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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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belehren und über irgend einen Gegenstand Unterricht zu ertheilen mit pgo_398.002
ausgesprochener Bestimmtheit auf: so muß die dichterische Einkleidung, pgo_398.003
wie es bei den meisten Lehrgedichten der Fall ist, nur als eine zufällige pgo_398.004
erscheinen. Dann gehört das didaktische Gedicht in den Kreis der prosaisch-poetischen pgo_398.005
Misch- und Zwitterformen. Doch auch hier wird der pgo_398.006
Ton der Darstellung ein epischer sein! Jch kann nur über einen pgo_398.007
Gegenstand belehren, indem ich ihn beschreibe -- die Beschreibung pgo_398.008
ist aber ein isolirtes episches Moment. Dies ist auch der innige pgo_398.009
Zusammenhang zwischen dem beschreibenden und didaktischen pgo_398.010
Gedichte, die beide zu ungehöriger Selbstständigkeit ausgebildete Theile pgo_398.011
des epischen Organismus sind. Tritt aber das Lehrhafte nicht pgo_398.012
so unmittelbar und direkt auf, sondern nur als der Sinn einer dichterischen pgo_398.013
Einkleidung, als das Resultat einer dichterischen Entwickelung: pgo_398.014
so vertheilt es sich an die verschiedensten Gattungen der pgo_398.015
Dichtkunst, an die lyrische, epische und dramatische! Die Fabel pgo_398.016
und Parabel, die wir bereits unter den Erzählungen angeführt, pgo_398.017
die "Satire" und "Epistel" sind didaktische Formen des epischen pgo_398.018
Styles, an deren dichterischer Vollgültigkeit man nicht zweifeln sollte, da pgo_398.019
eine echt künstlerische Behandlungsweise hier wie auf jedem Gebiete der pgo_398.020
Dichtkunst Einkleidung und Bedeutung zu schöner Einheit verbinden pgo_398.021
kann. Wir unterscheiden als Formen des didaktischen Gedichtes das pgo_398.022
Epigramm, das Lehrgedicht, die Satire und Epistel.

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1. Das Epigramm.

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Das Epigramm (Sinngedicht) ist aus den alten Aufschriften auf pgo_398.025
Denkmälern hervorgegangen und die lakonische Urform des Epos. pgo_398.026
Die Jnschrift auf dem Denkmal einer That, dem Grabmal eines Helden pgo_398.027
faßt diese That, das Leben und Wirken des Helden in gedrängtester pgo_398.028
Epik
zusammen. Aus diesem Ursprung leitet auch Lessing seine pgo_398.029
bekannte Definition her, indem er das Sinngedicht für ein Gedicht erklärt, pgo_398.030
"in welchem, nach Art der eigentlichen Aufschrift, unsere Aufmerksamkeit pgo_398.031
und Neugierde auf irgend einen einzelnen Gegenstand erregt und mehr pgo_398.032
oder weniger hingehalten werden, um sie mit eins zu befriedigen." pgo_398.033
Erwartung und Aufschluß sind also die beiden Theile des Epigramms!

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Das Epigramm (Sinngedicht) ist aus den alten Aufschriften auf pgo_398.025
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und Neugierde auf irgend einen einzelnen Gegenstand erregt und mehr pgo_398.032
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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/420>, abgerufen am 25.11.2024.