Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.
Es gibt nichts kleines, alles mußt du deuten, Und wenn du kannst, so hasche selbst den Vogel Aus seinem Meer herab und frag' ihn aus! Doch mich laß frei, laß unbehindert wandern! Heinrich. Es kann nicht sein, ich sprach mein letztes Wort! Kaiser. Verschließe denn der Menschenrede dich! O ich vergaß mich, hatt' es nicht begriffen! Sei schmiegsam Unterthan! Bequeme dich, Und freue dich, sei glücklich, wenn der Herr Ein wahres Lächeln oder falsches zeigt; Und nimm es an und frage nicht nach Grund, Nach Recht und Ursach, bis die Zeit dir fällt; Und wolle bitten, aber lern' es auch, In die Versagung freudig einzustimmen! -- Du willst mich, Herr, in deiner Obhut wissen? Und es beliebt dir nicht, mich hülfelos, Unstät und schweifend in dem Land zu sehn? Du hast wohl deine Absicht, weiser König, Und forderst billig, daß ich dir gehorche! Doch hab' ich sehr nach freier Luft geschmachtet, Und um den Wandel einer Abendstunde, Um die Verfügung über wenig Schritte, Hab' ich mein Gut gelassen, wie du weißt, Die Erndte eines Lebens überlassen. Heinrich. Wir gehn nach Mainz, die Stadt ist euch bedenklich! Drum kehrt zurück! Wir haften für eu'r Wohl! (Der Reichstag ist im Begriff aufzubrechen.) Kaiser. Ich bin ein schlechter Miethsmann eines Kerkers, Bin nicht gewöhnt an eines Riegels Freundschaft; Die alten Glieder wollen nicht den Stein, Die feuchte Kellerwand zum Lager nehmen. (zu Gebhard von Speier.) Bischof, sei mir geneigt von diesen Freunden; Nimm mich nach Speier, ob ich auch noch lebe!
Es gibt nichts kleines, alles mußt du deuten, Und wenn du kannst, so hasche selbst den Vogel Aus seinem Meer herab und frag' ihn aus! Doch mich laß frei, laß unbehindert wandern! Heinrich. Es kann nicht sein, ich sprach mein letztes Wort! Kaiser. Verschließe denn der Menschenrede dich! O ich vergaß mich, hatt' es nicht begriffen! Sei schmiegsam Unterthan! Bequeme dich, Und freue dich, sei glücklich, wenn der Herr Ein wahres Lächeln oder falsches zeigt; Und nimm es an und frage nicht nach Grund, Nach Recht und Ursach, bis die Zeit dir fällt; Und wolle bitten, aber lern' es auch, In die Versagung freudig einzustimmen! — Du willst mich, Herr, in deiner Obhut wissen? Und es beliebt dir nicht, mich hülfelos, Unstät und schweifend in dem Land zu sehn? Du hast wohl deine Absicht, weiser König, Und forderst billig, daß ich dir gehorche! Doch hab' ich sehr nach freier Luft geschmachtet, Und um den Wandel einer Abendstunde, Um die Verfügung über wenig Schritte, Hab' ich mein Gut gelassen, wie du weißt, Die Erndte eines Lebens überlassen. Heinrich. Wir gehn nach Mainz, die Stadt ist euch bedenklich! Drum kehrt zurück! Wir haften für eu'r Wohl! (Der Reichstag ist im Begriff aufzubrechen.) Kaiser. Ich bin ein schlechter Miethsmann eines Kerkers, Bin nicht gewöhnt an eines Riegels Freundschaft; Die alten Glieder wollen nicht den Stein, Die feuchte Kellerwand zum Lager nehmen. (zu Gebhard von Speier.) Bischof, sei mir geneigt von diesen Freunden; Nimm mich nach Speier, ob ich auch noch lebe! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp> <p><pb corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/179574" n="183" facs="#f0191"/> Es gibt nichts kleines, alles mußt du deuten,<lb/> Und wenn du kannst, so hasche selbst den Vogel<lb/> Aus seinem Meer herab und frag' ihn aus!<lb/> Doch mich laß frei, laß unbehindert wandern!</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c #g">Heinrich.</hi> </speaker><lb/> <p>Es kann nicht sein, ich sprach mein letztes Wort!</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c #g">Kaiser.</hi> </speaker><lb/> <p>Verschließe denn der Menschenrede dich!<lb/> O ich vergaß mich, hatt' es nicht begriffen!<lb/> Sei schmiegsam Unterthan! Bequeme dich,<lb/> Und freue dich, sei glücklich, wenn der Herr<lb/> Ein wahres Lächeln oder falsches zeigt;<lb/> Und nimm es an und frage nicht nach Grund,<lb/> Nach Recht und Ursach, bis die Zeit dir fällt;<lb/> Und wolle bitten, aber lern' es auch,<lb/> In die Versagung freudig einzustimmen! —<lb/> Du willst mich, Herr, in deiner Obhut wissen?<lb/> Und es beliebt dir nicht, mich hülfelos,<lb/> Unstät und schweifend in dem Land zu sehn?<lb/> Du hast wohl deine Absicht, weiser König,<lb/> Und forderst billig, daß ich dir gehorche!<lb/> Doch hab' ich sehr nach freier Luft geschmachtet,<lb/> Und um den Wandel einer Abendstunde,<lb/> Um die Verfügung über wenig Schritte,<lb/> Hab' ich mein Gut gelassen, wie du weißt,<lb/> Die Erndte eines Lebens überlassen.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c #g">Heinrich.</hi> </speaker><lb/> <p>Wir gehn nach Mainz, die Stadt ist euch bedenklich!<lb/> Drum kehrt zurück! Wir haften für eu'r Wohl!</p><lb/> <stage>(Der Reichstag ist im Begriff aufzubrechen.)</stage> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c #g">Kaiser.</hi> </speaker><lb/> <p>Ich bin ein schlechter Miethsmann eines Kerkers,<lb/> Bin nicht gewöhnt an eines Riegels Freundschaft;<lb/> Die alten Glieder wollen nicht den Stein,<lb/> Die feuchte Kellerwand zum Lager nehmen.</p><lb/> <stage>(zu Gebhard von Speier.)</stage><lb/> <p>Bischof, sei mir geneigt von diesen Freunden;<lb/> Nimm mich nach Speier, ob ich auch noch lebe!<lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [183/0191]
Es gibt nichts kleines, alles mußt du deuten,
Und wenn du kannst, so hasche selbst den Vogel
Aus seinem Meer herab und frag' ihn aus!
Doch mich laß frei, laß unbehindert wandern!
Heinrich.
Es kann nicht sein, ich sprach mein letztes Wort!
Kaiser.
Verschließe denn der Menschenrede dich!
O ich vergaß mich, hatt' es nicht begriffen!
Sei schmiegsam Unterthan! Bequeme dich,
Und freue dich, sei glücklich, wenn der Herr
Ein wahres Lächeln oder falsches zeigt;
Und nimm es an und frage nicht nach Grund,
Nach Recht und Ursach, bis die Zeit dir fällt;
Und wolle bitten, aber lern' es auch,
In die Versagung freudig einzustimmen! —
Du willst mich, Herr, in deiner Obhut wissen?
Und es beliebt dir nicht, mich hülfelos,
Unstät und schweifend in dem Land zu sehn?
Du hast wohl deine Absicht, weiser König,
Und forderst billig, daß ich dir gehorche!
Doch hab' ich sehr nach freier Luft geschmachtet,
Und um den Wandel einer Abendstunde,
Um die Verfügung über wenig Schritte,
Hab' ich mein Gut gelassen, wie du weißt,
Die Erndte eines Lebens überlassen.
Heinrich.
Wir gehn nach Mainz, die Stadt ist euch bedenklich!
Drum kehrt zurück! Wir haften für eu'r Wohl!
(Der Reichstag ist im Begriff aufzubrechen.)
Kaiser.
Ich bin ein schlechter Miethsmann eines Kerkers,
Bin nicht gewöhnt an eines Riegels Freundschaft;
Die alten Glieder wollen nicht den Stein,
Die feuchte Kellerwand zum Lager nehmen.
(zu Gebhard von Speier.)
Bischof, sei mir geneigt von diesen Freunden;
Nimm mich nach Speier, ob ich auch noch lebe!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/191 |
Zitationshilfe: | Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/191>, abgerufen am 23.07.2024. |