Der P. Lami unterscheidet davon zum XVII.die Ver- gleichung(Comparatio) welche seiner Meynung nach zwar mit der vorigen sehr überein kommt, aber gemeiniglich noch lebhaffter zu werden pflegt als jene. Ein Exempel giebt mir Flemming, der hierinn sehr glücklich gewesen. Es steht p. 131.
Was ist es, soll ich sprechen, Wohl anders, seit der Zeit, als wenn die Klippen brechen, Die Eolus verwahrt. Die Winde reißen aus, Und brausen durch die Welt. Da krachet manches Haus, Manch edler Bau zerbricht. Wir haben es gesehen, Ach leider! allzusehr, wie uns bisher geschehen, Wie uns der Kriegessturm hat hin und her geweht, Die Städte durchgesaust, die Dörfer umgedreht Daß nichts ihm ähnlich ist.
Eben so lebhafft ist die folgende Stelle aus Rachelii VI. Satire, wo er die hohen Hofbedienten mit Schieferdeckern vergleichet.
Wer neben dieser Pracht auch mercket die Gefahr, Und nimmt so manchen Fall des hohen Glückes wahr, Dem kommt ein Schrecken an. Gleichwie wir furchtsam stehen, Und auf dem hohen Thurm den kühnen Decker sehen: Nicht einer klimmt ihm nach, wir dancken GOtt allein, Daß wir der Erden nah und an dem Boden seyn!
Es folgt itzo das Aufhalten(Suspensio) als die XVIte Figur, wenn man nehmlich eine Rede gantz von weitem anfängt und eine gute Weile durch viel Umschweife fort- führet, daß der Leser oder Zuhörer nicht gleich weiß, was der Poet haben will, sondern das Ende erwarten muß, wo sich der Ausgang zum Labyrinthe von sich selbst zeiget. Dieser Kunstgriff ist sehr gut, die Leute aufmercksam zu machen. Exempel machen die Sache deutlich, Günther schreibt p. 87. II. Th.
Daß noch die gantze Welt in ihren Angeln geht, Das Meer die Gräntzen hält, die Erde feste steht, Die Sterne und ihr Haus nicht in den Abgrund schießen, Die Sonne Licht und Tag mit Mond und Menschen theilt, Der kleine Bär am Pol nicht zu dem großen eilt, Die Elemente sich nicht in einander gießen,
Die
S
Von den Figuren in der Poeſie.
Der P. Lami unterſcheidet davon zum XVII.die Ver- gleichung(Comparatio) welche ſeiner Meynung nach zwar mit der vorigen ſehr uͤberein kommt, aber gemeiniglich noch lebhaffter zu werden pflegt als jene. Ein Exempel giebt mir Flemming, der hierinn ſehr gluͤcklich geweſen. Es ſteht p. 131.
Was iſt es, ſoll ich ſprechen, Wohl anders, ſeit der Zeit, als wenn die Klippen brechen, Die Eolus verwahrt. Die Winde reißen aus, Und brauſen durch die Welt. Da krachet manches Haus, Manch edler Bau zerbricht. Wir haben es geſehen, Ach leider! allzuſehr, wie uns bisher geſchehen, Wie uns der Kriegesſturm hat hin und her geweht, Die Staͤdte durchgeſauſt, die Doͤrfer umgedreht Daß nichts ihm aͤhnlich iſt.
Eben ſo lebhafft iſt die folgende Stelle aus Rachelii VI. Satire, wo er die hohen Hofbedienten mit Schieferdeckern vergleichet.
Wer neben dieſer Pracht auch mercket die Gefahr, Und nimmt ſo manchen Fall des hohen Gluͤckes wahr, Dem kommt ein Schrecken an. Gleichwie wir furchtſam ſtehen, Und auf dem hohen Thurm den kuͤhnen Decker ſehen: Nicht einer klimmt ihm nach, wir dancken GOtt allein, Daß wir der Erden nah und an dem Boden ſeyn!
Es folgt itzo das Aufhalten(Suſpenſio) als die XVIte Figur, wenn man nehmlich eine Rede gantz von weitem anfaͤngt und eine gute Weile durch viel Umſchweife fort- fuͤhret, daß der Leſer oder Zuhoͤrer nicht gleich weiß, was der Poet haben will, ſondern das Ende erwarten muß, wo ſich der Ausgang zum Labyrinthe von ſich ſelbſt zeiget. Dieſer Kunſtgriff iſt ſehr gut, die Leute aufmerckſam zu machen. Exempel machen die Sache deutlich, Guͤnther ſchreibt p. 87. II. Th.
Daß noch die gantze Welt in ihren Angeln geht, Das Meer die Graͤntzen haͤlt, die Erde feſte ſteht, Die Sterne und ihr Haus nicht in den Abgrund ſchießen, Die Sonne Licht und Tag mit Mond und Menſchen theilt, Der kleine Baͤr am Pol nicht zu dem großen eilt, Die Elemente ſich nicht in einander gießen,
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Von den Figuren in der Poeſie.
Der P. Lami unterſcheidet davon zum XVII. die Ver-
gleichung (Comparatio) welche ſeiner Meynung nach zwar
mit der vorigen ſehr uͤberein kommt, aber gemeiniglich noch
lebhaffter zu werden pflegt als jene. Ein Exempel giebt
mir Flemming, der hierinn ſehr gluͤcklich geweſen. Es ſteht
p. 131.
Was iſt es, ſoll ich ſprechen,
Wohl anders, ſeit der Zeit, als wenn die Klippen brechen,
Die Eolus verwahrt. Die Winde reißen aus,
Und brauſen durch die Welt. Da krachet manches Haus,
Manch edler Bau zerbricht. Wir haben es geſehen,
Ach leider! allzuſehr, wie uns bisher geſchehen,
Wie uns der Kriegesſturm hat hin und her geweht,
Die Staͤdte durchgeſauſt, die Doͤrfer umgedreht
Daß nichts ihm aͤhnlich iſt.
Eben ſo lebhafft iſt die folgende Stelle aus Rachelii VI.
Satire, wo er die hohen Hofbedienten mit Schieferdeckern
vergleichet.
Wer neben dieſer Pracht auch mercket die Gefahr,
Und nimmt ſo manchen Fall des hohen Gluͤckes wahr,
Dem kommt ein Schrecken an. Gleichwie wir furchtſam ſtehen,
Und auf dem hohen Thurm den kuͤhnen Decker ſehen:
Nicht einer klimmt ihm nach, wir dancken GOtt allein,
Daß wir der Erden nah und an dem Boden ſeyn!
Es folgt itzo das Aufhalten (Suſpenſio) als die XVIte
Figur, wenn man nehmlich eine Rede gantz von weitem
anfaͤngt und eine gute Weile durch viel Umſchweife fort-
fuͤhret, daß der Leſer oder Zuhoͤrer nicht gleich weiß, was
der Poet haben will, ſondern das Ende erwarten muß,
wo ſich der Ausgang zum Labyrinthe von ſich ſelbſt zeiget.
Dieſer Kunſtgriff iſt ſehr gut, die Leute aufmerckſam zu
machen. Exempel machen die Sache deutlich, Guͤnther
ſchreibt p. 87. II. Th.
Daß noch die gantze Welt in ihren Angeln geht,
Das Meer die Graͤntzen haͤlt, die Erde feſte ſteht,
Die Sterne und ihr Haus nicht in den Abgrund ſchießen,
Die Sonne Licht und Tag mit Mond und Menſchen theilt,
Der kleine Baͤr am Pol nicht zu dem großen eilt,
Die Elemente ſich nicht in einander gießen,
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/301>, abgerufen am 28.11.2024.
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