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Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.

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im Fischbein-Rocke.
billig handelt, daß er uns so lange Zeit dem Eigen-
sinne seiner närrischen Frauen überlässt. Er hat
sie verlobet: Sie soll die Hochzeit vollziehen, in-
dessen reiset er seiner Geschäffte wegen nach Engel-
land. Der liebe GOtt sey mit ihm! Mich dünckt
aber er wird bey seiner Wiederkunft sehr erschrecken,
wenn er sie noch ledig, und sein Haus in diesem
schönen Zustande finden wird. Sein Keller ist zur
Buchdruckerey; seine Böden sind zu pietistischen
Buchläden; und seine Zimmer zu Winckel-Kir-
chen geworden. Wie wird er nicht erstaunen,
wenn er einen Hauffen begeisterter Böhmisten und
Quäcker finden, und seine Frau als eine Päbstin
unter ihnen sitzen sehen wird. Die Laquaien selbst
zancken sich schon über die dunckeln Schrifft-Stel-
len; und ich hörte nur noch neulich, daß der Kut-
scher seine Pferde vor Orthodoxen schalte; weil er
kein ärger Schimpf-Wort wuste.
Jungfer Luischen.
Aber du selbst schmeichelst der Mama am aller-
meisten in dieser Thorheit.
Cathrine.
O! davon habe ich meinen guten Nutzen. Die
Mama traut mir. Es wirfft allerley ab; und ich
kriege selbst ein Ansehn im Spiele. Glaubt sie
wohl, daß Herr Magister Hängekopf mit mir
schöne thut? und daß die Schuld nicht an ihm
liegt; wenn ich keine handgreiffliche Ketzerey begehe.
Aber
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im Fiſchbein-Rocke.
billig handelt, daß er uns ſo lange Zeit dem Eigen-
ſinne ſeiner naͤrriſchen Frauen uͤberlaͤſſt. Er hat
ſie verlobet: Sie ſoll die Hochzeit vollziehen, in-
deſſen reiſet er ſeiner Geſchaͤffte wegen nach Engel-
land. Der liebe GOtt ſey mit ihm! Mich duͤnckt
aber er wird bey ſeiner Wiederkunft ſehr erſchrecken,
wenn er ſie noch ledig, und ſein Haus in dieſem
ſchoͤnen Zuſtande finden wird. Sein Keller iſt zur
Buchdruckerey; ſeine Boͤden ſind zu pietiſtiſchen
Buchlaͤden; und ſeine Zimmer zu Winckel-Kir-
chen geworden. Wie wird er nicht erſtaunen,
wenn er einen Hauffen begeiſterter Boͤhmiſten und
Quaͤcker finden, und ſeine Frau als eine Paͤbſtin
unter ihnen ſitzen ſehen wird. Die Laquaien ſelbſt
zancken ſich ſchon uͤber die dunckeln Schrifft-Stel-
len; und ich hoͤrte nur noch neulich, daß der Kut-
ſcher ſeine Pferde vor Orthodoxen ſchalte; weil er
kein aͤrger Schimpf-Wort wuſte.
Jungfer Luischen.
Aber du ſelbſt ſchmeichelſt der Mama am aller-
meiſten in dieſer Thorheit.
Cathrine.
O! davon habe ich meinen guten Nutzen. Die
Mama traut mir. Es wirfft allerley ab; und ich
kriege ſelbſt ein Anſehn im Spiele. Glaubt ſie
wohl, daß Herr Magiſter Haͤngekopf mit mir
ſchoͤne thut? und daß die Schuld nicht an ihm
liegt; wenn ich keine handgreiffliche Ketzerey begehe.
Aber
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[5/0025] im Fiſchbein-Rocke. billig handelt, daß er uns ſo lange Zeit dem Eigen- ſinne ſeiner naͤrriſchen Frauen uͤberlaͤſſt. Er hat ſie verlobet: Sie ſoll die Hochzeit vollziehen, in- deſſen reiſet er ſeiner Geſchaͤffte wegen nach Engel- land. Der liebe GOtt ſey mit ihm! Mich duͤnckt aber er wird bey ſeiner Wiederkunft ſehr erſchrecken, wenn er ſie noch ledig, und ſein Haus in dieſem ſchoͤnen Zuſtande finden wird. Sein Keller iſt zur Buchdruckerey; ſeine Boͤden ſind zu pietiſtiſchen Buchlaͤden; und ſeine Zimmer zu Winckel-Kir- chen geworden. Wie wird er nicht erſtaunen, wenn er einen Hauffen begeiſterter Boͤhmiſten und Quaͤcker finden, und ſeine Frau als eine Paͤbſtin unter ihnen ſitzen ſehen wird. Die Laquaien ſelbſt zancken ſich ſchon uͤber die dunckeln Schrifft-Stel- len; und ich hoͤrte nur noch neulich, daß der Kut- ſcher ſeine Pferde vor Orthodoxen ſchalte; weil er kein aͤrger Schimpf-Wort wuſte. Jungfer Luischen. Aber du ſelbſt ſchmeichelſt der Mama am aller- meiſten in dieſer Thorheit. Cathrine. O! davon habe ich meinen guten Nutzen. Die Mama traut mir. Es wirfft allerley ab; und ich kriege ſelbſt ein Anſehn im Spiele. Glaubt ſie wohl, daß Herr Magiſter Haͤngekopf mit mir ſchoͤne thut? und daß die Schuld nicht an ihm liegt; wenn ich keine handgreiffliche Ketzerey begehe. Aber A 3

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Zitationshilfe: Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/25>, abgerufen am 19.04.2024.