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Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844.

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Einleitung.
besondere Zeichen hervortreten, da ist dadurch die ganze verän-
derliche Grösse bezeichnet. Hingegen bei der Ausdehnungsgrösse,
oder deren konkreter Darstellung, der Linie, werden die verschie-
nen Elemente auch mit verschiedenen Zeichen (den Buchstaben)
bezeichnet, grade wie in der Kombinationslehre. Auch ist klar,
wie jede reale Grösse auf zwiefache Weise kann angeschaut wer-
den, als intensive und extensive; nämlich auch die Linie wird als
intensive Grösse angeschaut, wenn man von der Art, wie ihre Ele-
mente aus einander sind, absieht, und bloss die Quantität der Ele
mente auffasst, und eben so kann der mit einer Kraft begabte Punkt
als extensive Grösse gedacht werden, indem man sich die Kraft in
Form einer Linie vorstellt.

Historisch hat sich unter den vier Zweigen der Mathematik das
Diskrete eher entwickelt als das Stetige (da jenes dem zergliedern-
den Verstande näher liegt als dieses), das Algebraische eher als das
Kombinatorische (da das Gleiche leichter zusammengefasst wird als
das Verschiedene). Daher ist die Zahlenlehre die früheste, Kom-
binationslehre und Differenzialrechnung sind gleichzeitig entstanden,
und von ihnen allen musste die Ausdehnungslehre in ihrer abstrak-
ten Form die späteste sein, während auf der andern Seite ihr kon-
kretes (obwohl beschränktes) Abbild, die Raumlehre, schon der
frühesten Zeit angehört.

8. Es kann der Zerspaltung der Formenlehre in die vier
Zweige ein allgemeiner Theil vorangeschickt werden, welcher die
allgemeinen, d. h. für alle vier Zweige gleich anwendbaren Ver-
knüpfungsgesetze darstellt, und welchen wir die allgemeine For-
menlehre nennen können.

Diesen Theil dem Ganzen vorauszuschicken, ist wesentlich,
sofern dadurch nicht bloss die Wiederholung derselben Schlussrei-
hen in allen vier Zweigen und selbst in den verschiedenen Abthei-
lungen desselben Zweiges erspart, und somit die Entwickelung
bedeutend abgekürzt wird, sondern auch das dem Wesen nach
zusammengehörige zusammen erscheint, und als Grundlage des
Ganzen auftritt.

Einleitung.
besondere Zeichen hervortreten, da ist dadurch die ganze verän-
derliche Grösse bezeichnet. Hingegen bei der Ausdehnungsgrösse,
oder deren konkreter Darstellung, der Linie, werden die verschie-
nen Elemente auch mit verschiedenen Zeichen (den Buchstaben)
bezeichnet, grade wie in der Kombinationslehre. Auch ist klar,
wie jede reale Grösse auf zwiefache Weise kann angeschaut wer-
den, als intensive und extensive; nämlich auch die Linie wird als
intensive Grösse angeschaut, wenn man von der Art, wie ihre Ele-
mente aus einander sind, absieht, und bloss die Quantität der Ele
mente auffasst, und eben so kann der mit einer Kraft begabte Punkt
als extensive Grösse gedacht werden, indem man sich die Kraft in
Form einer Linie vorstellt.

Historisch hat sich unter den vier Zweigen der Mathematik das
Diskrete eher entwickelt als das Stetige (da jenes dem zergliedern-
den Verstande näher liegt als dieses), das Algebraische eher als das
Kombinatorische (da das Gleiche leichter zusammengefasst wird als
das Verschiedene). Daher ist die Zahlenlehre die früheste, Kom-
binationslehre und Differenzialrechnung sind gleichzeitig entstanden,
und von ihnen allen musste die Ausdehnungslehre in ihrer abstrak-
ten Form die späteste sein, während auf der andern Seite ihr kon-
kretes (obwohl beschränktes) Abbild, die Raumlehre, schon der
frühesten Zeit angehört.

8. Es kann der Zerspaltung der Formenlehre in die vier
Zweige ein allgemeiner Theil vorangeschickt werden, welcher die
allgemeinen, d. h. für alle vier Zweige gleich anwendbaren Ver-
knüpfungsgesetze darstellt, und welchen wir die allgemeine For-
menlehre nennen können.

Diesen Theil dem Ganzen vorauszuschicken, ist wesentlich,
sofern dadurch nicht bloss die Wiederholung derselben Schlussrei-
hen in allen vier Zweigen und selbst in den verschiedenen Abthei-
lungen desselben Zweiges erspart, und somit die Entwickelung
bedeutend abgekürzt wird, sondern auch das dem Wesen nach
zusammengehörige zusammen erscheint, und als Grundlage des
Ganzen auftritt.

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[XXVI/0030] Einleitung. besondere Zeichen hervortreten, da ist dadurch die ganze verän- derliche Grösse bezeichnet. Hingegen bei der Ausdehnungsgrösse, oder deren konkreter Darstellung, der Linie, werden die verschie- nen Elemente auch mit verschiedenen Zeichen (den Buchstaben) bezeichnet, grade wie in der Kombinationslehre. Auch ist klar, wie jede reale Grösse auf zwiefache Weise kann angeschaut wer- den, als intensive und extensive; nämlich auch die Linie wird als intensive Grösse angeschaut, wenn man von der Art, wie ihre Ele- mente aus einander sind, absieht, und bloss die Quantität der Ele mente auffasst, und eben so kann der mit einer Kraft begabte Punkt als extensive Grösse gedacht werden, indem man sich die Kraft in Form einer Linie vorstellt. Historisch hat sich unter den vier Zweigen der Mathematik das Diskrete eher entwickelt als das Stetige (da jenes dem zergliedern- den Verstande näher liegt als dieses), das Algebraische eher als das Kombinatorische (da das Gleiche leichter zusammengefasst wird als das Verschiedene). Daher ist die Zahlenlehre die früheste, Kom- binationslehre und Differenzialrechnung sind gleichzeitig entstanden, und von ihnen allen musste die Ausdehnungslehre in ihrer abstrak- ten Form die späteste sein, während auf der andern Seite ihr kon- kretes (obwohl beschränktes) Abbild, die Raumlehre, schon der frühesten Zeit angehört. 8. Es kann der Zerspaltung der Formenlehre in die vier Zweige ein allgemeiner Theil vorangeschickt werden, welcher die allgemeinen, d. h. für alle vier Zweige gleich anwendbaren Ver- knüpfungsgesetze darstellt, und welchen wir die allgemeine For- menlehre nennen können. Diesen Theil dem Ganzen vorauszuschicken, ist wesentlich, sofern dadurch nicht bloss die Wiederholung derselben Schlussrei- hen in allen vier Zweigen und selbst in den verschiedenen Abthei- lungen desselben Zweiges erspart, und somit die Entwickelung bedeutend abgekürzt wird, sondern auch das dem Wesen nach zusammengehörige zusammen erscheint, und als Grundlage des Ganzen auftritt.

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Zitationshilfe: Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844, S. XXVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/30>, abgerufen am 23.04.2024.