de, womit er jenen zu bereden suchet, sind folgende:
Hor questa Effigie lor di la rapita Voglio che tu di propria man trasporte E la riponga entro la tua Meschita, Jo poscia incanto, adoprero si forte, Ch'ogni hor, mentre ella qui fia custodita Sara fatal custodia a queste porte; Tra mura inespugnabili al tuo impero Sicura fia, per novo alto mistero. Si disse, e'l persuase, &c.
Aber ein jeder mag selbst urtheilen, ob es glaublich sey, daß ein Mahometaner dem Schwartzkünstler zu gefallen, eine sei- ner Religion so wiederwärtige Sache gethan haben würde.
Allein das ist nicht das Aergste. Armide ist noch eine größere Hexe als Jsmeno. Sie verwandelt wohl zehn Christliche Printzen in Fische, und ein Papagey muß aller- hand verliebte Liederchen singen, die er selbst gemacht hat. Das übertrifft fast noch die Homerischen Erzehlungen von der Circe, ist aber um destoweniger zu entschuldigen, da es in einer weit erleuchtetern Zeit geschrieben worden, als jenes. Noch mehr, Rainaldo kan aus den Händen eines Mahome- tanischen Zauberers nicht anders als durch die schwartze Kunst eines Christlichen Hexenmeisters befreyet werden. Das heist ja rechtes Belieben an Teufeleyen haben, und da- durch, zum wenigsten außer Jtalien, alle Wahrscheinlichkeit aus den Augen setzen. Kurtz, es ist dem guten Tasso nichts schweres, die Messe, Beicht und Litaney mit Beschwerun- gen und Teufelskünsten, den Michael samt allen Engeln mit dem Pluto und der Alecto, das ist den Himmel mit der Höl- le, etc. das Christenthum mit dem Heydenthum und Maho- metanischen Aberglauben, durch ein ander zu mischen.
Ubaldo wird zu einem alten und heiligen Beschwerer ge- sandt, der ihn bis in den Mittelpunct der Erden bringt, wo er mit seinem Gefehrten an einem Strome gantz voller Edel- gesteine spazieren geht. Von da schickt man ihn nach Asca- lon zu einer alten Vettel, die ihn auf einem Schifflein, in die Canarischen Jnseln versetzet. Unter GOttes Beystand kommt er, einen bezauberten Ring in Händen habend, glück-
lich
Von der Wahrſcheinlichkeit in der Poeſie.
de, womit er jenen zu bereden ſuchet, ſind folgende:
Hor queſta Effigie lor di là rapita Voglio che tu di propria man trasporte E la riponga entro la tua Meſchita, Jo poſcia incanto, adoprero ſi forte, Ch’ogni hor, mentre ella qui fia cuſtodita Sara fatal cuſtodia a queſte porte; Tra mura ineſpugnabili al tuo impero Sicura fia, per novo alto miſtero. Si diſſe, e’l perſuaſe, &c.
Aber ein jeder mag ſelbſt urtheilen, ob es glaublich ſey, daß ein Mahometaner dem Schwartzkuͤnſtler zu gefallen, eine ſei- ner Religion ſo wiederwaͤrtige Sache gethan haben wuͤrde.
Allein das iſt nicht das Aergſte. Armide iſt noch eine groͤßere Hexe als Jſmeno. Sie verwandelt wohl zehn Chriſtliche Printzen in Fiſche, und ein Papagey muß aller- hand verliebte Liederchen ſingen, die er ſelbſt gemacht hat. Das uͤbertrifft faſt noch die Homeriſchen Erzehlungen von der Circe, iſt aber um deſtoweniger zu entſchuldigen, da es in einer weit erleuchtetern Zeit geſchrieben worden, als jenes. Noch mehr, Rainaldo kan aus den Haͤnden eines Mahome- taniſchen Zauberers nicht anders als durch die ſchwartze Kunſt eines Chriſtlichen Hexenmeiſters befreyet werden. Das heiſt ja rechtes Belieben an Teufeleyen haben, und da- durch, zum wenigſten außer Jtalien, alle Wahrſcheinlichkeit aus den Augen ſetzen. Kurtz, es iſt dem guten Taſſo nichts ſchweres, die Meſſe, Beicht und Litaney mit Beſchwerun- gen und Teufelskuͤnſten, den Michael ſamt allen Engeln mit dem Pluto und der Alecto, das iſt den Himmel mit der Hoͤl- le, ꝛc. das Chriſtenthum mit dem Heydenthum und Maho- metaniſchen Aberglauben, durch ein ander zu miſchen.
Ubaldo wird zu einem alten und heiligen Beſchwerer ge- ſandt, der ihn bis in den Mittelpunct der Erden bringt, wo er mit ſeinem Gefehrten an einem Strome gantz voller Edel- geſteine ſpazieren geht. Von da ſchickt man ihn nach Aſca- lon zu einer alten Vettel, die ihn auf einem Schifflein, in die Canariſchen Jnſeln verſetzet. Unter GOttes Beyſtand kommt er, einen bezauberten Ring in Haͤnden habend, gluͤck-
lich
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[173/0201]
Von der Wahrſcheinlichkeit in der Poeſie.
de, womit er jenen zu bereden ſuchet, ſind folgende:
Hor queſta Effigie lor di là rapita
Voglio che tu di propria man trasporte
E la riponga entro la tua Meſchita,
Jo poſcia incanto, adoprero ſi forte,
Ch’ogni hor, mentre ella qui fia cuſtodita
Sara fatal cuſtodia a queſte porte;
Tra mura ineſpugnabili al tuo impero
Sicura fia, per novo alto miſtero.
Si diſſe, e’l perſuaſe, &c.
Aber ein jeder mag ſelbſt urtheilen, ob es glaublich ſey, daß
ein Mahometaner dem Schwartzkuͤnſtler zu gefallen, eine ſei-
ner Religion ſo wiederwaͤrtige Sache gethan haben wuͤrde.
Allein das iſt nicht das Aergſte. Armide iſt noch eine
groͤßere Hexe als Jſmeno. Sie verwandelt wohl zehn
Chriſtliche Printzen in Fiſche, und ein Papagey muß aller-
hand verliebte Liederchen ſingen, die er ſelbſt gemacht hat.
Das uͤbertrifft faſt noch die Homeriſchen Erzehlungen von
der Circe, iſt aber um deſtoweniger zu entſchuldigen, da es
in einer weit erleuchtetern Zeit geſchrieben worden, als jenes.
Noch mehr, Rainaldo kan aus den Haͤnden eines Mahome-
taniſchen Zauberers nicht anders als durch die ſchwartze
Kunſt eines Chriſtlichen Hexenmeiſters befreyet werden.
Das heiſt ja rechtes Belieben an Teufeleyen haben, und da-
durch, zum wenigſten außer Jtalien, alle Wahrſcheinlichkeit
aus den Augen ſetzen. Kurtz, es iſt dem guten Taſſo nichts
ſchweres, die Meſſe, Beicht und Litaney mit Beſchwerun-
gen und Teufelskuͤnſten, den Michael ſamt allen Engeln mit
dem Pluto und der Alecto, das iſt den Himmel mit der Hoͤl-
le, ꝛc. das Chriſtenthum mit dem Heydenthum und Maho-
metaniſchen Aberglauben, durch ein ander zu miſchen.
Ubaldo wird zu einem alten und heiligen Beſchwerer ge-
ſandt, der ihn bis in den Mittelpunct der Erden bringt, wo
er mit ſeinem Gefehrten an einem Strome gantz voller Edel-
geſteine ſpazieren geht. Von da ſchickt man ihn nach Aſca-
lon zu einer alten Vettel, die ihn auf einem Schifflein, in die
Canariſchen Jnſeln verſetzet. Unter GOttes Beyſtand
kommt er, einen bezauberten Ring in Haͤnden habend, gluͤck-
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/201>, abgerufen am 21.11.2024.
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