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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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sie ein erwünschtes Asyl. Es ist keine Frage, daß die ernste "Epistel" in pgo_404.002
der Hand des rechten Talents dichterische Bedeutung gewinnen kann. pgo_404.003
Von neueren Dichtern hat sich nur der vielversuchende Rückert auf ihren pgo_404.004
Boden gewagt. Doch würden wir statt des Horazischen Hexameters pgo_404.005
lieber den Jambus Pope's und Gay's, am besten in freier Behandlung pgo_404.006
mit wechselnden Füßen, wie bei Uz, Michaelis, Nikolai und pgo_404.007
andern deutschen Vorbildern des vorigen Jahrhunderts, empfehlen. Auch pgo_404.008
dürften für einige Gattungen der Epistel sich die Platen'schen Parabasenverse, pgo_404.009
die Anapästen und Trochäen, eignen. Der Humor gewinnt pgo_404.010
in der Epistel noch dadurch freies Spiel, daß sie nicht an eine bestimmte pgo_404.011
Person gerichtet zu sein braucht -- man kann auch, wie Sedaine, Episteln pgo_404.012
schreiben "a mon habit" oder wie De Pezay: "A la maitresse que pgo_404.013
j'aurai."

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sie ein erwünschtes Asyl. Es ist keine Frage, daß die ernste „Epistel“ in pgo_404.002
der Hand des rechten Talents dichterische Bedeutung gewinnen kann. pgo_404.003
Von neueren Dichtern hat sich nur der vielversuchende Rückert auf ihren pgo_404.004
Boden gewagt. Doch würden wir statt des Horazischen Hexameters pgo_404.005
lieber den Jambus Pope's und Gay's, am besten in freier Behandlung pgo_404.006
mit wechselnden Füßen, wie bei Uz, Michaelis, Nikolai und pgo_404.007
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Person gerichtet zu sein braucht — man kann auch, wie Sedaine, Episteln pgo_404.012
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[404/0426] pgo_404.001 sie ein erwünschtes Asyl. Es ist keine Frage, daß die ernste „Epistel“ in pgo_404.002 der Hand des rechten Talents dichterische Bedeutung gewinnen kann. pgo_404.003 Von neueren Dichtern hat sich nur der vielversuchende Rückert auf ihren pgo_404.004 Boden gewagt. Doch würden wir statt des Horazischen Hexameters pgo_404.005 lieber den Jambus Pope's und Gay's, am besten in freier Behandlung pgo_404.006 mit wechselnden Füßen, wie bei Uz, Michaelis, Nikolai und pgo_404.007 andern deutschen Vorbildern des vorigen Jahrhunderts, empfehlen. Auch pgo_404.008 dürften für einige Gattungen der Epistel sich die Platen'schen Parabasenverse, pgo_404.009 die Anapästen und Trochäen, eignen. Der Humor gewinnt pgo_404.010 in der Epistel noch dadurch freies Spiel, daß sie nicht an eine bestimmte pgo_404.011 Person gerichtet zu sein braucht — man kann auch, wie Sedaine, Episteln pgo_404.012 schreiben „à mon habit“ oder wie De Pezay: „A la maitresse que pgo_404.013 j'aurai.“

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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/426>, abgerufen am 18.05.2024.