Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_445.001 pgo_445.008 *) pgo_445.030 Von den zahlreichen Tragödieen des Aeschylos sind uns nur 7 erhalten: pgo_445.031 der gefesselte Prometheus, die Hiketiden, die Sieben gegen Theben, pgo_445.032 Agamemnon, die Coephoren, die Eumeniden, die Perser. **) pgo_445.033
Von den 130 Tragödieen des überaus fruchtbaren Sophokles haben sich nur pgo_445.034 7 erhalten: der wüthende Ajax, Elektra, Antigone, Oedipus Tyrannus, pgo_445.035 Oedipus auf Kolonos, die Trachinerinnen und Philoktetes. pgo_445.001 pgo_445.008 *) pgo_445.030 Von den zahlreichen Tragödieen des Aeschylos sind uns nur 7 erhalten: pgo_445.031 der gefesselte Prometheus, die Hiketiden, die Sieben gegen Theben, pgo_445.032 Agamemnon, die Coephoren, die Eumeniden, die Perser. **) pgo_445.033
Von den 130 Tragödieen des überaus fruchtbaren Sophokles haben sich nur pgo_445.034 7 erhalten: der wüthende Ajax, Elektra, Antigone, Oedipus Tyrannus, pgo_445.035 Oedipus auf Kolonos, die Trachinerinnen und Philoktetes. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0467" n="445"/><lb n="pgo_445.001"/> Entwicklung erscheint entweder als bekannt, wenn das Stück auf einem <lb n="pgo_445.002"/> volksthümlichen Mythos beruht, oder sie wird von einer Göttin im Prolog, <lb n="pgo_445.003"/> oder einer der handelnden Personen vorgetragen. Die entscheidenden <lb n="pgo_445.004"/> Thaten selbst geschehn hinter der Scene und werden ebenfalls erzählt. <lb n="pgo_445.005"/> Was große Genien in dieser Form geleistet, hat sich Unsterblichkeit errungen; <lb n="pgo_445.006"/> aber vergeblich war stets das Bemühn, diese Form selbst nachzuahmen <lb n="pgo_445.007"/> oder neu zu erwecken.</p> <p><lb n="pgo_445.008"/> Der Jnhalt der hellenischen Tragödie war vorzugsweise ein <hi rendition="#g">mythischer.</hi> <lb n="pgo_445.009"/> Die Stoffe waren traditionell, gehörten besonders dem <hi rendition="#g">thebanischen</hi> <lb n="pgo_445.010"/> und <hi rendition="#g">mykenischen</hi> Sagenkreise an, der mit dem trojanischen <lb n="pgo_445.011"/> zusammenhing, und wurden von den verschiedensten Dichtern behandelt. <lb n="pgo_445.012"/> Nur <hi rendition="#g">Aeschylos</hi> in den „Persern“ nahm den Anlauf zu einer <hi rendition="#g">historischen, <lb n="pgo_445.013"/> Agathon</hi> in seinen nicht erhaltenen Stücken zu einer <hi rendition="#g">ganz <lb n="pgo_445.014"/> fingirten</hi> Tragödie. Von den drei großen Tragikern der Griechen ist <lb n="pgo_445.015"/> <hi rendition="#g">Aeschylos</hi><note xml:id="PGO_445_1" place="foot" n="*)"><lb n="pgo_445.030"/> Von den zahlreichen Tragödieen des <hi rendition="#g">Aeschylos</hi> sind uns nur 7 erhalten: <lb n="pgo_445.031"/> <hi rendition="#g">der gefesselte Prometheus, die Hiketiden, die Sieben gegen Theben, <lb n="pgo_445.032"/> Agamemnon, die Coephoren, die Eumeniden, die Perser</hi>.</note> der gewaltigste, der größte dichterische Genius, eine <lb n="pgo_445.016"/> Mischung von Pindar und Shakespeare, doch ihn hemmte noch mehr als <lb n="pgo_445.017"/> seine Nachfolger der unausgebildete Zustand der Bühne, die Kindheit <lb n="pgo_445.018"/> ihrer Formen! Seine Tragödieen waren mehr erhabene Wettgesänge, <lb n="pgo_445.019"/> die dramatische Handlung brach nur halbentfaltet aus dem epischen <lb n="pgo_445.020"/> Keime und der lyrischen Schale. Doch seine Phantasie war reich an <lb n="pgo_445.021"/> bedeutsamen Anschauungen und großen Bildern, an kühnen Griffen. <lb n="pgo_445.022"/> Sein „<hi rendition="#g">Prometheus</hi>“ ist eine griechische Faustiade, seine „<hi rendition="#g">Perser</hi>“ <lb n="pgo_445.023"/> wiesen das griechische Drama auf die Bahn der politischen Volksdichtung, <lb n="pgo_445.024"/> die es aber wieder verließ, um nur Stoffe mythischer Tradition zu behandeln. <lb n="pgo_445.025"/> Seine großartige Trilogie: <hi rendition="#g">Agamemnon, die Choephoren, <lb n="pgo_445.026"/> die Eumeniden,</hi> welche die ganze Orestie enthält, ist uns vollständig <lb n="pgo_445.027"/> erhalten. Die Kunst der dramatischen Anlage, welche dem Aeschylos <lb n="pgo_445.028"/> fehlte, vereinigt mit einer ideal menschlichen Haltung der Charaktere, in <lb n="pgo_445.029"/> welcher alles unklar Titanenhafte vermieden war, stellt den <hi rendition="#g">Sophokles</hi><note xml:id="PGO_445_2" place="foot" n="**)"><lb n="pgo_445.033"/> Von den 130 Tragödieen des überaus fruchtbaren <hi rendition="#g">Sophokles</hi> haben sich nur <lb n="pgo_445.034"/> 7 erhalten: <hi rendition="#g">der wüthende Ajax, Elektra, Antigone, Oedipus Tyrannus, <lb n="pgo_445.035"/> Oedipus auf Kolonos, die Trachinerinnen</hi> und <hi rendition="#g">Philoktetes</hi>.</note> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [445/0467]
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Entwicklung erscheint entweder als bekannt, wenn das Stück auf einem pgo_445.002
volksthümlichen Mythos beruht, oder sie wird von einer Göttin im Prolog, pgo_445.003
oder einer der handelnden Personen vorgetragen. Die entscheidenden pgo_445.004
Thaten selbst geschehn hinter der Scene und werden ebenfalls erzählt. pgo_445.005
Was große Genien in dieser Form geleistet, hat sich Unsterblichkeit errungen; pgo_445.006
aber vergeblich war stets das Bemühn, diese Form selbst nachzuahmen pgo_445.007
oder neu zu erwecken.
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Der Jnhalt der hellenischen Tragödie war vorzugsweise ein mythischer. pgo_445.009
Die Stoffe waren traditionell, gehörten besonders dem thebanischen pgo_445.010
und mykenischen Sagenkreise an, der mit dem trojanischen pgo_445.011
zusammenhing, und wurden von den verschiedensten Dichtern behandelt. pgo_445.012
Nur Aeschylos in den „Persern“ nahm den Anlauf zu einer historischen, pgo_445.013
Agathon in seinen nicht erhaltenen Stücken zu einer ganz pgo_445.014
fingirten Tragödie. Von den drei großen Tragikern der Griechen ist pgo_445.015
Aeschylos *) der gewaltigste, der größte dichterische Genius, eine pgo_445.016
Mischung von Pindar und Shakespeare, doch ihn hemmte noch mehr als pgo_445.017
seine Nachfolger der unausgebildete Zustand der Bühne, die Kindheit pgo_445.018
ihrer Formen! Seine Tragödieen waren mehr erhabene Wettgesänge, pgo_445.019
die dramatische Handlung brach nur halbentfaltet aus dem epischen pgo_445.020
Keime und der lyrischen Schale. Doch seine Phantasie war reich an pgo_445.021
bedeutsamen Anschauungen und großen Bildern, an kühnen Griffen. pgo_445.022
Sein „Prometheus“ ist eine griechische Faustiade, seine „Perser“ pgo_445.023
wiesen das griechische Drama auf die Bahn der politischen Volksdichtung, pgo_445.024
die es aber wieder verließ, um nur Stoffe mythischer Tradition zu behandeln. pgo_445.025
Seine großartige Trilogie: Agamemnon, die Choephoren, pgo_445.026
die Eumeniden, welche die ganze Orestie enthält, ist uns vollständig pgo_445.027
erhalten. Die Kunst der dramatischen Anlage, welche dem Aeschylos pgo_445.028
fehlte, vereinigt mit einer ideal menschlichen Haltung der Charaktere, in pgo_445.029
welcher alles unklar Titanenhafte vermieden war, stellt den Sophokles **)
*) pgo_445.030
Von den zahlreichen Tragödieen des Aeschylos sind uns nur 7 erhalten: pgo_445.031
der gefesselte Prometheus, die Hiketiden, die Sieben gegen Theben, pgo_445.032
Agamemnon, die Coephoren, die Eumeniden, die Perser.
**) pgo_445.033
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7 erhalten: der wüthende Ajax, Elektra, Antigone, Oedipus Tyrannus, pgo_445.035
Oedipus auf Kolonos, die Trachinerinnen und Philoktetes.
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