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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

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Von dem Wohlklange der poetischen Schreibart.
der, wie denn Tasso z. E. sein gantzes Helden-Gedichte durch
in jeder Strophe solches gethan.

Canto l'arme pietose e l' Capitano,
Che'l gran sepolcro libero di Christo;
Molto egli opro col senno e con la mano,
Molto soffri nel glorioso acquisto:
E in van l'inferno vi s' oppose e in vano
S'armo d' Asia, & di Libia il popol misto,
Che favorillo il Cielo, e sotto a i santi
Segni, ridusse i suoi compagni erranti.

Das macht aber, daß ihre Sprache an Reimen einen Uber-
fluß hat, darüber wir uns so leicht nicht beschweren können.
Die Engeländer binden sich zwar an so was regelmäßiges
nicht; aber sie verwehren sich die Freyheit nicht, mitten in
einem Gedichte in langen Versen drey Zeilen auf einander
zu reimen, so offt es sich thun läßt: ja sie bemercken auch
dieselben an der Seiten allezeit durch ein besondres Ver-
bindungs-Zeichen. Z. E. der Beschluß zu Addisons Cato
hebt dergestalt an:

What odd fantastick Things we Women do!

Who woud not listen when young Lovers woo?

What! die a Maid, yet have the Choice of Two!
Ladies are often cruel to their Cost,
To give you Pain, themselves they punish most.
Wows of virginity shou'd well be weigh'd,
Too oft they're cancell'd, tho in Convents made.
Woud you revenge such rash Resolves - - you may

Be spightfull - - and believe the thing we say;

We hate you, when you're easily said Nay.

Bey uns hat zwar der Ubersetzer des Tasso seinem Origi-
nale in den dreyfachen Reimen nachfolgen wollen, aber kei-
nen Anhang dadurch bekommen: vielleicht weil sonst fein
befreytes Jerusalem nicht Schönheiten genug gehabt, um
sich Beyfall zu erwerben. Z. E. die erste obige Strophe
klingt auf Deutsch so:

Von

Von dem Wohlklange der poetiſchen Schreibart.
der, wie denn Taſſo z. E. ſein gantzes Helden-Gedichte durch
in jeder Strophe ſolches gethan.

Canto l’arme pietoſe e l’ Capitano,
Che’l gran ſepolcro libero di Chriſto;
Molto egli oprò col ſenno e con la mano,
Molto ſoffri nel glorioſo acquiſto:
E in van l’inferno vi ſ’ oppoſe e in vano
S’armo d’ Aſia, & di Libia il popol miſto,
Che favorillo il Cielo, e ſotto a i ſanti
Segni, riduſſe i ſuoi compagni erranti.

Das macht aber, daß ihre Sprache an Reimen einen Uber-
fluß hat, daruͤber wir uns ſo leicht nicht beſchweren koͤnnen.
Die Engelaͤnder binden ſich zwar an ſo was regelmaͤßiges
nicht; aber ſie verwehren ſich die Freyheit nicht, mitten in
einem Gedichte in langen Verſen drey Zeilen auf einander
zu reimen, ſo offt es ſich thun laͤßt: ja ſie bemercken auch
dieſelben an der Seiten allezeit durch ein beſondres Ver-
bindungs-Zeichen. Z. E. der Beſchluß zu Addiſons Cato
hebt dergeſtalt an:

What odd fantaſtick Things we Women do!

Who woud not liſten when young Lovers woo?

What! die a Maid, yet have the Choice of Two!
Ladies are often cruel to their Coſt,
To give you Pain, themſelves they puniſh moſt.
Wows of virginity ſhou’d well be weigh’d,
Too oft they’re cancell’d, tho in Convents made.
Woud you revenge ſuch raſh Reſolves ‒ ‒ you may

Be ſpightfull ‒ ‒ and believe the thing we ſay;

We hate you, when you’re eaſily ſaid Nay.

Bey uns hat zwar der Uberſetzer des Taſſo ſeinem Origi-
nale in den dreyfachen Reimen nachfolgen wollen, aber kei-
nen Anhang dadurch bekommen: vielleicht weil ſonſt fein
befreytes Jeruſalem nicht Schoͤnheiten genug gehabt, um
ſich Beyfall zu erwerben. Z. E. die erſte obige Strophe
klingt auf Deutſch ſo:

Von
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[317/0345] Von dem Wohlklange der poetiſchen Schreibart. der, wie denn Taſſo z. E. ſein gantzes Helden-Gedichte durch in jeder Strophe ſolches gethan. Canto l’arme pietoſe e l’ Capitano, Che’l gran ſepolcro libero di Chriſto; Molto egli oprò col ſenno e con la mano, Molto ſoffri nel glorioſo acquiſto: E in van l’inferno vi ſ’ oppoſe e in vano S’armo d’ Aſia, & di Libia il popol miſto, Che favorillo il Cielo, e ſotto a i ſanti Segni, riduſſe i ſuoi compagni erranti. Das macht aber, daß ihre Sprache an Reimen einen Uber- fluß hat, daruͤber wir uns ſo leicht nicht beſchweren koͤnnen. Die Engelaͤnder binden ſich zwar an ſo was regelmaͤßiges nicht; aber ſie verwehren ſich die Freyheit nicht, mitten in einem Gedichte in langen Verſen drey Zeilen auf einander zu reimen, ſo offt es ſich thun laͤßt: ja ſie bemercken auch dieſelben an der Seiten allezeit durch ein beſondres Ver- bindungs-Zeichen. Z. E. der Beſchluß zu Addiſons Cato hebt dergeſtalt an: What odd fantaſtick Things we Women do! Who woud not liſten when young Lovers woo? What! die a Maid, yet have the Choice of Two! Ladies are often cruel to their Coſt, To give you Pain, themſelves they puniſh moſt. Wows of virginity ſhou’d well be weigh’d, Too oft they’re cancell’d, tho in Convents made. Woud you revenge ſuch raſh Reſolves ‒ ‒ you may Be ſpightfull ‒ ‒ and believe the thing we ſay; We hate you, when you’re eaſily ſaid Nay. Bey uns hat zwar der Uberſetzer des Taſſo ſeinem Origi- nale in den dreyfachen Reimen nachfolgen wollen, aber kei- nen Anhang dadurch bekommen: vielleicht weil ſonſt fein befreytes Jeruſalem nicht Schoͤnheiten genug gehabt, um ſich Beyfall zu erwerben. Z. E. die erſte obige Strophe klingt auf Deutſch ſo: Von

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Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/345>, abgerufen am 24.11.2024.