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Grabbe, Christian Dietrich: Napoleon oder Die hundert Tage. Frankfurt (Main), 1831.

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uns jeden Tag ein paar Ordonnanzen im Moni-
teur mit drei Zeilen nehmen, was wir in fünf und
zwanzig Jahren errangen? Ist das Volk denn gar
nichts? Ist es das Erbtheil einiger Familien?
Die alte Putzhändlerin.
Ganz, ganz so, mein Sohn, wie Camille Des-
moulins!
Vitry.
Da kommen Gensd'armes!
Düchesne.
Laß sie kommen, Freund. Ich muß es aussprechen
und die Wahrheit verkünden. Selig sind die, die
da blind sind, und zu sehen wähnen, aber unselig
sind die Sehenden, welche bemerken, daß Blinde
nichts erblicken, und dennoch handeln, als sähen sie.
Der König ist gut, aber das Geschmeiß der Aas-
fliegen aus den Zeiten der Pompadour's verdun-
kelt ihm das Auge. -- Hinter russischen, hinter
preußischen Bayonetten wähnen sie die Nation mit
Edicten niederschlagen und sich selbst erheben zu kön-
nen -- Aber wartet! --
Chassecoeur.
Nur nicht zu lange, mein Herr.

uns jeden Tag ein paar Ordonnanzen im Moni-
teur mit drei Zeilen nehmen, was wir in fünf und
zwanzig Jahren errangen? Iſt das Volk denn gar
nichts? Iſt es das Erbtheil einiger Familien?
Die alte Putzhaͤndlerin.
Ganz, ganz ſo, mein Sohn, wie Camille Des-
moulins!
Vitry.
Da kommen Gensd’armes!
Duͤchesne.
Laß ſie kommen, Freund. Ich muß es ausſprechen
und die Wahrheit verkünden. Selig ſind die, die
da blind ſind, und zu ſehen wähnen, aber unſelig
ſind die Sehenden, welche bemerken, daß Blinde
nichts erblicken, und dennoch handeln, als ſähen ſie.
Der König iſt gut, aber das Geſchmeiß der Aas-
fliegen aus den Zeiten der Pompadour’s verdun-
kelt ihm das Auge. — Hinter ruſſiſchen, hinter
preußiſchen Bayonetten wähnen ſie die Nation mit
Edicten niederſchlagen und ſich ſelbſt erheben zu kön-
nen — Aber wartet! —
Chaſſecoeur.
Nur nicht zu lange, mein Herr.

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[30/0038] uns jeden Tag ein paar Ordonnanzen im Moni- teur mit drei Zeilen nehmen, was wir in fünf und zwanzig Jahren errangen? Iſt das Volk denn gar nichts? Iſt es das Erbtheil einiger Familien? Die alte Putzhaͤndlerin. Ganz, ganz ſo, mein Sohn, wie Camille Des- moulins! Vitry. Da kommen Gensd’armes! Duͤchesne. Laß ſie kommen, Freund. Ich muß es ausſprechen und die Wahrheit verkünden. Selig ſind die, die da blind ſind, und zu ſehen wähnen, aber unſelig ſind die Sehenden, welche bemerken, daß Blinde nichts erblicken, und dennoch handeln, als ſähen ſie. Der König iſt gut, aber das Geſchmeiß der Aas- fliegen aus den Zeiten der Pompadour’s verdun- kelt ihm das Auge. — Hinter ruſſiſchen, hinter preußiſchen Bayonetten wähnen ſie die Nation mit Edicten niederſchlagen und ſich ſelbſt erheben zu kön- nen — Aber wartet! — Chaſſecoeur. Nur nicht zu lange, mein Herr.

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Zitationshilfe: Grabbe, Christian Dietrich: Napoleon oder Die hundert Tage. Frankfurt (Main), 1831, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grabbe_napoleon_1831/38>, abgerufen am 23.04.2024.