weiß, sehr viel Wercks aus ihren Versen machte. Er giebt zu, daß er schertzhafft (facetus) und emunctae naris ein auf- geräumter Kopf gewesen; Aber er nennt ihn hart in Ver- fen, und sagt, daß dieselben sehr unsauber fliessen.
durus componere versus! Nam fuit hoc vitiosus. In hora saepe ducentos Vt magnum, versus dictabat, stans pede in uno, Cum flueret lutulentus, erat quod tollere velles. Garrulus atque piger scribendi ferre laborem, Scribendi recte. Sat. IV. L. I.
Man sieht aus dieser Stelle auch, daß bloß die Geschwin- digkeit im Verse-machen Schuld an solchen Fehlern gehabt. Jmgleichen, daß er schwatzhafft und gar zu faul gewesen, sich Zeit und Mühe genug über einer Sache zu nehmen. Man sehe Xte Satire dieses Buches nach; wo er noch aus- führlicher davon handelt.
Jch enthalte mich hier, alle die altfränckischen Fehler der Poeten, die vor Opitzen gelebt, anzuführen. Das stahn, gahn, lahn und han, lobesam, wohlgemuth und zu dieser Frist bedarff keiner Regel mehr, indem es auch von den schlechtesten Dichtern nicht mehr gebraucht wird. Eine andre Bewandniß hat es noch mit den Hülfs-Wör- tern, die man man zu den Haupt-Wörtern setzet. Einige lassen dieselben gern aus, andre aber behalten sie gar zu sorgfältig bey. Allein es ist leicht ein Unterscheid zu machen. Wenn die Wörter haben und seyn wircklich nur Hülfs- Wörter sind, und bey andern Haupt-Wörtern vorkom- men; alsdann darf man sich kein Bedencken machen, sie nach Erforderung der Umstände auszulassen: wenn nur kei- ne Dunckelheit daraus entsteht. Z. E. Canitz.
Der, weil ein schwartzer Punct in Würffeln ausgeblieben, Zuletzt aus dem Besitz der Güter wird getrieben.
Da ist in der ersten Zeile das Wörtchen ist ausgelassen, aber ohne Fehler; weil ohnedem das Wort ausgeblieben, schon die Sache ausdrückt, und das ist also nur ein Hülfs- Wort war. Aber in der andern Zeile hätte das wird unmöglich ausgelassen werden können, weil sie sonst unver-
ständlich
Das IX. Capitel
weiß, ſehr viel Wercks aus ihren Verſen machte. Er giebt zu, daß er ſchertzhafft (facetus) und emunctae naris ein auf- geraͤumter Kopf geweſen; Aber er nennt ihn hart in Ver- fen, und ſagt, daß dieſelben ſehr unſauber flieſſen.
durus componere verſus! Nam fuit hoc vitioſus. In hora ſaepe ducentos Vt magnum, verſus dictabat, ſtans pede in uno, Cum flueret lutulentus, erat quod tollere velles. Garrulus atque piger ſcribendi ferre laborem, Scribendi recte. Sat. IV. L. I.
Man ſieht aus dieſer Stelle auch, daß bloß die Geſchwin- digkeit im Verſe-machen Schuld an ſolchen Fehlern gehabt. Jmgleichen, daß er ſchwatzhafft und gar zu faul geweſen, ſich Zeit und Muͤhe genug uͤber einer Sache zu nehmen. Man ſehe Xte Satire dieſes Buches nach; wo er noch aus- fuͤhrlicher davon handelt.
Jch enthalte mich hier, alle die altfraͤnckiſchen Fehler der Poeten, die vor Opitzen gelebt, anzufuͤhren. Das ſtahn, gahn, lahn und han, lobeſam, wohlgemuth und zu dieſer Friſt bedarff keiner Regel mehr, indem es auch von den ſchlechteſten Dichtern nicht mehr gebraucht wird. Eine andre Bewandniß hat es noch mit den Huͤlfs-Woͤr- tern, die man man zu den Haupt-Woͤrtern ſetzet. Einige laſſen dieſelben gern aus, andre aber behalten ſie gar zu ſorgfaͤltig bey. Allein es iſt leicht ein Unterſcheid zu machen. Wenn die Woͤrter haben und ſeyn wircklich nur Huͤlfs- Woͤrter ſind, und bey andern Haupt-Woͤrtern vorkom- men; alsdann darf man ſich kein Bedencken machen, ſie nach Erforderung der Umſtaͤnde auszulaſſen: wenn nur kei- ne Dunckelheit daraus entſteht. Z. E. Canitz.
Der, weil ein ſchwartzer Punct in Wuͤrffeln ausgeblieben, Zuletzt aus dem Beſitz der Guͤter wird getrieben.
Da iſt in der erſten Zeile das Woͤrtchen iſt ausgelaſſen, aber ohne Fehler; weil ohnedem das Wort ausgeblieben, ſchon die Sache ausdruͤckt, und das iſt alſo nur ein Huͤlfs- Wort war. Aber in der andern Zeile haͤtte das wird unmoͤglich ausgelaſſen werden koͤnnen, weil ſie ſonſt unver-
ſtaͤndlich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0274"n="246"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das <hirendition="#aq">IX.</hi> Capitel</hi></fw><lb/>
weiß, ſehr viel Wercks aus ihren Verſen machte. Er giebt<lb/>
zu, daß er ſchertzhafft <hirendition="#aq">(facetus)</hi> und <hirendition="#aq">emunctae naris</hi> ein auf-<lb/>
geraͤumter Kopf geweſen; Aber er nennt ihn hart in Ver-<lb/>
fen, und ſagt, daß dieſelben ſehr unſauber flieſſen.</p><lb/><cit><quote><lgtype="poem"><l><hirendition="#aq"><hirendition="#et">durus componere verſus!</hi></hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Nam fuit hoc vitioſus. In hora ſaepe ducentos</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Vt magnum, verſus dictabat, ſtans pede in uno,</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Cum flueret lutulentus, erat quod tollere velles.</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Garrulus atque piger ſcribendi ferre laborem,</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Scribendi recte. <hirendition="#et">Sat. IV. L. I.</hi></hi></l></lg></quote></cit><lb/><p>Man ſieht aus dieſer Stelle auch, daß bloß die Geſchwin-<lb/>
digkeit im Verſe-machen Schuld an ſolchen Fehlern gehabt.<lb/>
Jmgleichen, daß er ſchwatzhafft und gar zu faul geweſen,<lb/>ſich Zeit und Muͤhe genug uͤber einer Sache zu nehmen.<lb/>
Man ſehe <hirendition="#aq">X</hi>te Satire dieſes Buches nach; wo er noch aus-<lb/>
fuͤhrlicher davon handelt.</p><lb/><p>Jch enthalte mich hier, alle die altfraͤnckiſchen Fehler<lb/>
der Poeten, die vor Opitzen gelebt, anzufuͤhren. Das<lb/><hirendition="#fr">ſtahn, gahn, lahn</hi> und <hirendition="#fr">han, lobeſam, wohlgemuth</hi> und<lb/><hirendition="#fr">zu dieſer Friſt</hi> bedarff keiner Regel mehr, indem es auch<lb/>
von den ſchlechteſten Dichtern nicht mehr gebraucht wird.<lb/>
Eine andre Bewandniß hat es noch mit den Huͤlfs-Woͤr-<lb/>
tern, die man man zu den Haupt-Woͤrtern ſetzet. Einige<lb/>
laſſen dieſelben gern aus, andre aber behalten ſie gar zu<lb/>ſorgfaͤltig bey. Allein es iſt leicht ein Unterſcheid zu machen.<lb/>
Wenn die Woͤrter <hirendition="#fr">haben</hi> und <hirendition="#fr">ſeyn</hi> wircklich nur Huͤlfs-<lb/>
Woͤrter ſind, und bey andern Haupt-Woͤrtern vorkom-<lb/>
men; alsdann darf man ſich kein Bedencken machen, ſie<lb/>
nach Erforderung der Umſtaͤnde auszulaſſen: wenn nur kei-<lb/>
ne Dunckelheit daraus entſteht. Z. E. Canitz.</p><lb/><cit><quote><lgtype="poem"><l>Der, weil ein ſchwartzer Punct in Wuͤrffeln ausgeblieben,</l><lb/><l>Zuletzt aus dem Beſitz der Guͤter wird getrieben.</l></lg></quote></cit><lb/><p>Da iſt in der erſten Zeile das Woͤrtchen <hirendition="#fr">iſt</hi> ausgelaſſen,<lb/>
aber ohne Fehler; weil ohnedem das Wort <hirendition="#fr">ausgeblieben,</hi><lb/>ſchon die Sache ausdruͤckt, und das <hirendition="#fr">iſt</hi> alſo nur ein Huͤlfs-<lb/>
Wort war. Aber in der andern Zeile haͤtte das <hirendition="#fr">wird</hi><lb/>
unmoͤglich ausgelaſſen werden koͤnnen, weil ſie ſonſt unver-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſtaͤndlich</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[246/0274]
Das IX. Capitel
weiß, ſehr viel Wercks aus ihren Verſen machte. Er giebt
zu, daß er ſchertzhafft (facetus) und emunctae naris ein auf-
geraͤumter Kopf geweſen; Aber er nennt ihn hart in Ver-
fen, und ſagt, daß dieſelben ſehr unſauber flieſſen.
durus componere verſus!
Nam fuit hoc vitioſus. In hora ſaepe ducentos
Vt magnum, verſus dictabat, ſtans pede in uno,
Cum flueret lutulentus, erat quod tollere velles.
Garrulus atque piger ſcribendi ferre laborem,
Scribendi recte. Sat. IV. L. I.
Man ſieht aus dieſer Stelle auch, daß bloß die Geſchwin-
digkeit im Verſe-machen Schuld an ſolchen Fehlern gehabt.
Jmgleichen, daß er ſchwatzhafft und gar zu faul geweſen,
ſich Zeit und Muͤhe genug uͤber einer Sache zu nehmen.
Man ſehe Xte Satire dieſes Buches nach; wo er noch aus-
fuͤhrlicher davon handelt.
Jch enthalte mich hier, alle die altfraͤnckiſchen Fehler
der Poeten, die vor Opitzen gelebt, anzufuͤhren. Das
ſtahn, gahn, lahn und han, lobeſam, wohlgemuth und
zu dieſer Friſt bedarff keiner Regel mehr, indem es auch
von den ſchlechteſten Dichtern nicht mehr gebraucht wird.
Eine andre Bewandniß hat es noch mit den Huͤlfs-Woͤr-
tern, die man man zu den Haupt-Woͤrtern ſetzet. Einige
laſſen dieſelben gern aus, andre aber behalten ſie gar zu
ſorgfaͤltig bey. Allein es iſt leicht ein Unterſcheid zu machen.
Wenn die Woͤrter haben und ſeyn wircklich nur Huͤlfs-
Woͤrter ſind, und bey andern Haupt-Woͤrtern vorkom-
men; alsdann darf man ſich kein Bedencken machen, ſie
nach Erforderung der Umſtaͤnde auszulaſſen: wenn nur kei-
ne Dunckelheit daraus entſteht. Z. E. Canitz.
Der, weil ein ſchwartzer Punct in Wuͤrffeln ausgeblieben,
Zuletzt aus dem Beſitz der Guͤter wird getrieben.
Da iſt in der erſten Zeile das Woͤrtchen iſt ausgelaſſen,
aber ohne Fehler; weil ohnedem das Wort ausgeblieben,
ſchon die Sache ausdruͤckt, und das iſt alſo nur ein Huͤlfs-
Wort war. Aber in der andern Zeile haͤtte das wird
unmoͤglich ausgelaſſen werden koͤnnen, weil ſie ſonſt unver-
ſtaͤndlich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/274>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.