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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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Cours gewinnen können. Hierzu gehören zunächst die Fremdwörter, pgo_129.002
die in der deutschen Dichtersprache nur ein sehr beschränktes Gastrecht finden pgo_129.003
dürfen. Ohne dem blinden Eifer einer Sprachreinigung zu huldigen, pgo_129.004
welche das Fremdwort auch aus unsern prosaischen Werken und dem pgo_129.005
Gebrauch des Lebens verbannen will, wo wir mit dem Wort in der Regel pgo_129.006
auch den bestimmten Begriff verlieren: muß man doch zugeben, daß die pgo_129.007
Reinheit der poetischen Diktion durch den Gebrauch der Fremdwörter pgo_129.008
in ungehöriger Weise getrübt wird. Wohl giebt es Fremdwörter, die pgo_129.009
ebenso unentbehrlich, wie eingebürgert sind, und die daher auch der pgo_129.010
Dichter nicht vermeiden kann, doch die große Mehrzahl derselben verfällt pgo_129.011
in der Poesie mit Recht dem Strafgerichte der Puristen. Unsere pgo_129.012
Klassiker haben sich vom unnöthigen Gebrauch der Fremdwörter nicht pgo_129.013
freigehalten, was bei ihnen um so weniger auffällt, als sich durch Schiller's pgo_129.014
und Goethe's Dichtungen eine ganze Kette mythologischer Namen pgo_129.015
zieht; denn wo beständig vom "Orkus" die Rede ist und sogar statt des pgo_129.016
Himmels sich der "unbewölkte Zeus" in den Fluthen spiegelt, da fallen pgo_129.017
Ausdrücke, wie "Sphäre, Aether, Element" weniger auf. Goethe läßt pgo_129.018
den Faust von "neuen Sphären neuer Thätigkeit" sprechen. Schiller pgo_129.019
sagt: "Aber dringt bis in der Schönheit Sphäre," spricht vom "Symbol pgo_129.020
des Schönen und des Großen," "von der heil'gen Sympathie, pgo_129.021
der das Unsterbliche erliegt," von dem "Jdeale," vor dem die beschämte pgo_129.022
That muthlos fliehen soll. Gerade diese Fremdwörter haben etwas pgo_129.023
Oedes und Todtes; denn sie sind abstracte Schatten aus dem Orkus der pgo_129.024
philosophischen Terminologie. Unsere neueren philosophischen Poeten, pgo_129.025
Sallet, Jordan, Titus Ulrich u. A., haben sich ebensowenig vor pgo_129.026
dem Gebrauche solcher Kunstausdrücke gehütet, und wir können hierher pgo_129.027
auch mit gleichem Rechte die deutschen Wendungen rechnen, welche Hegel pgo_129.028
zu Schlagwörtern seiner Philosophie gestempelt: das Fürsichsein, Beisichsein, pgo_129.029
Außersichsein, bei denen die Muse ein Recht hat, außer sich zu gerathen, pgo_129.030
wenn sie ihnen in einer Dichtung begegnet; denn sie sind ebenso pgo_129.031
unschön, wie unsinnlich! Je freier der ideale Styl der Dichtung von pgo_129.032
Fremdwörtern, desto geläuterter ist seine künstlerische Haltung. Dennoch pgo_129.033
lassen wir hier eine Ausnahme gelten; es ist die exotische Schilderung, pgo_129.034
wo ein angemessenes Kolorit selbst die fremdklingenden Worte zu erfordern pgo_129.035
scheint, wo sie wie mit einem würzigen Hauch die Dichtung durchziehen.

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That muthlos fliehen soll. Gerade diese Fremdwörter haben etwas pgo_129.023
Oedes und Todtes; denn sie sind abstracte Schatten aus dem Orkus der pgo_129.024
philosophischen Terminologie. Unsere neueren philosophischen Poeten, pgo_129.025
Sallet, Jordan, Titus Ulrich u. A., haben sich ebensowenig vor pgo_129.026
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auch mit gleichem Rechte die deutschen Wendungen rechnen, welche Hegel pgo_129.028
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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/151>, abgerufen am 24.11.2024.