Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite

Des II Theils V Capitel

Dein Dantzig zeugte dich, du Schmuck von unserm Preußen,
Die Marck hat dich geliebt, jetzt lohnt und nährt dich Meißen.
Das edle Meißner-Land, wo noch die Kunst besteht,
Und keiner, der was kan, verächtlich betteln geht,
Das macht, hier herrscht August, der alle Künste liebet,
Und keinem Ludewig den mindsten Vorzug giebet,
Der selbst ein Kenner ist, und nie aus Unverstand,
Dem der es nicht verdient, Besoldung zugewandt.
Der Held, bey dessen Schwerdt die Musen sicher wohnen,
Den trieb die Großmuth an, auch deiner Kunst zu lohnen.

Das ists, o Künstlerin, was deinen Ruhm erhebt,
Darnach so mancher geitzt, und ihn doch nie erlebt.
Das zeigt von deinem Werth, und wird die Nachwelt lehren,
Wie höchst gerecht wir sind, indem wir dich verehren.
Die Nachwelt nenn ich hier, und dieses mit Bedacht;
Weil deine Meister-Hand dich unvergeßlich macht,
Und selbst die Musen dir kein großes Opfer zollen,
Wenn sie dein Lob und dich der Zeit entreißen wollen.
Denn du vermählst dich selbst mit der Unsterblichkeit,
Die Proben deiner Kunst kennt Deutschland weit und breit,
Man werfe nur den Blick auf unsers Canitz Schrifften,
So ihm und Königs Geist ein ewig Denckmahl stifften;
So sieht man dich dabey. Manch prächtig Kupfer-Blatt,
Darinn sich deine Hand so starck gewiesen hat,
Verewigt deinen Ruhm, auch sonder unsre Flöten.
Was brauchst du dergestalt die Lieder der Poeten
Und ihrer Seyten Klang? Dieß schmertzt und kräncket mich.
So hoch ich dich verehr, so gerne rühmt ich dich
Durch ein unsterblich Lied, dich einst berühmt zu machen.
Denn was besitz ich sonst den Moder zu verlachen;
Als meine Poesie, die Schwester deiner Kunst;
Als einen Lorber-Zweig, den mir der Musen Gunst
Vom deutschen Pindus bricht? Der wünschte dir zu dienen,
Der wollte gern einmahl um deine Schläfe grünen.
Den Lorber um mein Haupt? So fragst du hier vielleicht:
Ja freylich! wie gesagt. Und wo dirs fremde deucht,
So höre meinen Grund. Jch zürne mit den Alten,
Die deine Wunder-Kunst nicht mehr im Werth gehalten.
Neun Musen glaubte man, doch für die Mahlerey
War keine Gottheit da, kein Frauen-Bild dabey.
Wie kam das immermehr? Was hatte sie verschuldet,
Daß Phöbus sie nicht auch auf dem Parnaß geduldet?
War Daphne nicht von ihr so vielmahls vorgestellt,
Wie sie der Arme Paar empor geschwungen hält,
Und

Des II Theils V Capitel

Dein Dantzig zeugte dich, du Schmuck von unſerm Preußen,
Die Marck hat dich geliebt, jetzt lohnt und naͤhrt dich Meißen.
Das edle Meißner-Land, wo noch die Kunſt beſteht,
Und keiner, der was kan, veraͤchtlich betteln geht,
Das macht, hier herrſcht Auguſt, der alle Kuͤnſte liebet,
Und keinem Ludewig den mindſten Vorzug giebet,
Der ſelbſt ein Kenner iſt, und nie aus Unverſtand,
Dem der es nicht verdient, Beſoldung zugewandt.
Der Held, bey deſſen Schwerdt die Muſen ſicher wohnen,
Den trieb die Großmuth an, auch deiner Kunſt zu lohnen.

Das iſts, o Kuͤnſtlerin, was deinen Ruhm erhebt,
Darnach ſo mancher geitzt, und ihn doch nie erlebt.
Das zeigt von deinem Werth, und wird die Nachwelt lehren,
Wie hoͤchſt gerecht wir ſind, indem wir dich verehren.
Die Nachwelt nenn ich hier, und dieſes mit Bedacht;
Weil deine Meiſter-Hand dich unvergeßlich macht,
Und ſelbſt die Muſen dir kein großes Opfer zollen,
Wenn ſie dein Lob und dich der Zeit entreißen wollen.
Denn du vermaͤhlſt dich ſelbſt mit der Unſterblichkeit,
Die Proben deiner Kunſt kennt Deutſchland weit und breit,
Man werfe nur den Blick auf unſers Canitz Schrifften,
So ihm und Koͤnigs Geiſt ein ewig Denckmahl ſtifften;
So ſieht man dich dabey. Manch praͤchtig Kupfer-Blatt,
Darinn ſich deine Hand ſo ſtarck gewieſen hat,
Verewigt deinen Ruhm, auch ſonder unſre Floͤten.
Was brauchſt du dergeſtalt die Lieder der Poeten
Und ihrer Seyten Klang? Dieß ſchmertzt und kraͤncket mich.
So hoch ich dich verehr, ſo gerne ruͤhmt ich dich
Durch ein unſterblich Lied, dich einſt beruͤhmt zu machen.
Denn was beſitz ich ſonſt den Moder zu verlachen;
Als meine Poeſie, die Schweſter deiner Kunſt;
Als einen Lorber-Zweig, den mir der Muſen Gunſt
Vom deutſchen Pindus bricht? Der wuͤnſchte dir zu dienen,
Der wollte gern einmahl um deine Schlaͤfe gruͤnen.
Den Lorber um mein Haupt? So fragſt du hier vielleicht:
Ja freylich! wie geſagt. Und wo dirs fremde deucht,
So hoͤre meinen Grund. Jch zuͤrne mit den Alten,
Die deine Wunder-Kunſt nicht mehr im Werth gehalten.
Neun Muſen glaubte man, doch fuͤr die Mahlerey
War keine Gottheit da, kein Frauen-Bild dabey.
Wie kam das immermehr? Was hatte ſie verſchuldet,
Daß Phoͤbus ſie nicht auch auf dem Parnaß geduldet?
War Daphne nicht von ihr ſo vielmahls vorgeſtellt,
Wie ſie der Arme Paar empor geſchwungen haͤlt,
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <lg n="31">
                <l>
                  <pb facs="#f0480" n="452"/>
                  <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Des <hi rendition="#aq">II</hi> Theils <hi rendition="#aq">V</hi> Capitel</hi> </fw>
                </l><lb/>
                <l>Dein Dantzig zeugte dich, du Schmuck von un&#x017F;erm Preußen,</l><lb/>
                <l>Die Marck hat dich geliebt, jetzt lohnt und na&#x0364;hrt dich Meißen.</l><lb/>
                <l>Das edle Meißner-Land, wo noch die Kun&#x017F;t be&#x017F;teht,</l><lb/>
                <l>Und keiner, der was kan, vera&#x0364;chtlich betteln geht,</l><lb/>
                <l>Das macht, hier herr&#x017F;cht Augu&#x017F;t, der alle Ku&#x0364;n&#x017F;te liebet,</l><lb/>
                <l>Und keinem Ludewig den mind&#x017F;ten Vorzug giebet,</l><lb/>
                <l>Der &#x017F;elb&#x017F;t ein Kenner i&#x017F;t, und nie aus Unver&#x017F;tand,</l><lb/>
                <l>Dem der es nicht verdient, Be&#x017F;oldung zugewandt.</l><lb/>
                <l>Der Held, bey de&#x017F;&#x017F;en Schwerdt die Mu&#x017F;en &#x017F;icher wohnen,</l><lb/>
                <l>Den trieb die Großmuth an, auch deiner Kun&#x017F;t zu lohnen.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="32">
                <l>Das i&#x017F;ts, o Ku&#x0364;n&#x017F;tlerin, was deinen Ruhm erhebt,</l><lb/>
                <l>Darnach &#x017F;o mancher geitzt, und ihn doch nie erlebt.</l><lb/>
                <l>Das zeigt von deinem Werth, und wird die Nachwelt lehren,</l><lb/>
                <l>Wie ho&#x0364;ch&#x017F;t gerecht wir &#x017F;ind, indem wir dich verehren.</l><lb/>
                <l>Die Nachwelt nenn ich hier, und die&#x017F;es mit Bedacht;</l><lb/>
                <l>Weil deine Mei&#x017F;ter-Hand dich unvergeßlich macht,</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;elb&#x017F;t die Mu&#x017F;en dir kein großes Opfer zollen,</l><lb/>
                <l>Wenn &#x017F;ie dein Lob und dich der Zeit entreißen wollen.</l><lb/>
                <l>Denn du verma&#x0364;hl&#x017F;t dich &#x017F;elb&#x017F;t mit der Un&#x017F;terblichkeit,</l><lb/>
                <l>Die Proben deiner Kun&#x017F;t kennt Deut&#x017F;chland weit und breit,</l><lb/>
                <l>Man werfe nur den Blick auf un&#x017F;ers Canitz Schrifften,</l><lb/>
                <l>So ihm und Ko&#x0364;nigs Gei&#x017F;t ein ewig Denckmahl &#x017F;tifften;</l><lb/>
                <l>So &#x017F;ieht man dich dabey. Manch pra&#x0364;chtig Kupfer-Blatt,</l><lb/>
                <l>Darinn &#x017F;ich deine Hand &#x017F;o &#x017F;tarck gewie&#x017F;en hat,</l><lb/>
                <l>Verewigt deinen Ruhm, auch &#x017F;onder un&#x017F;re Flo&#x0364;ten.</l><lb/>
                <l>Was brauch&#x017F;t du derge&#x017F;talt die Lieder der Poeten</l><lb/>
                <l>Und ihrer Seyten Klang? Dieß &#x017F;chmertzt und kra&#x0364;ncket mich.</l><lb/>
                <l>So hoch ich dich verehr, &#x017F;o gerne ru&#x0364;hmt ich dich</l><lb/>
                <l>Durch ein un&#x017F;terblich Lied, dich ein&#x017F;t beru&#x0364;hmt zu machen.</l><lb/>
                <l>Denn was be&#x017F;itz ich &#x017F;on&#x017F;t den Moder zu verlachen;</l><lb/>
                <l>Als meine Poe&#x017F;ie, die Schwe&#x017F;ter deiner Kun&#x017F;t;</l><lb/>
                <l>Als einen Lorber-Zweig, den mir der Mu&#x017F;en Gun&#x017F;t</l><lb/>
                <l>Vom deut&#x017F;chen Pindus bricht? Der wu&#x0364;n&#x017F;chte dir zu dienen,</l><lb/>
                <l>Der wollte gern einmahl um deine Schla&#x0364;fe gru&#x0364;nen.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="33">
                <l>Den Lorber um mein Haupt? So frag&#x017F;t du hier vielleicht:</l><lb/>
                <l>Ja freylich! wie ge&#x017F;agt. Und wo dirs fremde deucht,</l><lb/>
                <l>So ho&#x0364;re meinen Grund. Jch zu&#x0364;rne mit den Alten,</l><lb/>
                <l>Die deine Wunder-Kun&#x017F;t nicht mehr im Werth gehalten.</l><lb/>
                <l>Neun Mu&#x017F;en glaubte man, doch fu&#x0364;r die Mahlerey</l><lb/>
                <l>War keine Gottheit da, kein Frauen-Bild dabey.</l><lb/>
                <l>Wie kam das immermehr? Was hatte &#x017F;ie ver&#x017F;chuldet,</l><lb/>
                <l>Daß Pho&#x0364;bus &#x017F;ie nicht auch auf dem Parnaß geduldet?</l><lb/>
                <l>War Daphne nicht von ihr &#x017F;o vielmahls vorge&#x017F;tellt,</l><lb/>
                <l>Wie &#x017F;ie der Arme Paar empor ge&#x017F;chwungen ha&#x0364;lt,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></l>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[452/0480] Des II Theils V Capitel Dein Dantzig zeugte dich, du Schmuck von unſerm Preußen, Die Marck hat dich geliebt, jetzt lohnt und naͤhrt dich Meißen. Das edle Meißner-Land, wo noch die Kunſt beſteht, Und keiner, der was kan, veraͤchtlich betteln geht, Das macht, hier herrſcht Auguſt, der alle Kuͤnſte liebet, Und keinem Ludewig den mindſten Vorzug giebet, Der ſelbſt ein Kenner iſt, und nie aus Unverſtand, Dem der es nicht verdient, Beſoldung zugewandt. Der Held, bey deſſen Schwerdt die Muſen ſicher wohnen, Den trieb die Großmuth an, auch deiner Kunſt zu lohnen. Das iſts, o Kuͤnſtlerin, was deinen Ruhm erhebt, Darnach ſo mancher geitzt, und ihn doch nie erlebt. Das zeigt von deinem Werth, und wird die Nachwelt lehren, Wie hoͤchſt gerecht wir ſind, indem wir dich verehren. Die Nachwelt nenn ich hier, und dieſes mit Bedacht; Weil deine Meiſter-Hand dich unvergeßlich macht, Und ſelbſt die Muſen dir kein großes Opfer zollen, Wenn ſie dein Lob und dich der Zeit entreißen wollen. Denn du vermaͤhlſt dich ſelbſt mit der Unſterblichkeit, Die Proben deiner Kunſt kennt Deutſchland weit und breit, Man werfe nur den Blick auf unſers Canitz Schrifften, So ihm und Koͤnigs Geiſt ein ewig Denckmahl ſtifften; So ſieht man dich dabey. Manch praͤchtig Kupfer-Blatt, Darinn ſich deine Hand ſo ſtarck gewieſen hat, Verewigt deinen Ruhm, auch ſonder unſre Floͤten. Was brauchſt du dergeſtalt die Lieder der Poeten Und ihrer Seyten Klang? Dieß ſchmertzt und kraͤncket mich. So hoch ich dich verehr, ſo gerne ruͤhmt ich dich Durch ein unſterblich Lied, dich einſt beruͤhmt zu machen. Denn was beſitz ich ſonſt den Moder zu verlachen; Als meine Poeſie, die Schweſter deiner Kunſt; Als einen Lorber-Zweig, den mir der Muſen Gunſt Vom deutſchen Pindus bricht? Der wuͤnſchte dir zu dienen, Der wollte gern einmahl um deine Schlaͤfe gruͤnen. Den Lorber um mein Haupt? So fragſt du hier vielleicht: Ja freylich! wie geſagt. Und wo dirs fremde deucht, So hoͤre meinen Grund. Jch zuͤrne mit den Alten, Die deine Wunder-Kunſt nicht mehr im Werth gehalten. Neun Muſen glaubte man, doch fuͤr die Mahlerey War keine Gottheit da, kein Frauen-Bild dabey. Wie kam das immermehr? Was hatte ſie verſchuldet, Daß Phoͤbus ſie nicht auch auf dem Parnaß geduldet? War Daphne nicht von ihr ſo vielmahls vorgeſtellt, Wie ſie der Arme Paar empor geſchwungen haͤlt, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/480
Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/480>, abgerufen am 22.11.2024.