Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

er unterm Hute hervor nach ihr hin, zu sehen, was sie wohl beginnen möchte. Indem entfiel ihr eine der Blumen, und da sie sie liegen ließ, so sprang er hinzu, hob sie auf, gab in seiner Einfalt der Blume einen Kuß, steckte sie auf seinen Hut, trat einen Schritt zurück, und fragte ganz bescheiden:

"Jüngferchen, hat sie das Blümchen verloren? Hier ist's!"

Aber die Schloßjungfer antwortete nichts, und winkte, ihr zu folgen. Der Schäfer setzte den Hut mit der Blume auf, und folgte. An hundert Schritte waren sie stillschweigend gegangen, da öffnete sich vor der schönen Jungfrau die Erde, und sie stieg hinab. Dreist ging der Schäfer hinterher, und tief und immer tiefer schritten sie ins Dunkel hinein. Als sie so ein hundert Klafter tief waren, da ward es plötzlich hell, und vor dem erstaunten Schäfer stand ein prachtvolles Schloß mit hohen Thürmen und schönen

er unterm Hute hervor nach ihr hin, zu sehen, was sie wohl beginnen möchte. Indem entfiel ihr eine der Blumen, und da sie sie liegen ließ, so sprang er hinzu, hob sie auf, gab in seiner Einfalt der Blume einen Kuß, steckte sie auf seinen Hut, trat einen Schritt zurück, und fragte ganz bescheiden:

„Jüngferchen, hat sie das Blümchen verloren? Hier ist’s!“

Aber die Schloßjungfer antwortete nichts, und winkte, ihr zu folgen. Der Schäfer setzte den Hut mit der Blume auf, und folgte. An hundert Schritte waren sie stillschweigend gegangen, da öffnete sich vor der schönen Jungfrau die Erde, und sie stieg hinab. Dreist ging der Schäfer hinterher, und tief und immer tiefer schritten sie ins Dunkel hinein. Als sie so ein hundert Klafter tief waren, da ward es plötzlich hell, und vor dem erstaunten Schäfer stand ein prachtvolles Schloß mit hohen Thürmen und schönen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0229" n="190"/>
er unterm Hute hervor nach ihr hin, zu sehen, was sie wohl beginnen möchte. Indem entfiel ihr eine der Blumen, und da sie sie liegen ließ, so sprang er hinzu, hob sie auf, gab in seiner Einfalt der Blume einen Kuß, steckte sie auf seinen Hut, trat einen Schritt zurück, und fragte ganz bescheiden:</p>
        <p>&#x201E;Jüngferchen, hat sie das Blümchen verloren? Hier ist&#x2019;s!&#x201C;</p>
        <p>Aber die Schloßjungfer antwortete nichts, und winkte, ihr zu folgen. Der Schäfer setzte den Hut mit der Blume auf, und folgte. An hundert Schritte waren sie stillschweigend gegangen, da öffnete sich vor der schönen Jungfrau die Erde, und sie stieg hinab. Dreist ging der Schäfer hinterher, und tief und immer tiefer schritten sie ins Dunkel hinein. Als sie so ein hundert Klafter tief waren, da ward es plötzlich hell, und vor dem erstaunten Schäfer stand ein prachtvolles Schloß mit hohen Thürmen und schönen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0229] er unterm Hute hervor nach ihr hin, zu sehen, was sie wohl beginnen möchte. Indem entfiel ihr eine der Blumen, und da sie sie liegen ließ, so sprang er hinzu, hob sie auf, gab in seiner Einfalt der Blume einen Kuß, steckte sie auf seinen Hut, trat einen Schritt zurück, und fragte ganz bescheiden: „Jüngferchen, hat sie das Blümchen verloren? Hier ist’s!“ Aber die Schloßjungfer antwortete nichts, und winkte, ihr zu folgen. Der Schäfer setzte den Hut mit der Blume auf, und folgte. An hundert Schritte waren sie stillschweigend gegangen, da öffnete sich vor der schönen Jungfrau die Erde, und sie stieg hinab. Dreist ging der Schäfer hinterher, und tief und immer tiefer schritten sie ins Dunkel hinein. Als sie so ein hundert Klafter tief waren, da ward es plötzlich hell, und vor dem erstaunten Schäfer stand ein prachtvolles Schloß mit hohen Thürmen und schönen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814/229
Zitationshilfe: Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814/229>, abgerufen am 05.12.2024.