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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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in der That nicht für die Elegie; aber sie darf schwunghafter auftreten, pgo_312.002
als das Epos und das Lied. Vom Epos, von dem sie bei den Alten ja pgo_312.003
den Hexameter überkommen, überkam sie auch das Recht, ihre Bilder pgo_312.004
mit verweilender Schilderung auszumalen; vom Liede aber darf sie den pgo_312.005
musikalischen Schmelz für die Darstellung der Beschauung und Empfindung pgo_312.006
in Anspruch nehmen. Schon Tyrtäos malt seine Kriegsbilder mit pgo_312.007
Homerischer Klarheit:

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Dulde denn wohl ausschreitend ein Jeglicher, beide die Füße pgo_312.009
Festaufstemmend im Grund, Zähn' in die Lippen gedrückt, pgo_312.010
Hüften sodann und die Schenkel hinab und die Brust und die Schultern pgo_312.011
Hinter des räumigen Schilds Bauche nach Wunsche gedeckt; pgo_312.012
Und in der Rechten erheb' er zum Schwung den erdröhnenden Schlachtspeer pgo_312.013
Und graunregend daher wehe vom Haupte sein Busch*).

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und singt dann erst mit weichtönendem Klang der Gefallenen Ruhm, die pgo_312.015
Klagen des Volkes, die Ehre der Sieger. Wie lebendig schildert Tibull pgo_312.016
das Jagdleben, in welches die Leidenschaft der glühenden Sulpicia die pgo_312.017
Freuden der Liebe hineinzaubern möchte! Wie episch wird von diesem pgo_312.018
Dichter die Schönheit dieser Sulpicia durch den Reichthum des Schmuckes pgo_312.019
illustrirt, bei dessen Schilderung der Dichter behaglich in fernen Zonen pgo_312.020
verweilt:

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Sie allein nur ist werth von allen Mädchen, daß Tyrus pgo_312.022
Bringt weich wollenes Vließ, doppelt in Purpur getränkt, pgo_312.023
Sie besitze die duftige Saat, die der Araber ferne pgo_312.024
Jhrem Dienste geweiht pflegt auf den würzigen Au'n, pgo_312.025
Und das Edelgestein, das der schwarze Jnder, der Sonne pgo_312.026
Nachbar, liest an des Meers rothem Korallengestad.**)

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Solche Ausmalungen entsprechen nicht der "niedrigen" Schreibart, pgo_312.028
welche man von der "kleinen" Elegie verlangt. Wenn dies schon von der pgo_312.029
antiken Elegie gilt, so noch mehr von der modernen Gedankenpoesie. pgo_312.030
Das Kolorit der Schilderung kann so glänzend sein, wie es die Phantasie pgo_312.031
des Dichters nur zu geben vermag; Empfindung und Beschauung so pgo_312.032
tief und innig, wie es einer reichen Begabung nur immer zu Gebote steht. pgo_312.033
Die gleichmäßige Wärme Schiller'scher Jdealität, die wohl schwunghaft

*) pgo_312.034
Weber, die elegischen Dichter der Hellenen. I. p. 18.
**) pgo_312.035
Tibull, Eleg. IV., I. 15; nach Gruppe: die röm. Elegie. I. p. 39.

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in der That nicht für die Elegie; aber sie darf schwunghafter auftreten, pgo_312.002
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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/334>, abgerufen am 24.11.2024.