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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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gute Freund einen wohlgemeinten Rath gab, er solle ferner Steine hauen
und die Welt, Welt sein lassen, und ich sehe vor meinen Augen, wie der
Rabbi Simeon, der erste Lehrer Jesus, sich die Hände reibt und sagt: Gott,
was hat ers nöthig, sich als König von Israel und als Gottes Prophet
und Sohn zu erklären, ich hätte ihm meine Tochter Miriam zur Frau ge¬
geben und meine Stelle im Tempel dazu! Und Isai und Sokrates, und
die Apostel und Arnold von Bresia und Savonarola und alle die, die ge¬
braten und gesotten wurden, im Namen Gottes, der sich sein Roastbeef
aus dem edelsten Fleische heraussuchte, gelten sie nicht bei den Meisten für
verrückt? Denn unglücklicherweise gehet der Gedanke der That oft vier bis
fünf Jahrhunderte voran. -- Der Gedanke -- ein Funken der aus der
Unendlichkeit in ein Menschenherz fällt und es so oft verzehrt, ehe die an¬
dern Herzen ihm zu Hülfe eilen. Und doch wenn ein solcher Gedanke ein¬
mal in der Luft liegt, wenn ihn ein Mensch unbestimmt ausgesprochen, --
dann halten ihn alle Mächte der Erde und der Elemente nicht an. Und
der, der es wagt ihn aufzuhalten, gleicht demjenigen, der seinen Kopf in
die Mündung der Kanone steckt, um sie zu verhindern loszubrennen. Es
giebt keinen Prophet mehr, aber Propheten! Nicht mehr spricht ein Indi¬
viduum das Wort Gottes allein aus, denn die Menschen haben sich seither
besser kennen gelernt und ihre Herzen schlagen zusammen.

Die wahren Priester der Zeit tragen weder Kutte noch Mitra, die
Zukunft wird sie heiligen. Ja, nach Deutschland will ich gehen, in Deutsch¬
land liegt die Zukunft der Welt begraben, obschon man das Ohr auf die
Erde legen muß, um ihre Ankunft zu hören.

2.

Nun bin ich doch abgereist, und habe wieder Kornblumen und Klapp¬
rosen gesehen, und Vögel die weit herumspringen und zirpen, denn die
kleinen Vögel singen nur dann stark, wenn sie im Käfig sitzen, da klagen
sie und schreien und schreien und weinen und die Menschen heißen das singen,
die Nachtigall allein singt und klagt in der Freiheit, aber Nachtigallen habe
ich keine gehört.

Zu Zabern schlichtete ich einen sonderbaren Streit. Mit mir reiste ein
Franzose, der gut Deutsch sprach -- "es giebt keine Kinder mehr," sagte
nur einst Heine, als wir Franzosen Deutsch reden hörten. Das Aufwarte¬
mädchen, das uns den Kaffee servirte, sprach Deutsch und Französisch. Ich
sprach gleich Deutsch mit ihm und fragte es, ob es lieber französisch serviere,

gute Freund einen wohlgemeinten Rath gab, er solle ferner Steine hauen
und die Welt, Welt sein lassen, und ich sehe vor meinen Augen, wie der
Rabbi Simeon, der erste Lehrer Jesus, sich die Hände reibt und sagt: Gott,
was hat ers nöthig, sich als König von Israel und als Gottes Prophet
und Sohn zu erklären, ich hätte ihm meine Tochter Miriam zur Frau ge¬
geben und meine Stelle im Tempel dazu! Und Isai und Sokrates, und
die Apostel und Arnold von Bresia und Savonarola und alle die, die ge¬
braten und gesotten wurden, im Namen Gottes, der sich sein Roastbeef
aus dem edelsten Fleische heraussuchte, gelten sie nicht bei den Meisten für
verrückt? Denn unglücklicherweise gehet der Gedanke der That oft vier bis
fünf Jahrhunderte voran. — Der Gedanke — ein Funken der aus der
Unendlichkeit in ein Menschenherz fällt und es so oft verzehrt, ehe die an¬
dern Herzen ihm zu Hülfe eilen. Und doch wenn ein solcher Gedanke ein¬
mal in der Luft liegt, wenn ihn ein Mensch unbestimmt ausgesprochen, —
dann halten ihn alle Mächte der Erde und der Elemente nicht an. Und
der, der es wagt ihn aufzuhalten, gleicht demjenigen, der seinen Kopf in
die Mündung der Kanone steckt, um sie zu verhindern loszubrennen. Es
giebt keinen Prophet mehr, aber Propheten! Nicht mehr spricht ein Indi¬
viduum das Wort Gottes allein aus, denn die Menschen haben sich seither
besser kennen gelernt und ihre Herzen schlagen zusammen.

Die wahren Priester der Zeit tragen weder Kutte noch Mitra, die
Zukunft wird sie heiligen. Ja, nach Deutschland will ich gehen, in Deutsch¬
land liegt die Zukunft der Welt begraben, obschon man das Ohr auf die
Erde legen muß, um ihre Ankunft zu hören.

2.

Nun bin ich doch abgereist, und habe wieder Kornblumen und Klapp¬
rosen gesehen, und Vögel die weit herumspringen und zirpen, denn die
kleinen Vögel singen nur dann stark, wenn sie im Käfig sitzen, da klagen
sie und schreien und schreien und weinen und die Menschen heißen das singen,
die Nachtigall allein singt und klagt in der Freiheit, aber Nachtigallen habe
ich keine gehört.

Zu Zabern schlichtete ich einen sonderbaren Streit. Mit mir reiste ein
Franzose, der gut Deutsch sprach — „es giebt keine Kinder mehr,“ sagte
nur einst Heine, als wir Franzosen Deutsch reden hörten. Das Aufwarte¬
mädchen, das uns den Kaffee servirte, sprach Deutsch und Französisch. Ich
sprach gleich Deutsch mit ihm und fragte es, ob es lieber französisch serviere,

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[57/0065] gute Freund einen wohlgemeinten Rath gab, er solle ferner Steine hauen und die Welt, Welt sein lassen, und ich sehe vor meinen Augen, wie der Rabbi Simeon, der erste Lehrer Jesus, sich die Hände reibt und sagt: Gott, was hat ers nöthig, sich als König von Israel und als Gottes Prophet und Sohn zu erklären, ich hätte ihm meine Tochter Miriam zur Frau ge¬ geben und meine Stelle im Tempel dazu! Und Isai und Sokrates, und die Apostel und Arnold von Bresia und Savonarola und alle die, die ge¬ braten und gesotten wurden, im Namen Gottes, der sich sein Roastbeef aus dem edelsten Fleische heraussuchte, gelten sie nicht bei den Meisten für verrückt? Denn unglücklicherweise gehet der Gedanke der That oft vier bis fünf Jahrhunderte voran. — Der Gedanke — ein Funken der aus der Unendlichkeit in ein Menschenherz fällt und es so oft verzehrt, ehe die an¬ dern Herzen ihm zu Hülfe eilen. Und doch wenn ein solcher Gedanke ein¬ mal in der Luft liegt, wenn ihn ein Mensch unbestimmt ausgesprochen, — dann halten ihn alle Mächte der Erde und der Elemente nicht an. Und der, der es wagt ihn aufzuhalten, gleicht demjenigen, der seinen Kopf in die Mündung der Kanone steckt, um sie zu verhindern loszubrennen. Es giebt keinen Prophet mehr, aber Propheten! Nicht mehr spricht ein Indi¬ viduum das Wort Gottes allein aus, denn die Menschen haben sich seither besser kennen gelernt und ihre Herzen schlagen zusammen. Die wahren Priester der Zeit tragen weder Kutte noch Mitra, die Zukunft wird sie heiligen. Ja, nach Deutschland will ich gehen, in Deutsch¬ land liegt die Zukunft der Welt begraben, obschon man das Ohr auf die Erde legen muß, um ihre Ankunft zu hören. 2. Strasburg. Nun bin ich doch abgereist, und habe wieder Kornblumen und Klapp¬ rosen gesehen, und Vögel die weit herumspringen und zirpen, denn die kleinen Vögel singen nur dann stark, wenn sie im Käfig sitzen, da klagen sie und schreien und schreien und weinen und die Menschen heißen das singen, die Nachtigall allein singt und klagt in der Freiheit, aber Nachtigallen habe ich keine gehört. Zu Zabern schlichtete ich einen sonderbaren Streit. Mit mir reiste ein Franzose, der gut Deutsch sprach — „es giebt keine Kinder mehr,“ sagte nur einst Heine, als wir Franzosen Deutsch reden hörten. Das Aufwarte¬ mädchen, das uns den Kaffee servirte, sprach Deutsch und Französisch. Ich sprach gleich Deutsch mit ihm und fragte es, ob es lieber französisch serviere,

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Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-19T17:23:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/65>, abgerufen am 22.11.2024.