Grabbe, Christian Dietrich: Napoleon oder Die hundert Tage. Frankfurt (Main), 1831. Volk im Hintergrunde. Auf! auf! Wir wollen uns wehren für Leben, Weib und Kind, oder was es sonst seyn mag! Schneidermeister (für sich:) Das Letzte klingt lustig -- "Was es seyn mag!" -- Sie wissen nicht, was sie wollen, und werden nehmen, was sie bekommen. -- Ich aber weiß mein Theil, -- neue Regierung, neue Kleider! (Halb für sich:) Das Brot -- Gott, das Brot -- Volk. Die Bäcker, die Müller erwürgt! Sie sind von den Ministern bestochen, uns aushungern zu lassen! Es findet sich kein Brot mehr in der Stadt! Brot, Brot, Brot! Schneidermeister. Wie sie auf einmal hungrig werden! -- Aber -- o wer kommt da? -- Weh! die Vorstadt St. Antoine! Die ganze Stadtsippschaft, mit welcher ich mich bis jetzt vergnügte, rettet weder mich noch sich gegen das Belieben dieser Bestien von Habe- nichts und Herren von Schlagzu! -- Ach, wir lebten unter dem achtzehnten Ludwig so glücklich! Ein Nebenstehender. Auch du? Volk im Hintergrunde. Auf! auf! Wir wollen uns wehren für Leben, Weib und Kind, oder was es ſonſt ſeyn mag! Schneidermeiſter (fuͤr ſich:) Das Letzte klingt luſtig — »Was es ſeyn mag!« — Sie wiſſen nicht, was ſie wollen, und werden nehmen, was ſie bekommen. — Ich aber weiß mein Theil, — neue Regierung, neue Kleider! (Halb fuͤr ſich:) Das Brot — Gott, das Brot — Volk. Die Bäcker, die Müller erwürgt! Sie ſind von den Miniſtern beſtochen, uns aushungern zu laſſen! Es findet ſich kein Brot mehr in der Stadt! Brot, Brot, Brot! Schneidermeiſter. Wie ſie auf einmal hungrig werden! — Aber — o wer kommt da? — Weh! die Vorſtadt St. Antoine! Die ganze Stadtſippſchaft, mit welcher ich mich bis jetzt vergnügte, rettet weder mich noch ſich gegen das Belieben dieſer Beſtien von Habe- nichts und Herren von Schlagzu! — Ach, wir lebten unter dem achtzehnten Ludwig ſo glücklich! Ein Nebenſtehender. Auch du? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0144" n="136"/> <sp who="#VOL"> <speaker> <hi rendition="#g">Volk im Hintergrunde.</hi> </speaker><lb/> <p>Auf! auf! Wir wollen uns wehren für Leben,<lb/> Weib und Kind, oder was es ſonſt ſeyn mag!</p> </sp><lb/> <sp who="#SCHNEID"> <speaker> <hi rendition="#g">Schneidermeiſter</hi> </speaker> <stage>(fuͤr ſich:)</stage><lb/> <p>Das Letzte klingt luſtig — »Was es ſeyn<lb/> mag!« — Sie wiſſen nicht, was ſie wollen, und<lb/> werden nehmen, was ſie bekommen. — Ich aber<lb/> weiß mein Theil, — neue Regierung, neue Kleider!</p><lb/> <stage>(Halb fuͤr ſich:)</stage><lb/> <p>Das Brot — Gott, das Brot —</p> </sp><lb/> <sp who="#VOL"> <speaker> <hi rendition="#g">Volk.</hi> </speaker><lb/> <p>Die Bäcker, die Müller erwürgt! Sie ſind von<lb/> den Miniſtern beſtochen, uns aushungern zu laſſen!<lb/> Es findet ſich kein Brot mehr in der Stadt! Brot,<lb/> Brot, Brot!</p> </sp><lb/> <sp who="#SCHNEID"> <speaker> <hi rendition="#g">Schneidermeiſter.</hi> </speaker><lb/> <p>Wie ſie auf einmal hungrig werden! — Aber<lb/> — o wer kommt da? — Weh! die Vorſtadt St.<lb/> Antoine! Die ganze Stadtſippſchaft, mit welcher<lb/> ich mich bis jetzt vergnügte, rettet weder mich noch<lb/> ſich gegen das Belieben dieſer Beſtien von Habe-<lb/> nichts und Herren von Schlagzu! — Ach, wir<lb/> lebten unter dem achtzehnten Ludwig ſo glücklich!</p> </sp><lb/> <sp who="#NEBEN"> <speaker> <hi rendition="#g">Ein Nebenſtehender.</hi> </speaker><lb/> <p>Auch <hi rendition="#g">du?</hi></p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [136/0144]
Volk im Hintergrunde.
Auf! auf! Wir wollen uns wehren für Leben,
Weib und Kind, oder was es ſonſt ſeyn mag!
Schneidermeiſter (fuͤr ſich:)
Das Letzte klingt luſtig — »Was es ſeyn
mag!« — Sie wiſſen nicht, was ſie wollen, und
werden nehmen, was ſie bekommen. — Ich aber
weiß mein Theil, — neue Regierung, neue Kleider!
(Halb fuͤr ſich:)
Das Brot — Gott, das Brot —
Volk.
Die Bäcker, die Müller erwürgt! Sie ſind von
den Miniſtern beſtochen, uns aushungern zu laſſen!
Es findet ſich kein Brot mehr in der Stadt! Brot,
Brot, Brot!
Schneidermeiſter.
Wie ſie auf einmal hungrig werden! — Aber
— o wer kommt da? — Weh! die Vorſtadt St.
Antoine! Die ganze Stadtſippſchaft, mit welcher
ich mich bis jetzt vergnügte, rettet weder mich noch
ſich gegen das Belieben dieſer Beſtien von Habe-
nichts und Herren von Schlagzu! — Ach, wir
lebten unter dem achtzehnten Ludwig ſo glücklich!
Ein Nebenſtehender.
Auch du?
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/grabbe_napoleon_1831 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/grabbe_napoleon_1831/144 |
Zitationshilfe: | Grabbe, Christian Dietrich: Napoleon oder Die hundert Tage. Frankfurt (Main), 1831, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grabbe_napoleon_1831/144>, abgerufen am 08.07.2024. |