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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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gänzlich verdrängt. Die Romanze als poetische Erzählung ist daher gar pgo_286.002
nicht an dieser Stelle, sondern in der Lehre von der epischen Dichtung zu pgo_286.003
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Die historische Entwickelung der Ballade und Romanze giebt uns für pgo_286.005
diese Unterscheidungen freilich nur einen schwachen Anhalt. Romance, pgo_286.006
romanzo hieß in den romanischen Sprachen anfänglich jedes Gedicht der pgo_286.007
Volkssprache im Gegensatze zu den lateinischen Gedichten. Jm Spanischen pgo_286.008
wurde diese Bezeichnung dann auf episch lyrische, volksthümliche Gedichte pgo_286.009
übertragen, deren Rhythmus, der drei- und vierfüßige Trochäus, ebenfalls pgo_286.010
diesen Namen erhielt. Die ältesten spanischen Romanzen, wie die vom pgo_286.011
Cid, waren historisch-episch. Jhnen schlossen sich die Ritterromanzen pgo_286.012
der wandernden Sänger, die maurischen und Schäferromanzen an. pgo_286.013
Größere Sammlungen, Romanceros, wurden seit der Mitte des pgo_286.014
16. Jahrhunderts herausgegeben. Der vorwiegend epische Charakter pgo_286.015
und das farbengesättigte Kolorit der Romanze giebt uns ein Recht, sie pgo_286.016
auch nach ihrer historischen Entwickelung als poetische Erzählung in das pgo_286.017
epische Gedicht zu verweisen. Anders verhält es sich mit der Ballade, pgo_286.018
ein Namen, der allerdings auch südlichen Ursprungs ist, indem das italienische pgo_286.019
"ballata" im 12. Jahrhundert sonett- und madrigalartige kleinere pgo_286.020
Gedichte bezeichnet. Für das epische Volkslied wurde der Namen pgo_286.021
im 14. Jahrhundert zuerst in England und dann in Schottland angewendet. pgo_286.022
Aus solchen Volksliedern sind nicht blos in Deutschland, sondern pgo_286.023
auch in Rußland die großen Volksepopöen entstanden, doch wandte man pgo_286.024
die Bezeichnung: Ballade in Deutschland erst an, als die englisch-schottischen pgo_286.025
Vorbilder bei uns eingebürgert wurden. Der nordische Charakter pgo_286.026
gab dem epischen Volksliede etwas Schroffes, Springendes, Phantastisches, pgo_286.027
aber auch jene Lakonismen der Empfindung, welche sich, durch pgo_286.028
den Gesang hervorgehoben, an die musikalische Begleitung anlehnen pgo_286.029
konnten. Das Gespensterhafte, Unheimliche der alten nordischen Sage pgo_286.030
war eine mehr zufällige Zuthat, und es muß ungeeignet erscheinen, den pgo_286.031
Unterschied der Ballade von der Romanze auf dies Hereinragen einer pgo_286.032
dämonischen oder spuk- und märchenhaften Welt in die Begebenheiten pgo_286.033
des Lebens zu begründen. Die Ballade ist ein Lied, die Romanze eine pgo_286.034
Erzählung; die Ballade sangbar, die Romanze nicht; die Ballade pgo_286.035
hebt die Handlung in der Stimmung auf, die Romanze die Stimmung

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gab dem epischen Volksliede etwas Schroffes, Springendes, Phantastisches, pgo_286.027
aber auch jene Lakonismen der Empfindung, welche sich, durch pgo_286.028
den Gesang hervorgehoben, an die musikalische Begleitung anlehnen pgo_286.029
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war eine mehr zufällige Zuthat, und es muß ungeeignet erscheinen, den pgo_286.031
Unterschied der Ballade von der Romanze auf dies Hereinragen einer pgo_286.032
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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/308>, abgerufen am 23.11.2024.