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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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Was sagst du? Wie gefällt dir dieser Mann? pgo_189.002
Heut Abend sahst du ihn bei uns'rem Fest. pgo_189.003
Dann lies im Buche seines Angesichts, pgo_189.004
Jn das der Schönheit Griffel Wonne schrieb. pgo_189.005
Betrachte seiner Züge Lieblichkeit, pgo_189.006
Wie jeglicher dem andern Zierde leiht. pgo_189.007
Was dunkel in dem holden Buch geblieben, pgo_189.008
Das lies in seinem Aug' am Rand geschrieben, pgo_189.009
Und dieses Freiers ungebund'ner Stand, pgo_189.010
Dies Buch der Liebe braucht nur einen Band. pgo_189.011
Der Fisch lebt in der See und doppelt theuer pgo_189.012
Wird äuß'res Schön, als inn'rer Schönheit Schleier. pgo_189.013
Das Buch glänzt allermeist im Aug' der Welt, pgo_189.014
Das gold'ne Lehr' in gold'nen Spangen hält.
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Shakespeare, Romeo und Julie.

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Wer fühlt nicht heraus, wie diese breitgeschlagene Metapher durch pgo_189.017
ihre Ausführung mit jeder Wendung matter und gezwungener wird, pgo_189.018
abgesehen davon, daß ein eingeschobenes fremdes Bild die Allegorie pgo_189.019
unterbricht. Shakespeare verspottet oft selbst diese ungebührlich breite pgo_189.020
Ausführung des Bildes, die er "ein Gleichniß zu Tode hetzen" nennt, ist pgo_189.021
aber selbst am wenigsten frei davon.

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d. Die Geschmacklosigkeit, wenn das Bild an und für sich pgo_189.023
unziemlich und abstoßend, oder ungereimt und unsinnig (schwülstig, pgo_189.024
bombastisch
) oder zu weit hergeholt ist, oder wenn, trotz des zutreffenden pgo_189.025
Vergleichungspunktes, die verglichenen Gegenstände in allen anderen pgo_189.026
Beziehungen so heterogen sind, daß die Unähnlichkeiten von selbst störend pgo_189.027
hervortreten. Alle diese Fehler der Bildlichkeit im ernsten Style können pgo_189.028
ebenso große Vorzüge im komischen sein. Selbst das anscheinend pgo_189.029
zu weit hergeholte und gelehrte Bild, das eines Kommentars bedarf, pgo_189.030
kann diesen Kommentar ungezwungen im komischen Style finden, wie pgo_189.031
dies z. B. bei Jean Paul der Fall ist. An geschmacklosen Bildern sind pgo_189.032
nicht nur Lohenstein und Hoffmannswaldau, sondern auch Shakespeare pgo_189.033
und seine Zeitgenossen, die Erstlingswerke Schiller's, die alten pgo_189.034
und neuen Kraftdramatiker, selbst Anastasius Grün und Karl Beck pgo_189.035
reich zu nennen. Unziemlich ist z. B. folgendes Bild:

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Shakespeare, Romeo und Julie.

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aber selbst am wenigsten frei davon.

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unziemlich und abstoßend, oder ungereimt und unsinnig (schwülstig, pgo_189.024
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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/211>, abgerufen am 24.11.2024.