pgo_348.001 jener elegische Zug, der durch Ossian's Heldengedichte geht, am pgo_348.002 ergreifendsten, wo er am Grabe seines Sohnes Oskar weint, die ewige pgo_348.003 Klage, daß nichts Edles und Herrliches in dieser Welt Bestand hat, und pgo_348.004 daß die Jugend selbst ein früher Tod ereilt. Und auch das Jugendalter pgo_348.005 der Welt, das solche Helden schafft, hat keinen Bestand! Das ist ein pgo_348.006 Zug weltgeschichtlicher Trauer, der durch diese großen Epopöen geht. pgo_348.007 Auf den Fall jener Lichthelden folgt die Rache: Jlium's Zerstörung, Kai pgo_348.008 Kosrus Rachezug gegen Turan, der Untergang der Burgunder durch pgo_348.009 Chriemhild! Jn diesen blutigen und düstern Katastrophen findet die pgo_348.010 epische Volkssage ihren Schlußstein.
pgo_348.011 Sehr richtig hat Carriere darauf hingewiesen, daß dem großen pgo_348.012 Epos des Völkerkampfes und Heldentodes meistens ein sanfteres Epos pgo_348.013 zur Seite ging, dessen Mittelpunkt die Verherrlichung der weiblichen pgo_348.014 Treue bildet: Nal und Damajanti, die Odyssee, die Gudrun.pgo_348.015 Nal und Damajanti ist bekanntlich eine Episode des Mahabharata,pgo_348.016 eine umgekehrte Odyssee, in der das Weib in Wäldern und Städten pgo_348.017 umirrt nach dem Manne, der sie verlassen, bis sie das Geschick wieder pgo_348.018 mit einander vereinigt. Doch man könnte das Ramayana selbst als das pgo_348.019 Epos der Treue betrachten, indem ja sein Held Rama die geliebte Gattin pgo_348.020 Sita dem Wildnißriesen Ravanas auf einem siegreichen Heerzug pgo_348.021 nach Lanka (Ceylon) wieder abkämpft. Sita beweist ihre Treue durch pgo_348.022 ein Feuerordale. Auch hier bildet die glückliche Vereinigung der getrennten pgo_348.023 Gatten den Schluß des Epos, das in seinem abenteuerlichen Zug pgo_348.024 in die Ferne, einem Zug von kulturbringender Bedeutung, die durch den pgo_348.025 Pflugträger, der den Helden begleitet, ausgedrückt ist, in dem pgo_348.026 märchenhaften Zauber, der um diese Völker der Ferne, die Affenvölker pgo_348.027 und ihre Helden schwebt, in seiner nicht auf einen Punkt koncentrirten, pgo_348.028 sondern hinausschweifenden Kampfeslust an die Odyssee erinnert.
pgo_348.029 Auch darin kommen alle diese Volksepopöen überein, daß das Volk pgo_348.030 in den entscheidenden Zügen der Sage dem Sänger vorgedichtet hat, der pgo_348.031 mit künstlerischer Kraft und künstlerischem Bewußtsein aus diesen Ueberlieferungen pgo_348.032 ein organisches Ganze schuf. Jn ihrer letzten Gestalt tragen pgo_348.033 sie ein einheitliches Gepräge, das nicht blos auf eine ordnende Hand, pgo_348.034 sondern auf einen schöpferischen Genius hindeutet, der wie eine Sonne
pgo_348.001 jener elegische Zug, der durch Ossian's Heldengedichte geht, am pgo_348.002 ergreifendsten, wo er am Grabe seines Sohnes Oskar weint, die ewige pgo_348.003 Klage, daß nichts Edles und Herrliches in dieser Welt Bestand hat, und pgo_348.004 daß die Jugend selbst ein früher Tod ereilt. Und auch das Jugendalter pgo_348.005 der Welt, das solche Helden schafft, hat keinen Bestand! Das ist ein pgo_348.006 Zug weltgeschichtlicher Trauer, der durch diese großen Epopöen geht. pgo_348.007 Auf den Fall jener Lichthelden folgt die Rache: Jlium's Zerstörung, Kai pgo_348.008 Kosrus Rachezug gegen Turan, der Untergang der Burgunder durch pgo_348.009 Chriemhild! Jn diesen blutigen und düstern Katastrophen findet die pgo_348.010 epische Volkssage ihren Schlußstein.
pgo_348.011 Sehr richtig hat Carrière darauf hingewiesen, daß dem großen pgo_348.012 Epos des Völkerkampfes und Heldentodes meistens ein sanfteres Epos pgo_348.013 zur Seite ging, dessen Mittelpunkt die Verherrlichung der weiblichen pgo_348.014 Treue bildet: Nal und Damajanti, die Odyssee, die Gudrun.pgo_348.015 Nal und Damajanti ist bekanntlich eine Episode des Mahabharata,pgo_348.016 eine umgekehrte Odyssee, in der das Weib in Wäldern und Städten pgo_348.017 umirrt nach dem Manne, der sie verlassen, bis sie das Geschick wieder pgo_348.018 mit einander vereinigt. Doch man könnte das Ramayana selbst als das pgo_348.019 Epos der Treue betrachten, indem ja sein Held Rama die geliebte Gattin pgo_348.020 Sita dem Wildnißriesen Ravanas auf einem siegreichen Heerzug pgo_348.021 nach Lanka (Ceylon) wieder abkämpft. Sita beweist ihre Treue durch pgo_348.022 ein Feuerordale. Auch hier bildet die glückliche Vereinigung der getrennten pgo_348.023 Gatten den Schluß des Epos, das in seinem abenteuerlichen Zug pgo_348.024 in die Ferne, einem Zug von kulturbringender Bedeutung, die durch den pgo_348.025 Pflugträger, der den Helden begleitet, ausgedrückt ist, in dem pgo_348.026 märchenhaften Zauber, der um diese Völker der Ferne, die Affenvölker pgo_348.027 und ihre Helden schwebt, in seiner nicht auf einen Punkt koncentrirten, pgo_348.028 sondern hinausschweifenden Kampfeslust an die Odyssee erinnert.
pgo_348.029 Auch darin kommen alle diese Volksepopöen überein, daß das Volk pgo_348.030 in den entscheidenden Zügen der Sage dem Sänger vorgedichtet hat, der pgo_348.031 mit künstlerischer Kraft und künstlerischem Bewußtsein aus diesen Ueberlieferungen pgo_348.032 ein organisches Ganze schuf. Jn ihrer letzten Gestalt tragen pgo_348.033 sie ein einheitliches Gepräge, das nicht blos auf eine ordnende Hand, pgo_348.034 sondern auf einen schöpferischen Genius hindeutet, der wie eine Sonne
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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/370>, abgerufen am 23.11.2024.
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