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Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844.

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§ 14 Das Ausdehnungsgebilde erster Stufe.
Den Uebergang des erzeugenden Elementes aus einem Zustande in
einen andern nennen wir eine Aenderung desselben; und diese
abstrakte Aenderung des erzeugenden Elementes entspricht also
der Ortsänderung oder Bewegung des Punktes in der Geometrie.
Wie nun in der Geometrie durch die Fortbewegung eines Punktes
zunächst eine Linie entsteht, und erst, indem man das gewonnene
Gebilde aufs neue der Bewegung unterwirft, räumliche Gebilde
höherer Stufen entstehen können, so entsteht auch in unsrer Wis-
senschaft durch stetige Aenderung des erzeugenden Elementes zu-
nächst das Ausdehnungsgebilde erster Stufe. Die Resultate der
bisherigen Entwickelung zusammenfassend, können wir die Defini-
tion aufstellen:
"Unter einem Ausdehnungsgebilde erster Stufe verstehen wir
die Gesammtheit der Elemente, in die ein erzeugendes Ele-
ment bei stetiger Aenderung übergeht."

und insbesondere nennen wir das erzeugende Element in seinem
ersten Zustande das Anfangselement, in seinem letzten das Endele-
ment. Aus diesem Begriffe ergiebt sich sogleich, dass zu jedem
Ausdehnungsgebilde ein entgegengesetztes gehört, welches diesel-
ben Elemente enthält, aber in umgekehrter Entstehungsweise, so
dass also namentlich das Anfangselement des einen das Endelement
des andern wird. Oder, bestimmter ausgedrückt, wenn durch eine
Aenderung aus a b wird, so ist die entgegengesetzte die, durch
welche aus b a wird, und das einem Ausdehnungsgebilde entge-
gengesetzte ist dasjenige, welches durch die entgegengesetzten
Aenderungen in umgekehrter Folge hervorgeht, worin zugleich liegt,
dass das Entgegengesetztsein ein wechselseitiges ist.

§. 14. Das Ausdehnungsgebilde wird nur dann als ein ein-
faches erscheinen, wenn die Aenderungen, die das erzeugende
Element erleidet, stets einander gleich gesetzt werden; so dass
also, wenn durch eine Aenderung aus einem Element a ein ande-
res b hervorgeht, welche beide jenem einfachen Ausdehnungsge-
bilde angehören, dann durch eine gleiche Aenderung aus b ein
Element desselben Ausdehnungsgebildes c erzeugt wird, und zwar
wird diese Gleichheit auch dann noch statt finden müssen, wenn a
und b als stetig aneinandergränzende Elemente aufgefasst werden,
da diese Gleichheit durchweg bei der stetigen Erzeugung statt finden

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§ 14 Das Ausdehnungsgebilde erster Stufe.
Den Uebergang des erzeugenden Elementes aus einem Zustande in
einen andern nennen wir eine Aenderung desselben; und diese
abstrakte Aenderung des erzeugenden Elementes entspricht also
der Ortsänderung oder Bewegung des Punktes in der Geometrie.
Wie nun in der Geometrie durch die Fortbewegung eines Punktes
zunächst eine Linie entsteht, und erst, indem man das gewonnene
Gebilde aufs neue der Bewegung unterwirft, räumliche Gebilde
höherer Stufen entstehen können, so entsteht auch in unsrer Wis-
senschaft durch stetige Aenderung des erzeugenden Elementes zu-
nächst das Ausdehnungsgebilde erster Stufe. Die Resultate der
bisherigen Entwickelung zusammenfassend, können wir die Defini-
tion aufstellen:
„Unter einem Ausdehnungsgebilde erster Stufe verstehen wir
die Gesammtheit der Elemente, in die ein erzeugendes Ele-
ment bei stetiger Aenderung übergeht.“

und insbesondere nennen wir das erzeugende Element in seinem
ersten Zustande das Anfangselement, in seinem letzten das Endele-
ment. Aus diesem Begriffe ergiebt sich sogleich, dass zu jedem
Ausdehnungsgebilde ein entgegengesetztes gehört, welches diesel-
ben Elemente enthält, aber in umgekehrter Entstehungsweise, so
dass also namentlich das Anfangselement des einen das Endelement
des andern wird. Oder, bestimmter ausgedrückt, wenn durch eine
Aenderung aus a b wird, so ist die entgegengesetzte die, durch
welche aus b a wird, und das einem Ausdehnungsgebilde entge-
gengesetzte ist dasjenige, welches durch die entgegengesetzten
Aenderungen in umgekehrter Folge hervorgeht, worin zugleich liegt,
dass das Entgegengesetztsein ein wechselseitiges ist.

§. 14. Das Ausdehnungsgebilde wird nur dann als ein ein-
faches erscheinen, wenn die Aenderungen, die das erzeugende
Element erleidet, stets einander gleich gesetzt werden; so dass
also, wenn durch eine Aenderung aus einem Element a ein ande-
res b hervorgeht, welche beide jenem einfachen Ausdehnungsge-
bilde angehören, dann durch eine gleiche Aenderung aus b ein
Element desselben Ausdehnungsgebildes c erzeugt wird, und zwar
wird diese Gleichheit auch dann noch statt finden müssen, wenn a
und b als stetig aneinandergränzende Elemente aufgefasst werden,
da diese Gleichheit durchweg bei der stetigen Erzeugung statt finden

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[17/0053] § 14 Das Ausdehnungsgebilde erster Stufe. Den Uebergang des erzeugenden Elementes aus einem Zustande in einen andern nennen wir eine Aenderung desselben; und diese abstrakte Aenderung des erzeugenden Elementes entspricht also der Ortsänderung oder Bewegung des Punktes in der Geometrie. Wie nun in der Geometrie durch die Fortbewegung eines Punktes zunächst eine Linie entsteht, und erst, indem man das gewonnene Gebilde aufs neue der Bewegung unterwirft, räumliche Gebilde höherer Stufen entstehen können, so entsteht auch in unsrer Wis- senschaft durch stetige Aenderung des erzeugenden Elementes zu- nächst das Ausdehnungsgebilde erster Stufe. Die Resultate der bisherigen Entwickelung zusammenfassend, können wir die Defini- tion aufstellen: „Unter einem Ausdehnungsgebilde erster Stufe verstehen wir die Gesammtheit der Elemente, in die ein erzeugendes Ele- ment bei stetiger Aenderung übergeht.“ und insbesondere nennen wir das erzeugende Element in seinem ersten Zustande das Anfangselement, in seinem letzten das Endele- ment. Aus diesem Begriffe ergiebt sich sogleich, dass zu jedem Ausdehnungsgebilde ein entgegengesetztes gehört, welches diesel- ben Elemente enthält, aber in umgekehrter Entstehungsweise, so dass also namentlich das Anfangselement des einen das Endelement des andern wird. Oder, bestimmter ausgedrückt, wenn durch eine Aenderung aus a b wird, so ist die entgegengesetzte die, durch welche aus b a wird, und das einem Ausdehnungsgebilde entge- gengesetzte ist dasjenige, welches durch die entgegengesetzten Aenderungen in umgekehrter Folge hervorgeht, worin zugleich liegt, dass das Entgegengesetztsein ein wechselseitiges ist. §. 14. Das Ausdehnungsgebilde wird nur dann als ein ein- faches erscheinen, wenn die Aenderungen, die das erzeugende Element erleidet, stets einander gleich gesetzt werden; so dass also, wenn durch eine Aenderung aus einem Element a ein ande- res b hervorgeht, welche beide jenem einfachen Ausdehnungsge- bilde angehören, dann durch eine gleiche Aenderung aus b ein Element desselben Ausdehnungsgebildes c erzeugt wird, und zwar wird diese Gleichheit auch dann noch statt finden müssen, wenn a und b als stetig aneinandergränzende Elemente aufgefasst werden, da diese Gleichheit durchweg bei der stetigen Erzeugung statt finden 2

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Zitationshilfe: Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/53>, abgerufen am 02.05.2024.