Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

Wangen sitzen unter den Gästen, und als Braut, als Braut, und mein Bräutigam, mein Otto, soll nicht bei mir sitzen! - O, daß ich eine treue Seele hätte, die mich führte weit, weit von hier, die mich geleitete in eine Wildniß, wo ich, fern von den Menschen, nur mir lebte, nur dein gedächte und Gottes, unsers Gottes, und Christi, und der gebenedeieten Jungfrau!"

So klagte die holdselige Jungfrau, und wußte sich keinen Rath und keine Hülfe. Denn ihrem Vater traute sie sich nicht zu widersetzen, und konnte doch nur den armen Otto lieben, und Otto war selbst nicht mehr zurückgekommen, und hatte ihr auch nicht Botschaft gesandt ein ganzes Jahr, ob er noch lebe.

Aber ihr alter treuer Diener, Kaspar, hatte ihre Klage gehört unter ihrem Fenster, und rief ihr zu, und versprach ihr, sie zu führen, wohin sie begehre. Das schoß ihr

Wangen sitzen unter den Gästen, und als Braut, als Braut, und mein Bräutigam, mein Otto, soll nicht bei mir sitzen! – O, daß ich eine treue Seele hätte, die mich führte weit, weit von hier, die mich geleitete in eine Wildniß, wo ich, fern von den Menschen, nur mir lebte, nur dein gedächte und Gottes, unsers Gottes, und Christi, und der gebenedeieten Jungfrau!“

So klagte die holdselige Jungfrau, und wußte sich keinen Rath und keine Hülfe. Denn ihrem Vater traute sie sich nicht zu widersetzen, und konnte doch nur den armen Otto lieben, und Otto war selbst nicht mehr zurückgekommen, und hatte ihr auch nicht Botschaft gesandt ein ganzes Jahr, ob er noch lebe.

Aber ihr alter treuer Diener, Kaspar, hatte ihre Klage gehört unter ihrem Fenster, und rief ihr zu, und versprach ihr, sie zu führen, wohin sie begehre. Das schoß ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0204" n="165"/>
Wangen sitzen unter den Gästen, und als Braut, als Braut, und mein Bräutigam, mein Otto, soll nicht bei mir sitzen! &#x2013; O, daß ich eine treue Seele hätte, die mich führte weit, weit von hier, die mich geleitete in eine Wildniß, wo ich, fern von den Menschen, nur mir lebte, nur dein gedächte und Gottes, unsers Gottes, und Christi, und der gebenedeieten Jungfrau!&#x201C;</p>
        <p>So klagte die holdselige Jungfrau, und wußte sich keinen Rath und keine Hülfe. Denn ihrem Vater traute sie sich nicht zu widersetzen, und konnte doch nur den armen Otto lieben, und Otto war selbst nicht mehr zurückgekommen, und hatte ihr auch nicht Botschaft gesandt ein ganzes Jahr, ob er noch lebe.</p>
        <p>Aber ihr alter treuer Diener, Kaspar, hatte ihre Klage gehört unter ihrem Fenster, und rief ihr zu, und versprach ihr, sie zu führen, wohin sie begehre. Das schoß ihr
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0204] Wangen sitzen unter den Gästen, und als Braut, als Braut, und mein Bräutigam, mein Otto, soll nicht bei mir sitzen! – O, daß ich eine treue Seele hätte, die mich führte weit, weit von hier, die mich geleitete in eine Wildniß, wo ich, fern von den Menschen, nur mir lebte, nur dein gedächte und Gottes, unsers Gottes, und Christi, und der gebenedeieten Jungfrau!“ So klagte die holdselige Jungfrau, und wußte sich keinen Rath und keine Hülfe. Denn ihrem Vater traute sie sich nicht zu widersetzen, und konnte doch nur den armen Otto lieben, und Otto war selbst nicht mehr zurückgekommen, und hatte ihr auch nicht Botschaft gesandt ein ganzes Jahr, ob er noch lebe. Aber ihr alter treuer Diener, Kaspar, hatte ihre Klage gehört unter ihrem Fenster, und rief ihr zu, und versprach ihr, sie zu führen, wohin sie begehre. Das schoß ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814/204
Zitationshilfe: Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814/204>, abgerufen am 26.04.2024.