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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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uns der Hoffnung überlassen, daß es seinen alten Glanz wieder erlangen
wird, wenn ihm nicht neue Fesseln angelegt werden.

"Noch ist nicht Alles geschehen. Aber aus dem, was geschehen ist,
läßt sich mit Hülfe historischer Erinnerungen und Analogieen vorhersagen,
was noch geschafft werden kann, vorausgesetzt, daß die Verhältnisse unver¬
rückt bleiben. Wenn auch ein Volk mit Thätigkeit, Unternehmungs-, und
Erfindungsgeist, Entschlossenheit und Standhaftigkeit begabt ist, so kann es
diese Eigenschaften zwar nach allen Richtungen verwenden, aber dieß ge¬
schieht nicht zu gleicher Zeit und es fängt mit denjenigen Zweigen an, wor¬
auf es durch seine Bedürfnisse, seine Lage, seine Geschichte hingewiesen ist.
Wenn eine Nation im Wechsel der Verhängnisse aus einem Lande in ein
anderes verschlagen wird, so nimmt sie nicht sogleich die ihrer neuen Lage
gemäßen Gewohnheiten an, und übt noch lange die vom Mutterlande über¬
kommenen Industriezweige und Künste, ehe sie diejenigen ausübt, welche ihr
neue Niederlassung andeutet. So haben die Germanen ein kriegerisches und
ackerbauendes Geschlecht, allen Handel und Kunstfleiß der besiegten und un¬
terjochten Bevölkerung römischer Civilisation überlassen. So wie sie aber
einmal anfingen, sich selbst damit zu beschäftigen, so verwendeten sie darauf
auch eine gleiche Energie und Beharrlichkeit. So war, um nur ein Bei¬
spiel unter den modernen Völkern anzuführen, das englische ursprünglich
ein ackerbautreibendes Volk, obwohl es ein Uferland bewohnte, dann wurde
es durch seine Lage zu einem Seemannsvolk gemacht, endlich zum industriellen,
indem es seine Kraft auf alles verwendete, was ein wohlbegabter Mensch
unter einer guten Regierung erreichen kann, und in allen diesen Anwen¬
dungen seines Genies leistet es Ausgezeichnetes. Es verkaufte den Fla-
mändern die Wolle seiner Heerden, den kostbarsten und reichsten der Welt
unter Eduard II. Seit Cromwell ist es das erste Volk auf der See,
seit Artwright und Watt behauptet es in der Industrie den ersten Rang.

"Unsre Belgier, ebenso begabt wie die Engländer ohne Zweifel, weil
sie wie diese aus einer Annäherung oder Vermischung romanischen und
germanischen Blutes entstanden sind, von jenem die Lebhaftigkeit und den
Ungestüm, von diesem den Ernst und die Ruhe überkommen haben, bieten
ein analoges Beispiel dar. Zwei Jahrhunderte hindurch aus der Reihe
der Nationen, die ihrer eigenen Thätigkeit überlassen sind, gestrichen, durf¬
ten sie erst seit fünfzig Jahren die ihnen durch den westfälischen Frieden
genommene Wichtigkeit wieder in Anspruch nehmen. Unter dem französi¬
schen Kaiserreich war, wie oben gezeigt, ihre Thätigkeit auf die Industrie
hingewiesen. Wie durften sie auf weitaussehenden Handel und Schifffahrt
denken, wo das Meer andern Völkern, die noch mehr Seemannsvölker sind,

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uns der Hoffnung überlassen, daß es seinen alten Glanz wieder erlangen
wird, wenn ihm nicht neue Fesseln angelegt werden.

"Noch ist nicht Alles geschehen. Aber aus dem, was geschehen ist,
läßt sich mit Hülfe historischer Erinnerungen und Analogieen vorhersagen,
was noch geschafft werden kann, vorausgesetzt, daß die Verhältnisse unver¬
rückt bleiben. Wenn auch ein Volk mit Thätigkeit, Unternehmungs-, und
Erfindungsgeist, Entschlossenheit und Standhaftigkeit begabt ist, so kann es
diese Eigenschaften zwar nach allen Richtungen verwenden, aber dieß ge¬
schieht nicht zu gleicher Zeit und es fängt mit denjenigen Zweigen an, wor¬
auf es durch seine Bedürfnisse, seine Lage, seine Geschichte hingewiesen ist.
Wenn eine Nation im Wechsel der Verhängnisse aus einem Lande in ein
anderes verschlagen wird, so nimmt sie nicht sogleich die ihrer neuen Lage
gemäßen Gewohnheiten an, und übt noch lange die vom Mutterlande über¬
kommenen Industriezweige und Künste, ehe sie diejenigen ausübt, welche ihr
neue Niederlassung andeutet. So haben die Germanen ein kriegerisches und
ackerbauendes Geschlecht, allen Handel und Kunstfleiß der besiegten und un¬
terjochten Bevölkerung römischer Civilisation überlassen. So wie sie aber
einmal anfingen, sich selbst damit zu beschäftigen, so verwendeten sie darauf
auch eine gleiche Energie und Beharrlichkeit. So war, um nur ein Bei¬
spiel unter den modernen Völkern anzuführen, das englische ursprünglich
ein ackerbautreibendes Volk, obwohl es ein Uferland bewohnte, dann wurde
es durch seine Lage zu einem Seemannsvolk gemacht, endlich zum industriellen,
indem es seine Kraft auf alles verwendete, was ein wohlbegabter Mensch
unter einer guten Regierung erreichen kann, und in allen diesen Anwen¬
dungen seines Genies leistet es Ausgezeichnetes. Es verkaufte den Fla-
mändern die Wolle seiner Heerden, den kostbarsten und reichsten der Welt
unter Eduard II. Seit Cromwell ist es das erste Volk auf der See,
seit Artwright und Watt behauptet es in der Industrie den ersten Rang.

"Unsre Belgier, ebenso begabt wie die Engländer ohne Zweifel, weil
sie wie diese aus einer Annäherung oder Vermischung romanischen und
germanischen Blutes entstanden sind, von jenem die Lebhaftigkeit und den
Ungestüm, von diesem den Ernst und die Ruhe überkommen haben, bieten
ein analoges Beispiel dar. Zwei Jahrhunderte hindurch aus der Reihe
der Nationen, die ihrer eigenen Thätigkeit überlassen sind, gestrichen, durf¬
ten sie erst seit fünfzig Jahren die ihnen durch den westfälischen Frieden
genommene Wichtigkeit wieder in Anspruch nehmen. Unter dem französi¬
schen Kaiserreich war, wie oben gezeigt, ihre Thätigkeit auf die Industrie
hingewiesen. Wie durften sie auf weitaussehenden Handel und Schifffahrt
denken, wo das Meer andern Völkern, die noch mehr Seemannsvölker sind,

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[263/0271] uns der Hoffnung überlassen, daß es seinen alten Glanz wieder erlangen wird, wenn ihm nicht neue Fesseln angelegt werden. "Noch ist nicht Alles geschehen. Aber aus dem, was geschehen ist, läßt sich mit Hülfe historischer Erinnerungen und Analogieen vorhersagen, was noch geschafft werden kann, vorausgesetzt, daß die Verhältnisse unver¬ rückt bleiben. Wenn auch ein Volk mit Thätigkeit, Unternehmungs-, und Erfindungsgeist, Entschlossenheit und Standhaftigkeit begabt ist, so kann es diese Eigenschaften zwar nach allen Richtungen verwenden, aber dieß ge¬ schieht nicht zu gleicher Zeit und es fängt mit denjenigen Zweigen an, wor¬ auf es durch seine Bedürfnisse, seine Lage, seine Geschichte hingewiesen ist. Wenn eine Nation im Wechsel der Verhängnisse aus einem Lande in ein anderes verschlagen wird, so nimmt sie nicht sogleich die ihrer neuen Lage gemäßen Gewohnheiten an, und übt noch lange die vom Mutterlande über¬ kommenen Industriezweige und Künste, ehe sie diejenigen ausübt, welche ihr neue Niederlassung andeutet. So haben die Germanen ein kriegerisches und ackerbauendes Geschlecht, allen Handel und Kunstfleiß der besiegten und un¬ terjochten Bevölkerung römischer Civilisation überlassen. So wie sie aber einmal anfingen, sich selbst damit zu beschäftigen, so verwendeten sie darauf auch eine gleiche Energie und Beharrlichkeit. So war, um nur ein Bei¬ spiel unter den modernen Völkern anzuführen, das englische ursprünglich ein ackerbautreibendes Volk, obwohl es ein Uferland bewohnte, dann wurde es durch seine Lage zu einem Seemannsvolk gemacht, endlich zum industriellen, indem es seine Kraft auf alles verwendete, was ein wohlbegabter Mensch unter einer guten Regierung erreichen kann, und in allen diesen Anwen¬ dungen seines Genies leistet es Ausgezeichnetes. Es verkaufte den Fla- mändern die Wolle seiner Heerden, den kostbarsten und reichsten der Welt unter Eduard II. Seit Cromwell ist es das erste Volk auf der See, seit Artwright und Watt behauptet es in der Industrie den ersten Rang. "Unsre Belgier, ebenso begabt wie die Engländer ohne Zweifel, weil sie wie diese aus einer Annäherung oder Vermischung romanischen und germanischen Blutes entstanden sind, von jenem die Lebhaftigkeit und den Ungestüm, von diesem den Ernst und die Ruhe überkommen haben, bieten ein analoges Beispiel dar. Zwei Jahrhunderte hindurch aus der Reihe der Nationen, die ihrer eigenen Thätigkeit überlassen sind, gestrichen, durf¬ ten sie erst seit fünfzig Jahren die ihnen durch den westfälischen Frieden genommene Wichtigkeit wieder in Anspruch nehmen. Unter dem französi¬ schen Kaiserreich war, wie oben gezeigt, ihre Thätigkeit auf die Industrie hingewiesen. Wie durften sie auf weitaussehenden Handel und Schifffahrt denken, wo das Meer andern Völkern, die noch mehr Seemannsvölker sind, 35*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/271>, abgerufen am 25.11.2024.