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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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uns ab, und wenn das Herz einmal im Jammer ver¬
schwollen ist, so kommen keine Worte mehr heraus."

"Da schüttelte sein spitziges Haupt der Grüne und
sprach: "Vater, ihr redet nicht dumm, aber so ist es
doch nicht. Man mag schlagen was man will, Stein
oder Baum, so gibt es einen Ton von sich; es klaget.
So soll auch der Mensch klagen, soll alles klagen, soll
dem ersten Besten klagen, vielleicht hilft ihm der erste
Beste. Ich bin nur ein Jägersmann, wer weiß, ob ich
nicht daheim ein tüchtiges Gespann habe, Holz und
Steine oder Buchen und Tannen zu führen?"

"Als die armen Bauren das Wort Gespann hörten,
fiel es ihnen allen ins Herz, ward da zu einem Hoff¬
nungsfunken, und alle Augen sahen auf ihn und dem
Alten ging der Mund noch weiter auf; er sprach: "Es
sei nicht immer richtig dem Ersten, dem Besten zu sa¬
gen, was man auf dem Herzen hätte, da man ihm es
aber anhöre, daß er es gut meine, daß er vielleicht
helfen könne, so wolle man kein Hehl vor ihm haben.
Mehr als zwei Jahre hätten sie schwer gelitten unter
dem neuen Schloßbau, kein Hauswesen sei in der gan¬
zen Herrschaft, welches nicht bitterlich im Mangel sei.
Jetzt hätten sie frisch aufgeathmet, in der Meinung,
endlich freie Hände zu haben zur eigenen Arbeit, hätten
mit neuem Muth den Pflug ins Feld geführt, und so¬
eben hätte der Comthur ihnen befohlen, aus im Münne¬
holz gewachsenen Buchen in Monatsfrist beim neuen
Schloß einen neuen Schattengang zu pflanzen. Sie
wüßten nicht wie das vollbringen in dieser Frist, mit
ihrem abgekarrtem Vieh, und wenn sie es vollbrächten,
was hülfe es ihnen? Anpflanzen könnten sie nicht und
müßten nachher Hungers sterben, im Fall die harte
Arbeit sie nicht früher tödtete. Diese Botschaft dürften

uns ab, und wenn das Herz einmal im Jammer ver¬
ſchwollen iſt, ſo kommen keine Worte mehr heraus.“

„Da ſchüttelte ſein ſpitziges Haupt der Grüne und
ſprach: „Vater, ihr redet nicht dumm, aber ſo iſt es
doch nicht. Man mag ſchlagen was man will, Stein
oder Baum, ſo gibt es einen Ton von ſich; es klaget.
So ſoll auch der Menſch klagen, ſoll alles klagen, ſoll
dem erſten Beſten klagen, vielleicht hilft ihm der erſte
Beſte. Ich bin nur ein Jägersmann, wer weiß, ob ich
nicht daheim ein tüchtiges Geſpann habe, Holz und
Steine oder Buchen und Tannen zu führen?“

„Als die armen Bauren das Wort Geſpann hörten,
fiel es ihnen allen ins Herz, ward da zu einem Hoff¬
nungsfunken, und alle Augen ſahen auf ihn und dem
Alten ging der Mund noch weiter auf; er ſprach: „Es
ſei nicht immer richtig dem Erſten, dem Beſten zu ſa¬
gen, was man auf dem Herzen hätte, da man ihm es
aber anhöre, daß er es gut meine, daß er vielleicht
helfen könne, ſo wolle man kein Hehl vor ihm haben.
Mehr als zwei Jahre hätten ſie ſchwer gelitten unter
dem neuen Schloßbau, kein Hausweſen ſei in der gan¬
zen Herrſchaft, welches nicht bitterlich im Mangel ſei.
Jetzt hätten ſie friſch aufgeathmet, in der Meinung,
endlich freie Hände zu haben zur eigenen Arbeit, hätten
mit neuem Muth den Pflug ins Feld geführt, und ſo¬
eben hätte der Comthur ihnen befohlen, aus im Münne¬
holz gewachſenen Buchen in Monatsfriſt beim neuen
Schloß einen neuen Schattengang zu pflanzen. Sie
wüßten nicht wie das vollbringen in dieſer Friſt, mit
ihrem abgekarrtem Vieh, und wenn ſie es vollbrächten,
was hülfe es ihnen? Anpflanzen könnten ſie nicht und
müßten nachher Hungers ſterben, im Fall die harte
Arbeit ſie nicht früher tödtete. Dieſe Botſchaft dürften

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[32/0042] uns ab, und wenn das Herz einmal im Jammer ver¬ ſchwollen iſt, ſo kommen keine Worte mehr heraus.“ „Da ſchüttelte ſein ſpitziges Haupt der Grüne und ſprach: „Vater, ihr redet nicht dumm, aber ſo iſt es doch nicht. Man mag ſchlagen was man will, Stein oder Baum, ſo gibt es einen Ton von ſich; es klaget. So ſoll auch der Menſch klagen, ſoll alles klagen, ſoll dem erſten Beſten klagen, vielleicht hilft ihm der erſte Beſte. Ich bin nur ein Jägersmann, wer weiß, ob ich nicht daheim ein tüchtiges Geſpann habe, Holz und Steine oder Buchen und Tannen zu führen?“ „Als die armen Bauren das Wort Geſpann hörten, fiel es ihnen allen ins Herz, ward da zu einem Hoff¬ nungsfunken, und alle Augen ſahen auf ihn und dem Alten ging der Mund noch weiter auf; er ſprach: „Es ſei nicht immer richtig dem Erſten, dem Beſten zu ſa¬ gen, was man auf dem Herzen hätte, da man ihm es aber anhöre, daß er es gut meine, daß er vielleicht helfen könne, ſo wolle man kein Hehl vor ihm haben. Mehr als zwei Jahre hätten ſie ſchwer gelitten unter dem neuen Schloßbau, kein Hausweſen ſei in der gan¬ zen Herrſchaft, welches nicht bitterlich im Mangel ſei. Jetzt hätten ſie friſch aufgeathmet, in der Meinung, endlich freie Hände zu haben zur eigenen Arbeit, hätten mit neuem Muth den Pflug ins Feld geführt, und ſo¬ eben hätte der Comthur ihnen befohlen, aus im Münne¬ holz gewachſenen Buchen in Monatsfriſt beim neuen Schloß einen neuen Schattengang zu pflanzen. Sie wüßten nicht wie das vollbringen in dieſer Friſt, mit ihrem abgekarrtem Vieh, und wenn ſie es vollbrächten, was hülfe es ihnen? Anpflanzen könnten ſie nicht und müßten nachher Hungers ſterben, im Fall die harte Arbeit ſie nicht früher tödtete. Dieſe Botſchaft dürften

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/42>, abgerufen am 22.11.2024.