pgo_352.001 vorleuchtenden Helden. So erinnert "der Kampf der elf Recken" an den pgo_352.002 Kampf der Horatier und Curiatier; so kämpfen Human und Bischen, Rustem pgo_352.003 und Jsfendiar. An das deutsche Volksepos erinnert das persische auf der pgo_352.004 andern Seite wieder durch jene in die Tiefen des Gewissens zurückgehenden pgo_352.005 Konflikte, wie sie im "Untergang des Sijawusch," dem Höhepunkt pgo_352.006 des Schahname, enthalten sind. Der junge Prinz hat Afrasiab, den pgo_352.007 Schah von Turan, in einer dreitägigen Schlacht geschlagen und auf pgo_352.008 seine Bitte mit ihm Frieden geschlossen. Doch Kai Kaws, der Vater pgo_352.009 des Prinzen, nur auf die vollständige Vertilgung des Todfeindes bedacht, pgo_352.010 geräth über diesen Friedensschluß in höchsten Zorn und befiehlt Sijawusch, pgo_352.011 die von Afrasiab gestellten Geißeln ihm zuzusenden, den Krieg aber pgo_352.012 nichtsdestoweniger fortzuführen. So steht Sijawusch schwankend zwischen pgo_352.013 dem Gehorsam gegen den Befehl seines Vaters und Gebieters und pgo_352.014 zwischen der Gewissenspflicht, treu zu halten an dem gegebenen Wort pgo_352.015 und abgeschlossenen Vertrag. Er entscheidet sich für das letztere, heirathet pgo_352.016 die Tochter des Afrasiab, fällt aber den Hofintriguen zum Opfer und pgo_352.017 wird in grausamer Weise ermordet. Trefflich ist es motivirt, wie dieser pgo_352.018 Prinz des lichten Jran sich in das finstere Turan verirrt, und wie ihn pgo_352.019 dort die aufgebäumten Schlangen des mächtigen Reiches erwürgen. pgo_352.020 Nichts hätte uns den Gegensatz der beiden Reiche so klar an den Tag pgo_352.021 legen können, als dies Hinüberwandeln des Sterns von Jran in die pgo_352.022 Sphären von Turan und sein beweinenswerthes Erlöschen am mitternächtigen pgo_352.023 Himmel. Doch dieser Konflikt des Sijawusch, in welchem die pgo_352.024 freie Selbstbestimmung des Helden in ihrer letzten Spitze die Entscheidung pgo_352.025 trifft, ist im höchsten Sinne tragisch, und dieser Abschnitt des pgo_352.026 persischen Epos ist noch mehr als die Nibelungen in dramatischerpgo_352.027 Weise motivirt. Ebenso giebt es Abschnitte im Schahname, in welchem pgo_352.028 die Lyrik überwiegt, wie z. B. "Sal und Rudabe," das pgo_352.029 Gemälde eines indischen Frühlings, unter dessen Rosen und Jasminen pgo_352.030 sich am Anfange der Zeiten zwei für einander geschaffene Wesen begegnen pgo_352.031 und den Bund für Leben und Tod schließen. Wenn das Schwelgen in pgo_352.032 dem Reize der äußern Erscheinung, das üppigprangende Kolorit in dieser pgo_352.033 Darstellung leidenschaftlicher und zugleich zarter Liebe bezeugen, daß dieselbe pgo_352.034 unter dem glühenden Himmel entstanden ist, dem wir das "Hohe pgo_352.035 Lied" und die "Gitagovinde" verdanken, so fehlt doch nicht ein dem
pgo_352.001 vorleuchtenden Helden. So erinnert „der Kampf der elf Recken“ an den pgo_352.002 Kampf der Horatier und Curiatier; so kämpfen Human und Bischen, Rustem pgo_352.003 und Jsfendiar. An das deutsche Volksepos erinnert das persische auf der pgo_352.004 andern Seite wieder durch jene in die Tiefen des Gewissens zurückgehenden pgo_352.005 Konflikte, wie sie im „Untergang des Sijawusch,“ dem Höhepunkt pgo_352.006 des Schahname, enthalten sind. Der junge Prinz hat Afrasiab, den pgo_352.007 Schah von Turan, in einer dreitägigen Schlacht geschlagen und auf pgo_352.008 seine Bitte mit ihm Frieden geschlossen. Doch Kai Kaws, der Vater pgo_352.009 des Prinzen, nur auf die vollständige Vertilgung des Todfeindes bedacht, pgo_352.010 geräth über diesen Friedensschluß in höchsten Zorn und befiehlt Sijawusch, pgo_352.011 die von Afrasiab gestellten Geißeln ihm zuzusenden, den Krieg aber pgo_352.012 nichtsdestoweniger fortzuführen. So steht Sijawusch schwankend zwischen pgo_352.013 dem Gehorsam gegen den Befehl seines Vaters und Gebieters und pgo_352.014 zwischen der Gewissenspflicht, treu zu halten an dem gegebenen Wort pgo_352.015 und abgeschlossenen Vertrag. Er entscheidet sich für das letztere, heirathet pgo_352.016 die Tochter des Afrasiab, fällt aber den Hofintriguen zum Opfer und pgo_352.017 wird in grausamer Weise ermordet. Trefflich ist es motivirt, wie dieser pgo_352.018 Prinz des lichten Jran sich in das finstere Turan verirrt, und wie ihn pgo_352.019 dort die aufgebäumten Schlangen des mächtigen Reiches erwürgen. pgo_352.020 Nichts hätte uns den Gegensatz der beiden Reiche so klar an den Tag pgo_352.021 legen können, als dies Hinüberwandeln des Sterns von Jran in die pgo_352.022 Sphären von Turan und sein beweinenswerthes Erlöschen am mitternächtigen pgo_352.023 Himmel. Doch dieser Konflikt des Sijawusch, in welchem die pgo_352.024 freie Selbstbestimmung des Helden in ihrer letzten Spitze die Entscheidung pgo_352.025 trifft, ist im höchsten Sinne tragisch, und dieser Abschnitt des pgo_352.026 persischen Epos ist noch mehr als die Nibelungen in dramatischerpgo_352.027 Weise motivirt. Ebenso giebt es Abschnitte im Schahname, in welchem pgo_352.028 die Lyrik überwiegt, wie z. B. „Sal und Rudabe,“ das pgo_352.029 Gemälde eines indischen Frühlings, unter dessen Rosen und Jasminen pgo_352.030 sich am Anfange der Zeiten zwei für einander geschaffene Wesen begegnen pgo_352.031 und den Bund für Leben und Tod schließen. Wenn das Schwelgen in pgo_352.032 dem Reize der äußern Erscheinung, das üppigprangende Kolorit in dieser pgo_352.033 Darstellung leidenschaftlicher und zugleich zarter Liebe bezeugen, daß dieselbe pgo_352.034 unter dem glühenden Himmel entstanden ist, dem wir das „Hohe pgo_352.035 Lied“ und die „Gitagovinde“ verdanken, so fehlt doch nicht ein dem
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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/374>, abgerufen am 22.11.2024.
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