pgo_413.001 schließt auch die paradoxe Charakteristik aus, die sowohl bei pgo_413.002 den Zeitgenossen Shakespeare's, einem Massinger, Ford u. A., als pgo_413.003 auch bei Hebbel, Ludwig, Meißner in neuer Zeit beliebt ist. Ausnahmenaturen pgo_413.004 und Ausnahmemotive können kein allgemeinmenschliches pgo_413.005 Jnteresse erwecken. Eine Leidenschaft, wie der Ehrgeiz des "Macbeth," pgo_413.006 die Eifersucht des "Othello," die, Allen gemeinsam, vom Dramatiker nur pgo_413.007 zu tragischer Größe gesteigert wird, erweckt durch ihre Gleichartigkeit pgo_413.008 unsere Sympathie; aber die befremdende Handlungsweise von Massinger's pgo_413.009 "Sforza" und Hebbel's "Herodes," von Massinger's "Molefort" pgo_413.010 und Hebbel's "Graf Bertram," das Abnorme, Krankhafte, organisch pgo_413.011 Fehlerhafte, die Marotte als Motiv der Tragödie, das verstößt gegen pgo_413.012 jenes nicht genug hervorzuhebende Grundgesetz des Aristoteles. Die pgo_413.013 Konsequenz der Charakteristik, die vierte Forderung des Stagiriten, pgo_413.014 das Verharren des Charakters auf seinem Schwerpunkte, schließt natürlich pgo_413.015 die Zeichnung eines inkonsequenten Charakters nicht aus, der nur pgo_413.016 ebenfalls in seinem ganzen Wesen mit Treue durchgeführt sein muß. Doch pgo_413.017 scheint es bedenklich, inkonsequente Charaktere in den Vordergrund des pgo_413.018 Drama zu stellen, da ihr beständiges Abspringen von der geraden Linie pgo_413.019 den energischen Verlauf der Handlung stört.
pgo_413.020 Diese Handlung selbst bedarf nun der Einheit; alle ihre Fäden pgo_413.021 müssen in einem bestimmten Knotenpunkte zusammentreffen. Schon pgo_413.022 Aristoteles nennt die Tragödie die Nachbildung einer abgeschlossenen und pgo_413.023 vollständigen Handlung, die einen gewissen Umfang hat. (VII. 2.) Die pgo_413.024 Einheit der Handlung ist eine einfache, wenn überhaupt nur eine pgo_413.025 Handlung dem Drama zu Grunde liegt, eine zusammengesetzte,pgo_413.026 wenn zwei oder mehrere, anfangs mit anscheinender Selbstständigkeit pgo_413.027 abgezweigte Handlungen sich im Verlaufe des Dramas zu einem Hauptstamme pgo_413.028 vereinigen. Diese Kompositionsweise war im altenglischen pgo_413.029 Drama sehr beliebt, -- Shakespeare gab ihr eine tiefere Bedeutung, pgo_413.030 indem er nicht nur die äußerliche Vereinigung mehrerer Handlungen zu pgo_413.031 einem Ganzen mit großer Gewandtheit bewerkstelligte, sondern ihnen auch pgo_413.032 von Anfang an eine innere Beziehung zu einander gab, indem jede den pgo_413.033 gleichen Grundgedanken des Dramas spiegelte. Lear und Gloster, pgo_413.034 Antonio und Shylock neben Bassanio und Portia sind hierfür erläuternde pgo_413.035 Beispiele. Die Einheit der Handlung fehlt, wenn sich zwei Helden
pgo_413.001 schließt auch die paradoxe Charakteristik aus, die sowohl bei pgo_413.002 den Zeitgenossen Shakespeare's, einem Massinger, Ford u. A., als pgo_413.003 auch bei Hebbel, Ludwig, Meißner in neuer Zeit beliebt ist. Ausnahmenaturen pgo_413.004 und Ausnahmemotive können kein allgemeinmenschliches pgo_413.005 Jnteresse erwecken. Eine Leidenschaft, wie der Ehrgeiz des „Macbeth,“ pgo_413.006 die Eifersucht des „Othello,“ die, Allen gemeinsam, vom Dramatiker nur pgo_413.007 zu tragischer Größe gesteigert wird, erweckt durch ihre Gleichartigkeit pgo_413.008 unsere Sympathie; aber die befremdende Handlungsweise von Massinger's pgo_413.009 „Sforza“ und Hebbel's „Herodes,“ von Massinger's „Molefort“ pgo_413.010 und Hebbel's „Graf Bertram,“ das Abnorme, Krankhafte, organisch pgo_413.011 Fehlerhafte, die Marotte als Motiv der Tragödie, das verstößt gegen pgo_413.012 jenes nicht genug hervorzuhebende Grundgesetz des Aristoteles. Die pgo_413.013 Konsequenz der Charakteristik, die vierte Forderung des Stagiriten, pgo_413.014 das Verharren des Charakters auf seinem Schwerpunkte, schließt natürlich pgo_413.015 die Zeichnung eines inkonsequenten Charakters nicht aus, der nur pgo_413.016 ebenfalls in seinem ganzen Wesen mit Treue durchgeführt sein muß. Doch pgo_413.017 scheint es bedenklich, inkonsequente Charaktere in den Vordergrund des pgo_413.018 Drama zu stellen, da ihr beständiges Abspringen von der geraden Linie pgo_413.019 den energischen Verlauf der Handlung stört.
pgo_413.020 Diese Handlung selbst bedarf nun der Einheit; alle ihre Fäden pgo_413.021 müssen in einem bestimmten Knotenpunkte zusammentreffen. Schon pgo_413.022 Aristoteles nennt die Tragödie die Nachbildung einer abgeschlossenen und pgo_413.023 vollständigen Handlung, die einen gewissen Umfang hat. (VII. 2.) Die pgo_413.024 Einheit der Handlung ist eine einfache, wenn überhaupt nur eine pgo_413.025 Handlung dem Drama zu Grunde liegt, eine zusammengesetzte,pgo_413.026 wenn zwei oder mehrere, anfangs mit anscheinender Selbstständigkeit pgo_413.027 abgezweigte Handlungen sich im Verlaufe des Dramas zu einem Hauptstamme pgo_413.028 vereinigen. Diese Kompositionsweise war im altenglischen pgo_413.029 Drama sehr beliebt, — Shakespeare gab ihr eine tiefere Bedeutung, pgo_413.030 indem er nicht nur die äußerliche Vereinigung mehrerer Handlungen zu pgo_413.031 einem Ganzen mit großer Gewandtheit bewerkstelligte, sondern ihnen auch pgo_413.032 von Anfang an eine innere Beziehung zu einander gab, indem jede den pgo_413.033 gleichen Grundgedanken des Dramas spiegelte. Lear und Gloster, pgo_413.034 Antonio und Shylock neben Bassanio und Portia sind hierfür erläuternde pgo_413.035 Beispiele. Die Einheit der Handlung fehlt, wenn sich zwei Helden
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schließt auch die paradoxe Charakteristik aus, die sowohl bei pgo_413.002
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Diese Handlung selbst bedarf nun der Einheit; alle ihre Fäden pgo_413.021
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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/435>, abgerufen am 23.11.2024.
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