Und hier erinnere ich mich, daß ich das Echo oben zu erzeh- len vergessen habe, so ich aber hiermit eingerücket haben will. Jch weiß wohl, daß auch Opitz zuweilen dieses Spielwerck versuchet, und daß viel andre grosse Poeten bisweilen der- gleichen Kindereyen nachgemacht. Z. E. Neukirch hat in dem schönen Gedichte, auf die andre Vermählung des hoch- seeligen Königes in Preußen folgendes läppische Echo eingerückt.
Jch liebe mehr als Witz, mehr als Philosophie. Sophie, rief Echo nach: Schmertzhafftes Angedencken! Versetzte Friederich: Kanst du sie wieder schencken? Charlotte ist erblaßt, die schöne Königin, Mit ihr starb auch Sophie, Sophie ist, schwer ich, hin. Schwerin erklang der Wald. Soll sie Schwerin mir geben, Wohlan, so laßt uns denn hin nach Schwerin erheben.
Jch gesteh es, daß ich hier nichts schönes finden kan, und mich sehr wundre, wie sich Neukirch so gar habe vergessen können.
Nichts ist übrig, als von einigen Arten der Schertz- gedichte zu handeln. Dahin rechne ich die Leberreime, und Gesundheits-Verße, die man in Gesellschafften zur Lustig- keit zu brauchen pflegt. Es ist nicht viel Wesens daraus zu machen, indessen wenn sie nur keine Zoten in sich ent- halten, und wohl gar aus dem Stegreife gemacht werden, so giebt es doch eine Lust, und man kan sie schon dulden. Hätte ich mein Tage solche Kleinigkeiten aufgeschrieben; so wollte ich ein paar Proben geben. Doch man weiß schon, was sie bedeuten, und wie sie ausfehen. Eben dahin rech- ne ich die Rätzel, die sich zuweilen bey Hochzeiten brauchen lassen. Sie entstehen aus vielerley an einander hangenden Metaphoren, wie Aristoteles im XXIIIsten Cap. s. Poetic. angemerckt hat. Daraus entsteht nehmlich eine Rede, die den Worten nach unmöglich, in der Sache selbst aber gantz möglich ist. Er giebt dieß Exempel: Jch sahe einen Mann, der ein Stück Metall an einen lebendigen Menschen mit Feuer anklebete. Es ist leicht zu errathen, daß hier vom Schröpfen die Rede sey; man muß aber auch
die
Von Sinn- und Schertz-Gedichten.
Und hier erinnere ich mich, daß ich das Echo oben zu erzeh- len vergeſſen habe, ſo ich aber hiermit eingeruͤcket haben will. Jch weiß wohl, daß auch Opitz zuweilen dieſes Spielwerck verſuchet, und daß viel andre groſſe Poeten bisweilen der- gleichen Kindereyen nachgemacht. Z. E. Neukirch hat in dem ſchoͤnen Gedichte, auf die andre Vermaͤhlung des hoch- ſeeligen Koͤniges in Preußen folgendes laͤppiſche Echo eingeruͤckt.
Jch liebe mehr als Witz, mehr als Philoſophie. Sophie, rief Echo nach: Schmertzhafftes Angedencken! Verſetzte Friederich: Kanſt du ſie wieder ſchencken? Charlotte iſt erblaßt, die ſchoͤne Koͤnigin, Mit ihr ſtarb auch Sophie, Sophie iſt, ſchwer ich, hin. Schwerin erklang der Wald. Soll ſie Schwerin mir geben, Wohlan, ſo laßt uns denn hin nach Schwerin erheben.
Jch geſteh es, daß ich hier nichts ſchoͤnes finden kan, und mich ſehr wundre, wie ſich Neukirch ſo gar habe vergeſſen koͤnnen.
Nichts iſt uͤbrig, als von einigen Arten der Schertz- gedichte zu handeln. Dahin rechne ich die Leberreime, und Geſundheits-Verße, die man in Geſellſchafften zur Luſtig- keit zu brauchen pflegt. Es iſt nicht viel Weſens daraus zu machen, indeſſen wenn ſie nur keine Zoten in ſich ent- halten, und wohl gar aus dem Stegreife gemacht werden, ſo giebt es doch eine Luſt, und man kan ſie ſchon dulden. Haͤtte ich mein Tage ſolche Kleinigkeiten aufgeſchrieben; ſo wollte ich ein paar Proben geben. Doch man weiß ſchon, was ſie bedeuten, und wie ſie ausfehen. Eben dahin rech- ne ich die Raͤtzel, die ſich zuweilen bey Hochzeiten brauchen laſſen. Sie entſtehen aus vielerley an einander hangenden Metaphoren, wie Ariſtoteles im XXIIIſten Cap. ſ. Poetic. angemerckt hat. Daraus entſteht nehmlich eine Rede, die den Worten nach unmoͤglich, in der Sache ſelbſt aber gantz moͤglich iſt. Er giebt dieß Exempel: Jch ſahe einen Mann, der ein Stuͤck Metall an einen lebendigen Menſchen mit Feuer anklebete. Es iſt leicht zu errathen, daß hier vom Schroͤpfen die Rede ſey; man muß aber auch
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Von Sinn- und Schertz-Gedichten.
Und hier erinnere ich mich, daß ich das Echo oben zu erzeh-
len vergeſſen habe, ſo ich aber hiermit eingeruͤcket haben will.
Jch weiß wohl, daß auch Opitz zuweilen dieſes Spielwerck
verſuchet, und daß viel andre groſſe Poeten bisweilen der-
gleichen Kindereyen nachgemacht. Z. E. Neukirch hat in
dem ſchoͤnen Gedichte, auf die andre Vermaͤhlung des hoch-
ſeeligen Koͤniges in Preußen folgendes laͤppiſche Echo
eingeruͤckt.
Jch liebe mehr als Witz, mehr als Philoſophie.
Sophie, rief Echo nach: Schmertzhafftes Angedencken!
Verſetzte Friederich: Kanſt du ſie wieder ſchencken?
Charlotte iſt erblaßt, die ſchoͤne Koͤnigin,
Mit ihr ſtarb auch Sophie, Sophie iſt, ſchwer ich, hin.
Schwerin erklang der Wald. Soll ſie Schwerin mir geben,
Wohlan, ſo laßt uns denn hin nach Schwerin erheben.
Jch geſteh es, daß ich hier nichts ſchoͤnes finden kan, und
mich ſehr wundre, wie ſich Neukirch ſo gar habe vergeſſen
koͤnnen.
Nichts iſt uͤbrig, als von einigen Arten der Schertz-
gedichte zu handeln. Dahin rechne ich die Leberreime, und
Geſundheits-Verße, die man in Geſellſchafften zur Luſtig-
keit zu brauchen pflegt. Es iſt nicht viel Weſens daraus
zu machen, indeſſen wenn ſie nur keine Zoten in ſich ent-
halten, und wohl gar aus dem Stegreife gemacht werden,
ſo giebt es doch eine Luſt, und man kan ſie ſchon dulden.
Haͤtte ich mein Tage ſolche Kleinigkeiten aufgeſchrieben; ſo
wollte ich ein paar Proben geben. Doch man weiß ſchon,
was ſie bedeuten, und wie ſie ausfehen. Eben dahin rech-
ne ich die Raͤtzel, die ſich zuweilen bey Hochzeiten brauchen
laſſen. Sie entſtehen aus vielerley an einander hangenden
Metaphoren, wie Ariſtoteles im XXIIIſten Cap. ſ. Poetic.
angemerckt hat. Daraus entſteht nehmlich eine Rede,
die den Worten nach unmoͤglich, in der Sache ſelbſt aber
gantz moͤglich iſt. Er giebt dieß Exempel: Jch ſahe einen
Mann, der ein Stuͤck Metall an einen lebendigen
Menſchen mit Feuer anklebete. Es iſt leicht zu errathen,
daß hier vom Schroͤpfen die Rede ſey; man muß aber auch
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/519>, abgerufen am 22.11.2024.
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