Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

wohnten Leibeigene, welche die besten Händel hatten und
solche, die schwer, fast unerträglich, gedrückt wurden,
ihres Lebens nicht sicher waren. Ihr Zustand hing je¬
weilen von ihren Herren ab; die waren gar ungleich
und doch fast unumschränkt Meister über ihre Leute und
diese fanden Keinen, dem sie so leichtlich und wirksam
klagen konnten. Die, welche zu diesem Schlosse gehör¬
ten, sollen es schlimmer gehabt haben zu Zeiten als die
Meisten, welche zu andern Schlössern gehörten. Die
meisten andern Schlösser gehörten einer Familie, kamen
von dem Vater auf den Sohn, da kannten der Herr
und seine Leute sich von Jugend auf, und gar Mancher
war seinen Leuten wie ein Vater. Dieses Schloß kam
nämlich frühe in die Hände von Rittern, die man die
Teutschen nannte, und der, welcher hier zu befehlen
hatte, den nannte man den Comthur. Diese Obern
wechselten nun, und bald war Einer da aus dem Sach¬
senland und bald Einer aus dem Schwabenland; da
kam keine Anhänglichkeit auf und ein jeder brachte Brauch
und Art mit aus seinem Lande.

"Nun sollten sie eigentlich in Polen und im Preußen¬
lande mit den Heiden streiten, und dort, obgleich sie
eigentlich geistliche Ritter waren, gewöhnten sie sich fast
an ein heidnisch Leben und gingen mit andern Menschen
um, als ob kein Gott im Himmel wäre, und wenn sie
dann heim kamen, so meinten sie noch immer, sie seien
im Heidenland und trieben das gleiche Leben fort. Denn
die, welche lieber im Schatten lustig lebten als im wü¬
sten Lande blutig stritten, oder die, welche ihre Wunden
heilen, ihren Leib stärken mußten, kamen auf die Güter,
welche der Orden, so soll man die Gesellschaft der Rit¬
ter genannt haben, in Deutschland und in der Schweiz
besaß, und thaten jeder nach seiner Art und was ihm

wohnten Leibeigene, welche die beſten Händel hatten und
ſolche, die ſchwer, faſt unerträglich, gedrückt wurden,
ihres Lebens nicht ſicher waren. Ihr Zuſtand hing je¬
weilen von ihren Herren ab; die waren gar ungleich
und doch faſt unumſchränkt Meiſter über ihre Leute und
dieſe fanden Keinen, dem ſie ſo leichtlich und wirkſam
klagen konnten. Die, welche zu dieſem Schloſſe gehör¬
ten, ſollen es ſchlimmer gehabt haben zu Zeiten als die
Meiſten, welche zu andern Schlöſſern gehörten. Die
meiſten andern Schlöſſer gehörten einer Familie, kamen
von dem Vater auf den Sohn, da kannten der Herr
und ſeine Leute ſich von Jugend auf, und gar Mancher
war ſeinen Leuten wie ein Vater. Dieſes Schloß kam
nämlich frühe in die Hände von Rittern, die man die
Teutſchen nannte, und der, welcher hier zu befehlen
hatte, den nannte man den Comthur. Dieſe Obern
wechſelten nun, und bald war Einer da aus dem Sach¬
ſenland und bald Einer aus dem Schwabenland; da
kam keine Anhänglichkeit auf und ein jeder brachte Brauch
und Art mit aus ſeinem Lande.

„Nun ſollten ſie eigentlich in Polen und im Preußen¬
lande mit den Heiden ſtreiten, und dort, obgleich ſie
eigentlich geiſtliche Ritter waren, gewöhnten ſie ſich faſt
an ein heidniſch Leben und gingen mit andern Menſchen
um, als ob kein Gott im Himmel wäre, und wenn ſie
dann heim kamen, ſo meinten ſie noch immer, ſie ſeien
im Heidenland und trieben das gleiche Leben fort. Denn
die, welche lieber im Schatten luſtig lebten als im wü¬
ſten Lande blutig ſtritten, oder die, welche ihre Wunden
heilen, ihren Leib ſtärken mußten, kamen auf die Güter,
welche der Orden, ſo ſoll man die Geſellſchaft der Rit¬
ter genannt haben, in Deutſchland und in der Schweiz
beſaß, und thaten jeder nach ſeiner Art und was ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0036" n="26"/>
wohnten Leibeigene, welche die be&#x017F;ten Händel hatten und<lb/>
&#x017F;olche, die &#x017F;chwer, fa&#x017F;t <choice><sic>unerträgltch</sic><corr>unerträglich</corr></choice>, gedrückt wurden,<lb/>
ihres Lebens nicht &#x017F;icher waren. Ihr Zu&#x017F;tand hing je¬<lb/>
weilen von ihren Herren ab; die waren gar ungleich<lb/>
und doch fa&#x017F;t unum&#x017F;chränkt Mei&#x017F;ter über ihre Leute und<lb/>
die&#x017F;e fanden Keinen, dem &#x017F;ie &#x017F;o leichtlich und wirk&#x017F;am<lb/>
klagen konnten. Die, welche zu die&#x017F;em Schlo&#x017F;&#x017F;e gehör¬<lb/>
ten, &#x017F;ollen es &#x017F;chlimmer gehabt haben zu Zeiten als die<lb/>
Mei&#x017F;ten, welche zu andern Schlö&#x017F;&#x017F;ern gehörten. Die<lb/>
mei&#x017F;ten andern Schlö&#x017F;&#x017F;er gehörten einer Familie, kamen<lb/>
von dem Vater auf den Sohn, da kannten der Herr<lb/>
und &#x017F;eine Leute &#x017F;ich von Jugend auf, und gar Mancher<lb/>
war &#x017F;einen Leuten wie ein Vater. Die&#x017F;es Schloß kam<lb/>
nämlich frühe in die Hände von Rittern, die man die<lb/>
Teut&#x017F;chen nannte, und der, welcher <hi rendition="#g">hier</hi> zu befehlen<lb/>
hatte, den nannte man den Comthur. Die&#x017F;e Obern<lb/>
wech&#x017F;elten nun, und bald war Einer da aus dem Sach¬<lb/>
&#x017F;enland und bald Einer aus dem Schwabenland; da<lb/>
kam keine Anhänglichkeit auf und ein jeder brachte Brauch<lb/>
und Art mit aus &#x017F;einem Lande.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun &#x017F;ollten &#x017F;ie eigentlich in Polen und im Preußen¬<lb/>
lande mit den Heiden &#x017F;treiten, und dort, obgleich &#x017F;ie<lb/>
eigentlich gei&#x017F;tliche Ritter waren, gewöhnten &#x017F;ie &#x017F;ich fa&#x017F;t<lb/>
an ein heidni&#x017F;ch Leben und gingen mit andern Men&#x017F;chen<lb/>
um, als ob kein Gott im Himmel wäre, und wenn &#x017F;ie<lb/>
dann heim kamen, &#x017F;o meinten &#x017F;ie noch immer, &#x017F;ie &#x017F;eien<lb/>
im Heidenland und trieben das gleiche Leben fort. Denn<lb/>
die, welche lieber im Schatten lu&#x017F;tig lebten als im wü¬<lb/>
&#x017F;ten Lande blutig &#x017F;tritten, oder die, welche ihre Wunden<lb/>
heilen, ihren Leib &#x017F;tärken mußten, kamen auf die Güter,<lb/>
welche der Orden, &#x017F;o &#x017F;oll man die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft der Rit¬<lb/>
ter genannt haben, in Deut&#x017F;chland und in der Schweiz<lb/>
be&#x017F;aß, und thaten jeder nach &#x017F;einer Art und was ihm<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0036] wohnten Leibeigene, welche die beſten Händel hatten und ſolche, die ſchwer, faſt unerträglich, gedrückt wurden, ihres Lebens nicht ſicher waren. Ihr Zuſtand hing je¬ weilen von ihren Herren ab; die waren gar ungleich und doch faſt unumſchränkt Meiſter über ihre Leute und dieſe fanden Keinen, dem ſie ſo leichtlich und wirkſam klagen konnten. Die, welche zu dieſem Schloſſe gehör¬ ten, ſollen es ſchlimmer gehabt haben zu Zeiten als die Meiſten, welche zu andern Schlöſſern gehörten. Die meiſten andern Schlöſſer gehörten einer Familie, kamen von dem Vater auf den Sohn, da kannten der Herr und ſeine Leute ſich von Jugend auf, und gar Mancher war ſeinen Leuten wie ein Vater. Dieſes Schloß kam nämlich frühe in die Hände von Rittern, die man die Teutſchen nannte, und der, welcher hier zu befehlen hatte, den nannte man den Comthur. Dieſe Obern wechſelten nun, und bald war Einer da aus dem Sach¬ ſenland und bald Einer aus dem Schwabenland; da kam keine Anhänglichkeit auf und ein jeder brachte Brauch und Art mit aus ſeinem Lande. „Nun ſollten ſie eigentlich in Polen und im Preußen¬ lande mit den Heiden ſtreiten, und dort, obgleich ſie eigentlich geiſtliche Ritter waren, gewöhnten ſie ſich faſt an ein heidniſch Leben und gingen mit andern Menſchen um, als ob kein Gott im Himmel wäre, und wenn ſie dann heim kamen, ſo meinten ſie noch immer, ſie ſeien im Heidenland und trieben das gleiche Leben fort. Denn die, welche lieber im Schatten luſtig lebten als im wü¬ ſten Lande blutig ſtritten, oder die, welche ihre Wunden heilen, ihren Leib ſtärken mußten, kamen auf die Güter, welche der Orden, ſo ſoll man die Geſellſchaft der Rit¬ ter genannt haben, in Deutſchland und in der Schweiz beſaß, und thaten jeder nach ſeiner Art und was ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/36
Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/36>, abgerufen am 22.11.2024.