Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

teres Verfahren, es gelang ihm eine bessere Druckmaschine zu verfertigen,
und so weit trieb ihn der Enthusiasmus, daß er sich eine Zeitlang für den
Erfinder des ganzen Systems hielt. Er überließ sich dieser Täuschung, und
ganz erfüllt von dem Gedanken, seine Erfindung zu vervollkommnen, brachte
er es bei seinem Vater dahin, nach Freiberg gehen zu dürfen, wo er die
zur Lithographie tauglichen Steine leichter bekommen konnte. Aber diese
Anfangs so lebhafte Leidenschaft war von kurzer Dauer; trotz des Gelin¬
gens seiner Versuche, verlor er die Lust an seiner neuen Beschäftigung.
Das Mechanische dieser Arbeit, die Furcht seiner inneren Bildung dadurch
Eintrag zu thun, bewogen ihn, dieselbe aufzugeben. Es ist schwer zu sa¬
gen, ob die Kunst im Allgemeinen dabei betheiligt war, daß er die musika¬
lischen Studien wieder aufnahm; denn wenn wir den Freischütz und den
Oberon entbehren müßten, so hätten wir ohne Zweifel einige schöne Ge¬
mälde dafür zum Ersatz bekommen. Indessen, da es feststeht, daß man
das Gewisse immer dem Ungewissen vorziehen muß, so haben wir Ursache,
uns über Webers Entschluß Glück zu wünschen.

Sobald Weber sich entschieden hatte, die Steingrabekunst ihrem Schick¬
sal zu überlassen, widmete er sich wieder der Musik, mit jenem Gefühl der
Schaam und Ergebung gegen eine Herrin, zu der man zurückkehrt, um die
Schuld der Untreue abzubüßen. Er verdoppelte seinen Eifer und seine Aus¬
dauer. Sein erstes Unternehmen war, eine von dem Herrn von Steinsberg
geschriebene Oper, das Waldmädchen, in Musik zu setzen. Dies Stück
wurde im November des Jahres 1800 zum erstenmale gegeben. Weber
war damals vierzehn Jahre alt. Der Erfolg des Stückes übertraf bei
Weitem die Erwartungen des jungen Componisten, denn es wurde vierzehn
Mal in Wien aufgeführt, ins Böhmische übertragen, und zuletzt auch auf
dem Kaiserlichen Hof-Theater zu St. Petersburg gespielt. Zwischen dem
Waldmädchen und Webers dritter Oper, Peter Schmoll und seine
Nachbaren, welche im folgenden Jahre geschrieben wurde, liegt eine be-
merkenswerthe Veränderung des Styles.

Eine in der musikalischen Zeitung befindliche Kritik, worin man die
Compositionen der großen Meister im Einzelnen analysirte, hatte Webern
bewogen, einen andern Weg einzuschlagen. Diese Thatsache ist ein neuer
Beweis, für die Unbeständigkeit seines Charakters und für den Eifer, wo¬
mit er alles Neue ergriff. In Salzburg, wohin ihn Familienverhältnisse
gerufen hatten, componirte Weber den Peter Schmoll, welcher zuerst in
Augsburg, im Jahre 1801, zur Aufführung kam. Doch machte diese Oper
kein großes Glück, obschon der alte Michael Haydn, der endlich die selte¬
nen Anlagen eines, noch vor wenig Jahren von ihm so streng getadelten
Schülers anerkannte, dem Werthe der neuen Composition öffentlich Gerech-

teres Verfahren, es gelang ihm eine bessere Druckmaschine zu verfertigen,
und so weit trieb ihn der Enthusiasmus, daß er sich eine Zeitlang für den
Erfinder des ganzen Systems hielt. Er überließ sich dieser Täuschung, und
ganz erfüllt von dem Gedanken, seine Erfindung zu vervollkommnen, brachte
er es bei seinem Vater dahin, nach Freiberg gehen zu dürfen, wo er die
zur Lithographie tauglichen Steine leichter bekommen konnte. Aber diese
Anfangs so lebhafte Leidenschaft war von kurzer Dauer; trotz des Gelin¬
gens seiner Versuche, verlor er die Lust an seiner neuen Beschäftigung.
Das Mechanische dieser Arbeit, die Furcht seiner inneren Bildung dadurch
Eintrag zu thun, bewogen ihn, dieselbe aufzugeben. Es ist schwer zu sa¬
gen, ob die Kunst im Allgemeinen dabei betheiligt war, daß er die musika¬
lischen Studien wieder aufnahm; denn wenn wir den Freischütz und den
Oberon entbehren müßten, so hätten wir ohne Zweifel einige schöne Ge¬
mälde dafür zum Ersatz bekommen. Indessen, da es feststeht, daß man
das Gewisse immer dem Ungewissen vorziehen muß, so haben wir Ursache,
uns über Webers Entschluß Glück zu wünschen.

Sobald Weber sich entschieden hatte, die Steingrabekunst ihrem Schick¬
sal zu überlassen, widmete er sich wieder der Musik, mit jenem Gefühl der
Schaam und Ergebung gegen eine Herrin, zu der man zurückkehrt, um die
Schuld der Untreue abzubüßen. Er verdoppelte seinen Eifer und seine Aus¬
dauer. Sein erstes Unternehmen war, eine von dem Herrn von Steinsberg
geschriebene Oper, das Waldmädchen, in Musik zu setzen. Dies Stück
wurde im November des Jahres 1800 zum erstenmale gegeben. Weber
war damals vierzehn Jahre alt. Der Erfolg des Stückes übertraf bei
Weitem die Erwartungen des jungen Componisten, denn es wurde vierzehn
Mal in Wien aufgeführt, ins Böhmische übertragen, und zuletzt auch auf
dem Kaiserlichen Hof-Theater zu St. Petersburg gespielt. Zwischen dem
Waldmädchen und Webers dritter Oper, Peter Schmoll und seine
Nachbaren, welche im folgenden Jahre geschrieben wurde, liegt eine be-
merkenswerthe Veränderung des Styles.

Eine in der musikalischen Zeitung befindliche Kritik, worin man die
Compositionen der großen Meister im Einzelnen analysirte, hatte Webern
bewogen, einen andern Weg einzuschlagen. Diese Thatsache ist ein neuer
Beweis, für die Unbeständigkeit seines Charakters und für den Eifer, wo¬
mit er alles Neue ergriff. In Salzburg, wohin ihn Familienverhältnisse
gerufen hatten, componirte Weber den Peter Schmoll, welcher zuerst in
Augsburg, im Jahre 1801, zur Aufführung kam. Doch machte diese Oper
kein großes Glück, obschon der alte Michael Haydn, der endlich die selte¬
nen Anlagen eines, noch vor wenig Jahren von ihm so streng getadelten
Schülers anerkannte, dem Werthe der neuen Composition öffentlich Gerech-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/179685" n="294" facs="#f0302"/>
        <p>teres Verfahren, es gelang ihm eine bessere Druckmaschine zu verfertigen,<lb/>
und so weit trieb ihn der Enthusiasmus, daß er sich eine Zeitlang für den<lb/>
Erfinder des ganzen Systems hielt. Er überließ sich dieser Täuschung, und<lb/>
ganz erfüllt von dem Gedanken, seine Erfindung zu vervollkommnen, brachte<lb/>
er es bei seinem Vater dahin, nach Freiberg gehen zu dürfen, wo er die<lb/>
zur Lithographie tauglichen Steine leichter bekommen konnte. Aber diese<lb/>
Anfangs so lebhafte Leidenschaft war von kurzer Dauer; trotz des Gelin¬<lb/>
gens seiner Versuche, verlor er die Lust an seiner neuen Beschäftigung.<lb/>
Das Mechanische dieser Arbeit, die Furcht seiner inneren Bildung dadurch<lb/>
Eintrag zu thun, bewogen ihn, dieselbe aufzugeben. Es ist schwer zu sa¬<lb/>
gen, ob die Kunst im Allgemeinen dabei betheiligt war, daß er die musika¬<lb/>
lischen Studien wieder aufnahm; denn wenn wir den Freischütz und den<lb/>
Oberon entbehren müßten, so hätten wir ohne Zweifel einige schöne Ge¬<lb/>
mälde dafür zum Ersatz bekommen. Indessen, da es feststeht, daß man<lb/>
das Gewisse immer dem Ungewissen vorziehen muß, so haben wir Ursache,<lb/>
uns über Webers Entschluß Glück zu wünschen.</p><lb/>
        <p>Sobald Weber sich entschieden hatte, die Steingrabekunst ihrem Schick¬<lb/>
sal zu überlassen, widmete er sich wieder der Musik, mit jenem Gefühl der<lb/>
Schaam und Ergebung gegen eine Herrin, zu der man zurückkehrt, um die<lb/>
Schuld der Untreue abzubüßen. Er verdoppelte seinen Eifer und seine Aus¬<lb/>
dauer. Sein erstes Unternehmen war, eine von dem Herrn von Steinsberg<lb/>
geschriebene Oper, das Waldmädchen, in Musik zu setzen. Dies Stück<lb/>
wurde im November des Jahres 1800 zum erstenmale gegeben. Weber<lb/>
war damals vierzehn Jahre alt. Der Erfolg des Stückes übertraf bei<lb/>
Weitem die Erwartungen des jungen Componisten, denn es wurde vierzehn<lb/>
Mal in Wien aufgeführt, ins Böhmische übertragen, und zuletzt auch auf<lb/>
dem Kaiserlichen Hof-Theater zu St. Petersburg gespielt. Zwischen dem<lb/>
Waldmädchen und Webers dritter Oper, Peter Schmoll und seine<lb/>
Nachbaren, welche im folgenden Jahre geschrieben wurde, liegt eine be-<lb/>
merkenswerthe Veränderung des Styles.</p><lb/>
        <p>Eine in der musikalischen Zeitung befindliche Kritik, worin man die<lb/>
Compositionen der großen Meister im Einzelnen analysirte, hatte Webern<lb/>
bewogen, einen andern Weg einzuschlagen. Diese Thatsache ist ein neuer<lb/>
Beweis, für die Unbeständigkeit seines Charakters und für den Eifer, wo¬<lb/>
mit er alles Neue ergriff. In Salzburg, wohin ihn Familienverhältnisse<lb/>
gerufen hatten, componirte Weber den Peter Schmoll, welcher zuerst in<lb/>
Augsburg, im Jahre 1801, zur Aufführung kam. Doch machte diese Oper<lb/>
kein großes Glück, obschon der alte Michael Haydn, der endlich die selte¬<lb/>
nen Anlagen eines, noch vor wenig Jahren von ihm so streng getadelten<lb/>
Schülers anerkannte, dem Werthe der neuen Composition öffentlich Gerech-</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0302] teres Verfahren, es gelang ihm eine bessere Druckmaschine zu verfertigen, und so weit trieb ihn der Enthusiasmus, daß er sich eine Zeitlang für den Erfinder des ganzen Systems hielt. Er überließ sich dieser Täuschung, und ganz erfüllt von dem Gedanken, seine Erfindung zu vervollkommnen, brachte er es bei seinem Vater dahin, nach Freiberg gehen zu dürfen, wo er die zur Lithographie tauglichen Steine leichter bekommen konnte. Aber diese Anfangs so lebhafte Leidenschaft war von kurzer Dauer; trotz des Gelin¬ gens seiner Versuche, verlor er die Lust an seiner neuen Beschäftigung. Das Mechanische dieser Arbeit, die Furcht seiner inneren Bildung dadurch Eintrag zu thun, bewogen ihn, dieselbe aufzugeben. Es ist schwer zu sa¬ gen, ob die Kunst im Allgemeinen dabei betheiligt war, daß er die musika¬ lischen Studien wieder aufnahm; denn wenn wir den Freischütz und den Oberon entbehren müßten, so hätten wir ohne Zweifel einige schöne Ge¬ mälde dafür zum Ersatz bekommen. Indessen, da es feststeht, daß man das Gewisse immer dem Ungewissen vorziehen muß, so haben wir Ursache, uns über Webers Entschluß Glück zu wünschen. Sobald Weber sich entschieden hatte, die Steingrabekunst ihrem Schick¬ sal zu überlassen, widmete er sich wieder der Musik, mit jenem Gefühl der Schaam und Ergebung gegen eine Herrin, zu der man zurückkehrt, um die Schuld der Untreue abzubüßen. Er verdoppelte seinen Eifer und seine Aus¬ dauer. Sein erstes Unternehmen war, eine von dem Herrn von Steinsberg geschriebene Oper, das Waldmädchen, in Musik zu setzen. Dies Stück wurde im November des Jahres 1800 zum erstenmale gegeben. Weber war damals vierzehn Jahre alt. Der Erfolg des Stückes übertraf bei Weitem die Erwartungen des jungen Componisten, denn es wurde vierzehn Mal in Wien aufgeführt, ins Böhmische übertragen, und zuletzt auch auf dem Kaiserlichen Hof-Theater zu St. Petersburg gespielt. Zwischen dem Waldmädchen und Webers dritter Oper, Peter Schmoll und seine Nachbaren, welche im folgenden Jahre geschrieben wurde, liegt eine be- merkenswerthe Veränderung des Styles. Eine in der musikalischen Zeitung befindliche Kritik, worin man die Compositionen der großen Meister im Einzelnen analysirte, hatte Webern bewogen, einen andern Weg einzuschlagen. Diese Thatsache ist ein neuer Beweis, für die Unbeständigkeit seines Charakters und für den Eifer, wo¬ mit er alles Neue ergriff. In Salzburg, wohin ihn Familienverhältnisse gerufen hatten, componirte Weber den Peter Schmoll, welcher zuerst in Augsburg, im Jahre 1801, zur Aufführung kam. Doch machte diese Oper kein großes Glück, obschon der alte Michael Haydn, der endlich die selte¬ nen Anlagen eines, noch vor wenig Jahren von ihm so streng getadelten Schülers anerkannte, dem Werthe der neuen Composition öffentlich Gerech-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-19T17:23:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Signatur Per 61 k-1). (2013-11-19T17:23:38Z)

Weitere Informationen:

Art der Texterfassung: OCR.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/302
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/302>, abgerufen am 17.05.2024.