ihren
Volksstämmen. Strauß, der Schwabe mit seiner Innerlichkeit, seiner
Urkraft, die mit einem Hiebe durch Reiter und durch Sattel bis
tief in Pferdes Rücken schlug; Ludwig Feuerbach, der Franke, der
zornesschnaubend und gewandt auch das Pferd durchhieb z und Bruno
Bauer, der eilig vollends über die Leiche sich hermachte. Der Ge¬
wichtigste und Gewaltigste ist ohne Widerrede Strauß, darum hat
rr auch zuerst durchgeschlagen; der lebendigste, originellste und
genialste ist Feuerbach, darum hat er auch am wenigsten Anhänger.
Der abstrakteste, in seiner Leerheit und Eitelkeit tollste ist nach Allem
Hengstenberg'ö Schüler und einstiger Liebling, der norddeutsche Bauer.
Es lag im Plane der Briefe über Schwaben und Franken, in ihrem
Verfolge Ludwig Feuerbach ebenso als Ausdruck des etwaigen wissein
schriftlichen, des philosophischen Berufes und Triebes im fränkischen
Stamme darzustellen, wie Strauß als Repräsentanten des wissenschaft¬
lichen schwäbischen Geistes. Seitdem ist Feuerbach'S Name erst recht
bekannt, berühmt und berüchtigt geworden , ich folge um so lieber
Ihrer Einladung, über ihn Einiges mitzutheilen, als namentlich
durch den verstorbenen Gans verschiedentlich Unrichtiges, besonders
in der berliner gelehrten Welt über ihn in Umlauf gekommen ist.
Wenn Einer zwar von den bösen Dreien sich in feinen Schriften
ganz wie er selber ist, ganz splitternackt, ganz bis in's Innerste
durchsichtig darstellt, so ist es Feuerbach. Aber je mehr dies der
Fall ist, desto näher legt sich endlich das Bedürfniß, das geistige
Bild von dem Manne durch das leibliche und persönliche zu ergän¬
zen oder zu berichtigen. Gerade diese Art, wie sich das Persönliche
und Sachliche so vollkommen deckt und das Eine nur Ausdruck und
Wiverschem des Andern ist, rechne ich zur ganz besondern Eigen¬
thümlichkeit des fränkischen Wesens. Auch der Schwabe lebt ganz
in der Sache, und so sehr, daß er sich kaum in leichten Augenblicken
von dem Grunde seines Innern losbrechen kann. Aber je tiefer in


schicken suchen; so mag die Wissenschaft die Augen öffnen und auf
die Warte der Zeit und der Ewigkeit zugleich steigen, um die Spreu
in die Winde fliegen, den Waitzen in frischbebauter Erde keimen
und reifen zu lassen.

Ich lasse Ihnen das Glauben und Wissen dieser Männer als
vor andre Richterstühle gehörig hier zur Seite und gedenke der
eigenthümlichen Stellung dieser drei Männer im Verhältniß zu ihren
Volksstämmen. Strauß, der Schwabe mit seiner Innerlichkeit, seiner
Urkraft, die mit einem Hiebe durch Reiter und durch Sattel bis
tief in Pferdes Rücken schlug; Ludwig Feuerbach, der Franke, der
zornesschnaubend und gewandt auch das Pferd durchhieb z und Bruno
Bauer, der eilig vollends über die Leiche sich hermachte. Der Ge¬
wichtigste und Gewaltigste ist ohne Widerrede Strauß, darum hat
rr auch zuerst durchgeschlagen; der lebendigste, originellste und
genialste ist Feuerbach, darum hat er auch am wenigsten Anhänger.
Der abstrakteste, in seiner Leerheit und Eitelkeit tollste ist nach Allem
Hengstenberg'ö Schüler und einstiger Liebling, der norddeutsche Bauer.
Es lag im Plane der Briefe über Schwaben und Franken, in ihrem
Verfolge Ludwig Feuerbach ebenso als Ausdruck des etwaigen wissein
schriftlichen, des philosophischen Berufes und Triebes im fränkischen
Stamme darzustellen, wie Strauß als Repräsentanten des wissenschaft¬
lichen schwäbischen Geistes. Seitdem ist Feuerbach'S Name erst recht
bekannt, berühmt und berüchtigt geworden , ich folge um so lieber
Ihrer Einladung, über ihn Einiges mitzutheilen, als namentlich
durch den verstorbenen Gans verschiedentlich Unrichtiges, besonders
in der berliner gelehrten Welt über ihn in Umlauf gekommen ist.
Wenn Einer zwar von den bösen Dreien sich in feinen Schriften
ganz wie er selber ist, ganz splitternackt, ganz bis in's Innerste
durchsichtig darstellt, so ist es Feuerbach. Aber je mehr dies der
Fall ist, desto näher legt sich endlich das Bedürfniß, das geistige
Bild von dem Manne durch das leibliche und persönliche zu ergän¬
zen oder zu berichtigen. Gerade diese Art, wie sich das Persönliche
und Sachliche so vollkommen deckt und das Eine nur Ausdruck und
Wiverschem des Andern ist, rechne ich zur ganz besondern Eigen¬
thümlichkeit des fränkischen Wesens. Auch der Schwabe lebt ganz
in der Sache, und so sehr, daß er sich kaum in leichten Augenblicken
von dem Grunde seines Innern losbrechen kann. Aber je tiefer in


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[0010] schicken suchen; so mag die Wissenschaft die Augen öffnen und auf die Warte der Zeit und der Ewigkeit zugleich steigen, um die Spreu in die Winde fliegen, den Waitzen in frischbebauter Erde keimen und reifen zu lassen. Ich lasse Ihnen das Glauben und Wissen dieser Männer als vor andre Richterstühle gehörig hier zur Seite und gedenke der eigenthümlichen Stellung dieser drei Männer im Verhältniß zu ihren Volksstämmen. Strauß, der Schwabe mit seiner Innerlichkeit, seiner Urkraft, die mit einem Hiebe durch Reiter und durch Sattel bis tief in Pferdes Rücken schlug; Ludwig Feuerbach, der Franke, der zornesschnaubend und gewandt auch das Pferd durchhieb z und Bruno Bauer, der eilig vollends über die Leiche sich hermachte. Der Ge¬ wichtigste und Gewaltigste ist ohne Widerrede Strauß, darum hat rr auch zuerst durchgeschlagen; der lebendigste, originellste und genialste ist Feuerbach, darum hat er auch am wenigsten Anhänger. Der abstrakteste, in seiner Leerheit und Eitelkeit tollste ist nach Allem Hengstenberg'ö Schüler und einstiger Liebling, der norddeutsche Bauer. Es lag im Plane der Briefe über Schwaben und Franken, in ihrem Verfolge Ludwig Feuerbach ebenso als Ausdruck des etwaigen wissein schriftlichen, des philosophischen Berufes und Triebes im fränkischen Stamme darzustellen, wie Strauß als Repräsentanten des wissenschaft¬ lichen schwäbischen Geistes. Seitdem ist Feuerbach'S Name erst recht bekannt, berühmt und berüchtigt geworden , ich folge um so lieber Ihrer Einladung, über ihn Einiges mitzutheilen, als namentlich durch den verstorbenen Gans verschiedentlich Unrichtiges, besonders in der berliner gelehrten Welt über ihn in Umlauf gekommen ist. Wenn Einer zwar von den bösen Dreien sich in feinen Schriften ganz wie er selber ist, ganz splitternackt, ganz bis in's Innerste durchsichtig darstellt, so ist es Feuerbach. Aber je mehr dies der Fall ist, desto näher legt sich endlich das Bedürfniß, das geistige Bild von dem Manne durch das leibliche und persönliche zu ergän¬ zen oder zu berichtigen. Gerade diese Art, wie sich das Persönliche und Sachliche so vollkommen deckt und das Eine nur Ausdruck und Wiverschem des Andern ist, rechne ich zur ganz besondern Eigen¬ thümlichkeit des fränkischen Wesens. Auch der Schwabe lebt ganz in der Sache, und so sehr, daß er sich kaum in leichten Augenblicken von dem Grunde seines Innern losbrechen kann. Aber je tiefer in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/10>, abgerufen am 29.06.2024.