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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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haben; Zeitwörter, die für die Sinne malen, z. B. irgend einen Klang pgo_145.003
für das Ohr darstellen, indem der deutsche Sprachschatz an ihnen außerordentlich pgo_145.004
reich ist. Eine Häufung von Verben kann einen onomatopöischen pgo_145.005
Anstrich hervorbringen, wie in dem bekannten Gedicht von pgo_145.006
August Kopisch: "Die Heinzelmännchen" oder in jener Stelle der pgo_145.007
"Walpurgisnacht":

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Das drängt und stößt, das rauscht und klappert, pgo_145.009
Das zischt und quirlt, das zieht und plappert, pgo_145.010
Das leuchtet, sprüht und stinkt und brennt, pgo_145.011
Ein wahres Hexenelement!

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Die größere Anschaulichkeit wird erreicht, wenn das Verbum dem pgo_145.013
Subject, das Gedanken oder Empfindungen ausdrückt, einen sinnlichen pgo_145.014
Zustand oder eine sinnliche Thätigkeit zuschreibt:

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Wie wühlet pgo_145.016
Der Schmerz mir im Gebein.

(Goethe.)

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Das Herz zerbricht in mir.

(Goethe.)

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oder umgekehrt, wenn einem sinnlichen Subject ein geistiger Zustand oder pgo_145.019
eine geistige Thätigkeit zugeschrieben wird:

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Jm Winde bebt das Rohr.

(Lenau.)

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Wo verdorrte Disteln nicken.

(Sallet.)

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Das Grün des Frühling's mühte pgo_145.023
Sich mit vergeb'nen Mühn.

(Rückert.)

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Das Verbum gewinnt Kraft und Frische und Neuheit, wenn es die pgo_145.025
Bestimmung, statt sie als ein todtes Vorwort vor das regierte Substantivum pgo_145.026
zu setzen, in sich hineinnimmt. Statt zu sagen: "des Sturmes pgo_145.027
Gesang tönt durch die glühende Wüste" ist es kräftiger, mit Lenau zu pgo_145.028
sagen:

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Des Sturmes Gesang durchtönt die glühende Wüste*).
*) pgo_145.030
Sallet im "Prometheus" sagt: die Flamme mußte sie durchrasen, Gottes pgo_145.031
Odem sollte sie durchleuchten. Ebenso Neubildungen mit ver, ent, zer: ich pgo_145.032
habe mein Leben verträumt und vertrauert (Chamisso), das Schattenbild pgo_145.033
zerflittert (Dingelstedt), mit um: umzischt von der Meerfluth (Freiligrath); pgo_145.034
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von eitlem Glaß (Lenau); umwölbt vom Portal (Geibel);

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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/167>, abgerufen am 25.11.2024.