tigkeit hatte widerfahren lassen; der Brief nämlich, welchen er an den jun¬ gen Künstler gerichtet hatte, ward in die Zeitblätter eingerückt, -- ein son¬ derbares, aber echt deutsches Verfahren, wofür Weber um so größere Dank- barkeit zollte, als er sich von seinem ehemaligen Lehrmeister nichts der Art versehen hatte.
Abermals ward Weber von Unentschlossenheit befallen, auf einer Reise, die er 1802 mit seinem Vater unternahm. In Leipzig machte er die Be¬ kanntschaft eines Arztes, der sich ein Geschäft daraus machte, an Allem zu zweifeln, und der mit seinen unseligen Ideen leider nur einen zu tiefen Ein¬ fluß auf den jungen Künstler ausübte. Weber verlor alles Zutrauen in seine Studien und Arbeiten, der Muth verging ihm, sowohl wenn er die Mittel als wenn er das Ziel bedachte. In dieser Stimmung wollte er eine Laufbahn nicht länger verfolgen, die ihm doch von der Natur vorgezeichnet zu sein schien, bevor er nicht all sein Wissen einer sorgfältigen Prüfung unterworfen, und die letzten Gründe und Ursachen sich klar gemacht hätte. Diese verderbliche Richtung hätte seine Ausbildung stören, seine geistige Kraft vernichten können, wenn sein Vater ihn nicht von dem gefährlichen Freunde entfernt und nach Wien geführt hätte. An dem neuen Aufenthaltsorte ge¬ wann Weber die zu seinen Arbeiten erforderliche Ruhe wieder. Ueberdies bot ihm Wien, welches er zum erstenmale sah, zu viel Zerstreuung, um noch länger an den Leipziger Arzt zu denken. Seine Unerfahrenheit ließ ihn Wien für die Hauptstadt Europa's ansehen; nur wenn man nach Wien komme, rief er aus, könne man sagen, daß man in die Welt eingetreten sei. Etwas Wahres lag dem Enthusiasmus des Jünglings zum Grunde. Freilich war Wien nichts als die Hauptstadt von Oesterreich, die Mitte eines großen, aber damals überwundenen Landes; allein Wien war die Stadt der Musik. In Italien gab es keine Musik mehr, in Frankreich war sie noch nicht erwacht; das Reich der Musik war Deutschland, und nirgends in diesen ausgedehnten Landen stand sie in solcher Blüthe wie m Wien. Die große Zahl ausgezeichneter Männer, die dort versammelt waren, unter ihnen der weltberühmte Haydn, der Erzvater der deutschen Tonkunst, und der Abt Vogler, ein Mann von seltener Einsicht und ausgebildetem Wissen, boten ihm die kostbare Gelegenheit dar, sich jene edlere Bildung zu erwerben, welche man aus dem Umgange erleuchteter Männer schöpft. Weber versäumte nicht, sie aufzusuchen. Er schloß sich vorzugsweise dem Abt Vogler an, einem der gelehrtesten Musiker Deutschlands, und wurde zugleich mit Meyerbeer sein Schüler; mit Letzterm war er in ein enges Freundschaftsverhältniß. Die Unterweisung eines erfahrenen Lehrers befreite Webern völlig von allen Vorurtheilen, die in sein unruhiges und unverän- dertiches Gemüth Eingang gefunden hatten. Zwei Jahre lang verlegte er
tigkeit hatte widerfahren lassen; der Brief nämlich, welchen er an den jun¬ gen Künstler gerichtet hatte, ward in die Zeitblätter eingerückt, — ein son¬ derbares, aber echt deutsches Verfahren, wofür Weber um so größere Dank- barkeit zollte, als er sich von seinem ehemaligen Lehrmeister nichts der Art versehen hatte.
Abermals ward Weber von Unentschlossenheit befallen, auf einer Reise, die er 1802 mit seinem Vater unternahm. In Leipzig machte er die Be¬ kanntschaft eines Arztes, der sich ein Geschäft daraus machte, an Allem zu zweifeln, und der mit seinen unseligen Ideen leider nur einen zu tiefen Ein¬ fluß auf den jungen Künstler ausübte. Weber verlor alles Zutrauen in seine Studien und Arbeiten, der Muth verging ihm, sowohl wenn er die Mittel als wenn er das Ziel bedachte. In dieser Stimmung wollte er eine Laufbahn nicht länger verfolgen, die ihm doch von der Natur vorgezeichnet zu sein schien, bevor er nicht all sein Wissen einer sorgfältigen Prüfung unterworfen, und die letzten Gründe und Ursachen sich klar gemacht hätte. Diese verderbliche Richtung hätte seine Ausbildung stören, seine geistige Kraft vernichten können, wenn sein Vater ihn nicht von dem gefährlichen Freunde entfernt und nach Wien geführt hätte. An dem neuen Aufenthaltsorte ge¬ wann Weber die zu seinen Arbeiten erforderliche Ruhe wieder. Ueberdies bot ihm Wien, welches er zum erstenmale sah, zu viel Zerstreuung, um noch länger an den Leipziger Arzt zu denken. Seine Unerfahrenheit ließ ihn Wien für die Hauptstadt Europa's ansehen; nur wenn man nach Wien komme, rief er aus, könne man sagen, daß man in die Welt eingetreten sei. Etwas Wahres lag dem Enthusiasmus des Jünglings zum Grunde. Freilich war Wien nichts als die Hauptstadt von Oesterreich, die Mitte eines großen, aber damals überwundenen Landes; allein Wien war die Stadt der Musik. In Italien gab es keine Musik mehr, in Frankreich war sie noch nicht erwacht; das Reich der Musik war Deutschland, und nirgends in diesen ausgedehnten Landen stand sie in solcher Blüthe wie m Wien. Die große Zahl ausgezeichneter Männer, die dort versammelt waren, unter ihnen der weltberühmte Haydn, der Erzvater der deutschen Tonkunst, und der Abt Vogler, ein Mann von seltener Einsicht und ausgebildetem Wissen, boten ihm die kostbare Gelegenheit dar, sich jene edlere Bildung zu erwerben, welche man aus dem Umgange erleuchteter Männer schöpft. Weber versäumte nicht, sie aufzusuchen. Er schloß sich vorzugsweise dem Abt Vogler an, einem der gelehrtesten Musiker Deutschlands, und wurde zugleich mit Meyerbeer sein Schüler; mit Letzterm war er in ein enges Freundschaftsverhältniß. Die Unterweisung eines erfahrenen Lehrers befreite Webern völlig von allen Vorurtheilen, die in sein unruhiges und unverän- dertiches Gemüth Eingang gefunden hatten. Zwei Jahre lang verlegte er
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[295/0303]
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derbares, aber echt deutsches Verfahren, wofür Weber um so größere Dank-
barkeit zollte, als er sich von seinem ehemaligen Lehrmeister nichts der Art
versehen hatte.
Abermals ward Weber von Unentschlossenheit befallen, auf einer Reise,
die er 1802 mit seinem Vater unternahm. In Leipzig machte er die Be¬
kanntschaft eines Arztes, der sich ein Geschäft daraus machte, an Allem zu
zweifeln, und der mit seinen unseligen Ideen leider nur einen zu tiefen Ein¬
fluß auf den jungen Künstler ausübte. Weber verlor alles Zutrauen in
seine Studien und Arbeiten, der Muth verging ihm, sowohl wenn er die
Mittel als wenn er das Ziel bedachte. In dieser Stimmung wollte er eine
Laufbahn nicht länger verfolgen, die ihm doch von der Natur vorgezeichnet
zu sein schien, bevor er nicht all sein Wissen einer sorgfältigen Prüfung
unterworfen, und die letzten Gründe und Ursachen sich klar gemacht hätte.
Diese verderbliche Richtung hätte seine Ausbildung stören, seine geistige Kraft
vernichten können, wenn sein Vater ihn nicht von dem gefährlichen Freunde
entfernt und nach Wien geführt hätte. An dem neuen Aufenthaltsorte ge¬
wann Weber die zu seinen Arbeiten erforderliche Ruhe wieder. Ueberdies
bot ihm Wien, welches er zum erstenmale sah, zu viel Zerstreuung, um
noch länger an den Leipziger Arzt zu denken. Seine Unerfahrenheit ließ
ihn Wien für die Hauptstadt Europa's ansehen; nur wenn man nach Wien
komme, rief er aus, könne man sagen, daß man in die Welt eingetreten
sei. Etwas Wahres lag dem Enthusiasmus des Jünglings zum Grunde.
Freilich war Wien nichts als die Hauptstadt von Oesterreich, die Mitte
eines großen, aber damals überwundenen Landes; allein Wien war die
Stadt der Musik. In Italien gab es keine Musik mehr, in Frankreich
war sie noch nicht erwacht; das Reich der Musik war Deutschland, und
nirgends in diesen ausgedehnten Landen stand sie in solcher Blüthe wie m
Wien. Die große Zahl ausgezeichneter Männer, die dort versammelt waren,
unter ihnen der weltberühmte Haydn, der Erzvater der deutschen Tonkunst,
und der Abt Vogler, ein Mann von seltener Einsicht und ausgebildetem
Wissen, boten ihm die kostbare Gelegenheit dar, sich jene edlere Bildung zu
erwerben, welche man aus dem Umgange erleuchteter Männer schöpft.
Weber versäumte nicht, sie aufzusuchen. Er schloß sich vorzugsweise dem
Abt Vogler an, einem der gelehrtesten Musiker Deutschlands, und wurde
zugleich mit Meyerbeer sein Schüler; mit Letzterm war er in ein enges
Freundschaftsverhältniß. Die Unterweisung eines erfahrenen Lehrers befreite
Webern völlig von allen Vorurtheilen, die in sein unruhiges und unverän-
dertiches Gemüth Eingang gefunden hatten. Zwei Jahre lang verlegte er
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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/303>, abgerufen am 23.11.2024.
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