Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814.In diesem Augenblicke brachte ein Eilbote aus dem Kloster Lindau ein Schreiben von der Aebtissin. Hastig riß er es von einander, und las: "Heute früh ist Eure unglückliche Schwester gestorben. Ihre Seele steht vor Gott und klagt Euch, Graf Isang, an. Ihr Tod ist die Folge Eurer himmelschreienden Schandthat. Im Wahnsinn schied ihr Geist, und ihre letzten Worte waren: Wehe, Wehe über ihn! Gott sey Euch gnädig." Hermann stürzte nieder zur Erde, krümmte sich heulend, und schrie wie einer, dem tausend Messer das Herz durchschneiden. "Schrecklich, schrecklich! O, wer hilft mir von dieser Qual! Wer nimmt mir mein schändliches Leben!" Die Diener sprachen ihm zu, hoben ihn auf, wollten ihn ins Schloß zurückbringen, aber von nichts wollte er wissen. Mit Ingrimm stieß er sie von sich, und befahl ihnen, In diesem Augenblicke brachte ein Eilbote aus dem Kloster Lindau ein Schreiben von der Aebtissin. Hastig riß er es von einander, und las: „Heute früh ist Eure unglückliche Schwester gestorben. Ihre Seele steht vor Gott und klagt Euch, Graf Isang, an. Ihr Tod ist die Folge Eurer himmelschreienden Schandthat. Im Wahnsinn schied ihr Geist, und ihre letzten Worte waren: Wehe, Wehe über ihn! Gott sey Euch gnädig.“ Hermann stürzte nieder zur Erde, krümmte sich heulend, und schrie wie einer, dem tausend Messer das Herz durchschneiden. „Schrecklich, schrecklich! O, wer hilft mir von dieser Qual! Wer nimmt mir mein schändliches Leben!“ Die Diener sprachen ihm zu, hoben ihn auf, wollten ihn ins Schloß zurückbringen, aber von nichts wollte er wissen. Mit Ingrimm stieß er sie von sich, und befahl ihnen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0139" n="100"/> <p>In diesem Augenblicke brachte ein Eilbote aus dem Kloster Lindau ein Schreiben von der Aebtissin. Hastig riß er es von einander, und las:</p> <p>„Heute früh ist Eure unglückliche Schwester gestorben. Ihre Seele steht vor Gott und klagt Euch, Graf Isang, an. Ihr Tod ist die Folge Eurer himmelschreienden Schandthat. Im Wahnsinn schied ihr Geist, und ihre letzten Worte waren: Wehe, Wehe über ihn! Gott sey Euch gnädig.“</p> <p>Hermann stürzte nieder zur Erde, krümmte sich heulend, und schrie wie einer, dem tausend Messer das Herz durchschneiden.</p> <p>„Schrecklich, schrecklich! O, wer hilft mir von dieser Qual! Wer nimmt mir mein schändliches Leben!“</p> <p>Die Diener sprachen ihm zu, hoben ihn auf, wollten ihn ins Schloß zurückbringen, aber von nichts wollte er wissen. Mit Ingrimm stieß er sie von sich, und befahl ihnen, </p> </div> </body> </text> </TEI> [100/0139]
In diesem Augenblicke brachte ein Eilbote aus dem Kloster Lindau ein Schreiben von der Aebtissin. Hastig riß er es von einander, und las:
„Heute früh ist Eure unglückliche Schwester gestorben. Ihre Seele steht vor Gott und klagt Euch, Graf Isang, an. Ihr Tod ist die Folge Eurer himmelschreienden Schandthat. Im Wahnsinn schied ihr Geist, und ihre letzten Worte waren: Wehe, Wehe über ihn! Gott sey Euch gnädig.“
Hermann stürzte nieder zur Erde, krümmte sich heulend, und schrie wie einer, dem tausend Messer das Herz durchschneiden.
„Schrecklich, schrecklich! O, wer hilft mir von dieser Qual! Wer nimmt mir mein schändliches Leben!“
Die Diener sprachen ihm zu, hoben ihn auf, wollten ihn ins Schloß zurückbringen, aber von nichts wollte er wissen. Mit Ingrimm stieß er sie von sich, und befahl ihnen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |