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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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das Volk nicht unverständlich finden wird und aus denen es erfahren kann,
wer Jene gewesen. -- Wenn der Verfasser am Schlusse hinzufügt: "Das
waren unsere Hoffnungen und Illusionen, unsere Täuschungen und unsere
Irrungen. Sie sind fort wie Nebelbilder, die der Herbstwind über die
Stoppeln jagt. Heut hoffen, täuschen und irren wir uns nicht mehr, we¬
nigstens nicht in Bezug auf das Volkstheater. Aber ich bedaure es nicht,
daß ich gehofft und geirrt habe" -- so achten wir darin das Anerkenntniß
eines Mannes, der einer Zeit angehörte, wo es Noth that, selbst durch Irr¬
thümer und fruchtlose Mühen hindurch, dem Volke die Hoffnung zu über¬
liefern, und das Selbstvertrauen in den Geistern wach zu erhalten.

Unter den vier Erzählungen, welche den übrigen Raum der Penelope
füllen, ist nichts, das über die Mittelgattung von dergleichen Produktionen
hinansginge. In der Novelle: Liebe in alter Zeit hat Herr Th.
Mügge sein Talent nicht in dem Grade bewährt, wie es aus andern Ar¬
beiten von ihm bekannt ist. Der Verfasser hat zu viel Material aufgehäuft;
es gebricht seiner Erzählung an der innern Spannkraft, welche eine Folge
des strengern und schärfern Ausbaues ist. Die Zeichnung ist lose, das Co-
lorit glanzlos. Die Personen, welche uns vorgeführt werden, sind zu ge¬
wöhnlich. Zwar fehlt es nicht an treffenden Zügen und gut erfundenen
Situationen; allein das Stück im Ganzen ist willkührlich und gewaltsam
zusammengeschürzt. Ein alter ausgedienter Lieutenant, gegenüber einem jun¬
gen Mädchen, das er zur Ehe begehrt, spielt eine zu wunderliche Rolle, als
daß wir recht an die Sache glauben könnten. Der Verfasser hält sich in
der Mitte zwischen dem Possenhaften und dem Rührenden; glücklicher würde
er gewesen sein, wenn er den Ton des Volkswitzes getroffen hätte. Der
begünstigte Liebhaber ist ein angehender Virtuos, der durch ein Flötencon¬
cert, das er vor Friedrich dem Großen ausführt, der Conscription entgeht.
Die Figur des Königs ist wöhlgelungen, und was von ihm anekdotenartig
eingeflochten ist, darf auf den Beifall des Lesers rechnen.

Die Novelle: Hoffnungen und Täuschungen von Isidor (v. M.)
spielt in den Salons und Parks der vornehmen Welt. Indeß sind nicht
gerade alle Reden salongerecht; das Einmischen französischer Ausdrücke reicht
nicht hin, um die Welt zu zeichnen, die sich auf dem geglätteten Estrich der
Höfe bewegt, selbst dann nicht, wenn diese Ausdrücke gesucht und nichtssa¬
gend sind. Die Begebenheit fällt in Spanien vor, und beginnt zur Zeit,
als König Joseph die Klöster aufgehoben hatte. Der Titel des Stücks be¬
zeichnet den Inhalt der Hauptsache nach. Bei einzelnen guten Anlagen,
bietet es doch ein Gemisch von Schwäche, Unglück und Verirrung dar,
dessen natürlicher Ausgang ist, daß sämmtlichen Personen das Leben zur
Last wird. Die Schreibart ist leicht und im Allgemeinen rasch. --

das Volk nicht unverständlich finden wird und aus denen es erfahren kann,
wer Jene gewesen. — Wenn der Verfasser am Schlusse hinzufügt: 〟Das
waren unsere Hoffnungen und Illusionen, unsere Täuschungen und unsere
Irrungen. Sie sind fort wie Nebelbilder, die der Herbstwind über die
Stoppeln jagt. Heut hoffen, täuschen und irren wir uns nicht mehr, we¬
nigstens nicht in Bezug auf das Volkstheater. Aber ich bedaure es nicht,
daß ich gehofft und geirrt habe〟 — so achten wir darin das Anerkenntniß
eines Mannes, der einer Zeit angehörte, wo es Noth that, selbst durch Irr¬
thümer und fruchtlose Mühen hindurch, dem Volke die Hoffnung zu über¬
liefern, und das Selbstvertrauen in den Geistern wach zu erhalten.

Unter den vier Erzählungen, welche den übrigen Raum der Penelope
füllen, ist nichts, das über die Mittelgattung von dergleichen Produktionen
hinansginge. In der Novelle: Liebe in alter Zeit hat Herr Th.
Mügge sein Talent nicht in dem Grade bewährt, wie es aus andern Ar¬
beiten von ihm bekannt ist. Der Verfasser hat zu viel Material aufgehäuft;
es gebricht seiner Erzählung an der innern Spannkraft, welche eine Folge
des strengern und schärfern Ausbaues ist. Die Zeichnung ist lose, das Co-
lorit glanzlos. Die Personen, welche uns vorgeführt werden, sind zu ge¬
wöhnlich. Zwar fehlt es nicht an treffenden Zügen und gut erfundenen
Situationen; allein das Stück im Ganzen ist willkührlich und gewaltsam
zusammengeschürzt. Ein alter ausgedienter Lieutenant, gegenüber einem jun¬
gen Mädchen, das er zur Ehe begehrt, spielt eine zu wunderliche Rolle, als
daß wir recht an die Sache glauben könnten. Der Verfasser hält sich in
der Mitte zwischen dem Possenhaften und dem Rührenden; glücklicher würde
er gewesen sein, wenn er den Ton des Volkswitzes getroffen hätte. Der
begünstigte Liebhaber ist ein angehender Virtuos, der durch ein Flötencon¬
cert, das er vor Friedrich dem Großen ausführt, der Conscription entgeht.
Die Figur des Königs ist wöhlgelungen, und was von ihm anekdotenartig
eingeflochten ist, darf auf den Beifall des Lesers rechnen.

Die Novelle: Hoffnungen und Täuschungen von Isidor (v. M.)
spielt in den Salons und Parks der vornehmen Welt. Indeß sind nicht
gerade alle Reden salongerecht; das Einmischen französischer Ausdrücke reicht
nicht hin, um die Welt zu zeichnen, die sich auf dem geglätteten Estrich der
Höfe bewegt, selbst dann nicht, wenn diese Ausdrücke gesucht und nichtssa¬
gend sind. Die Begebenheit fällt in Spanien vor, und beginnt zur Zeit,
als König Joseph die Klöster aufgehoben hatte. Der Titel des Stücks be¬
zeichnet den Inhalt der Hauptsache nach. Bei einzelnen guten Anlagen,
bietet es doch ein Gemisch von Schwäche, Unglück und Verirrung dar,
dessen natürlicher Ausgang ist, daß sämmtlichen Personen das Leben zur
Last wird. Die Schreibart ist leicht und im Allgemeinen rasch. —

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[272/0280] das Volk nicht unverständlich finden wird und aus denen es erfahren kann, wer Jene gewesen. — Wenn der Verfasser am Schlusse hinzufügt: 〟Das waren unsere Hoffnungen und Illusionen, unsere Täuschungen und unsere Irrungen. Sie sind fort wie Nebelbilder, die der Herbstwind über die Stoppeln jagt. Heut hoffen, täuschen und irren wir uns nicht mehr, we¬ nigstens nicht in Bezug auf das Volkstheater. Aber ich bedaure es nicht, daß ich gehofft und geirrt habe〟 — so achten wir darin das Anerkenntniß eines Mannes, der einer Zeit angehörte, wo es Noth that, selbst durch Irr¬ thümer und fruchtlose Mühen hindurch, dem Volke die Hoffnung zu über¬ liefern, und das Selbstvertrauen in den Geistern wach zu erhalten. Unter den vier Erzählungen, welche den übrigen Raum der Penelope füllen, ist nichts, das über die Mittelgattung von dergleichen Produktionen hinansginge. In der Novelle: Liebe in alter Zeit hat Herr Th. Mügge sein Talent nicht in dem Grade bewährt, wie es aus andern Ar¬ beiten von ihm bekannt ist. Der Verfasser hat zu viel Material aufgehäuft; es gebricht seiner Erzählung an der innern Spannkraft, welche eine Folge des strengern und schärfern Ausbaues ist. Die Zeichnung ist lose, das Co- lorit glanzlos. Die Personen, welche uns vorgeführt werden, sind zu ge¬ wöhnlich. Zwar fehlt es nicht an treffenden Zügen und gut erfundenen Situationen; allein das Stück im Ganzen ist willkührlich und gewaltsam zusammengeschürzt. Ein alter ausgedienter Lieutenant, gegenüber einem jun¬ gen Mädchen, das er zur Ehe begehrt, spielt eine zu wunderliche Rolle, als daß wir recht an die Sache glauben könnten. Der Verfasser hält sich in der Mitte zwischen dem Possenhaften und dem Rührenden; glücklicher würde er gewesen sein, wenn er den Ton des Volkswitzes getroffen hätte. Der begünstigte Liebhaber ist ein angehender Virtuos, der durch ein Flötencon¬ cert, das er vor Friedrich dem Großen ausführt, der Conscription entgeht. Die Figur des Königs ist wöhlgelungen, und was von ihm anekdotenartig eingeflochten ist, darf auf den Beifall des Lesers rechnen. Die Novelle: Hoffnungen und Täuschungen von Isidor (v. M.) spielt in den Salons und Parks der vornehmen Welt. Indeß sind nicht gerade alle Reden salongerecht; das Einmischen französischer Ausdrücke reicht nicht hin, um die Welt zu zeichnen, die sich auf dem geglätteten Estrich der Höfe bewegt, selbst dann nicht, wenn diese Ausdrücke gesucht und nichtssa¬ gend sind. Die Begebenheit fällt in Spanien vor, und beginnt zur Zeit, als König Joseph die Klöster aufgehoben hatte. Der Titel des Stücks be¬ zeichnet den Inhalt der Hauptsache nach. Bei einzelnen guten Anlagen, bietet es doch ein Gemisch von Schwäche, Unglück und Verirrung dar, dessen natürlicher Ausgang ist, daß sämmtlichen Personen das Leben zur Last wird. Die Schreibart ist leicht und im Allgemeinen rasch. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/280>, abgerufen am 25.11.2024.