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Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814.

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Zur Zeit der Sündfluth, als das Wasser der Nordsee die Thäler und Ebenen von Niedersachsen überströmte, flohen ein Jüngling und eine Jungfrau, die sich schon lange liebten, aus der Ebene dem Harzgebirge zu, um hier auf den Höhen ihr Leben zu retten, oder beisammen zu sterben. Mit dem Steigen des Wassers stiegen auch sie höher, und näherten sich immer mehr dem hohen Brocken, der ihnen ein sicherer Zufluchtsort zu seyn schien. Endlich standen sie auf einem ungeheuern Felsen, der weit über dem wogenden Meere hervorragte. Von hier sahen sie das umliegende Land von der Fluth ganz überdeckt, und Hütten und Thiere und Menschen waren verschwunden. Einsam starrten sie in die Wogen hin, die am Fuße des Felsens sich brachen. Doch noch höher stieg das Wasser, und schon dachten sie darauf, über einen noch unbedeckten Felsenrücken weiter zu fliehen, und den Brocken hinan zu klimmen, der wie eine

Zur Zeit der Sündfluth, als das Wasser der Nordsee die Thäler und Ebenen von Niedersachsen überströmte, flohen ein Jüngling und eine Jungfrau, die sich schon lange liebten, aus der Ebene dem Harzgebirge zu, um hier auf den Höhen ihr Leben zu retten, oder beisammen zu sterben. Mit dem Steigen des Wassers stiegen auch sie höher, und näherten sich immer mehr dem hohen Brocken, der ihnen ein sicherer Zufluchtsort zu seyn schien. Endlich standen sie auf einem ungeheuern Felsen, der weit über dem wogenden Meere hervorragte. Von hier sahen sie das umliegende Land von der Fluth ganz überdeckt, und Hütten und Thiere und Menschen waren verschwunden. Einsam starrten sie in die Wogen hin, die am Fuße des Felsens sich brachen. Doch noch höher stieg das Wasser, und schon dachten sie darauf, über einen noch unbedeckten Felsenrücken weiter zu fliehen, und den Brocken hinan zu klimmen, der wie eine

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[158/0197] Zur Zeit der Sündfluth, als das Wasser der Nordsee die Thäler und Ebenen von Niedersachsen überströmte, flohen ein Jüngling und eine Jungfrau, die sich schon lange liebten, aus der Ebene dem Harzgebirge zu, um hier auf den Höhen ihr Leben zu retten, oder beisammen zu sterben. Mit dem Steigen des Wassers stiegen auch sie höher, und näherten sich immer mehr dem hohen Brocken, der ihnen ein sicherer Zufluchtsort zu seyn schien. Endlich standen sie auf einem ungeheuern Felsen, der weit über dem wogenden Meere hervorragte. Von hier sahen sie das umliegende Land von der Fluth ganz überdeckt, und Hütten und Thiere und Menschen waren verschwunden. Einsam starrten sie in die Wogen hin, die am Fuße des Felsens sich brachen. Doch noch höher stieg das Wasser, und schon dachten sie darauf, über einen noch unbedeckten Felsenrücken weiter zu fliehen, und den Brocken hinan zu klimmen, der wie eine

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Zitationshilfe: Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814/197>, abgerufen am 25.04.2024.