Zapfen los, und wolle sehen was drinnen sei, und sie müßten einmal auch was neues sehn. Das weckte neues Entsetzen, und der Bursche, der das that, ward Allen Meister, und konnte zwingen was er wollte, besonders bei den Mägden.
"Das soll aber auch ein seltsamer Mensch gewesen sein, man wußte nicht woher er kam. Er konnte sanft thun wie ein Lamm, und reißend wie ein Wolf; war er alleine bei einem Weibsbilde, so war er ein sanftes Lamm, vor der Gesellschaft aber war er wie ein reißen¬ der Wolf und that als ob er Alle haßte, als ob er über Alles aus wolle mit wüsten Thaten und Worten; solche sollen den Weibsbildern aber gerade die liebsten sein. Darum entsetzten sich die Mägde öffentlich vor ihm, sollen ihn aber doch, wenn sie alleine waren, am liebsten von Allen gehabt haben. Er hatte ungleiche Augen, aber man wußte nicht von welcher Farbe, und beide haßten einander, sahen nie den gleichen Weg, aber unter langem Augenhaar und demüthigem Nieder¬ sehen wußte er es zu verbergen. Sein Haar war schön gelockt, aber man wußte nicht war es roth oder falb; im Schatten war es das schönste Flachshaar, schien aber die Sonne darauf, so hatte kein Eichhörnchen einen röthern Pelz. Er quälte wie Keiner das Vieh. Dasselbe haßte ihn auch darnach. Von den Knechten meinte ein Jeder, er sei sein Freund, und gegen Jeden wies er die Andern auf. Den Meisterweibern war er unter Allen alleine recht; er alleine war oft im obern Hause, dann thaten unten die Mägde wüst; so bald er es merkte, steckte er sein Messer an den Zapfen und begann sein Drohen, bis die Mägde zum Kreuze kro¬ chen. Doch behielt dieses Spiel auch nicht lange seine Wirkung. Die Mägde wurden dessen gewohnt und
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Zapfen los, und wolle ſehen was drinnen ſei, und ſie müßten einmal auch was neues ſehn. Das weckte neues Entſetzen, und der Burſche, der das that, ward Allen Meiſter, und konnte zwingen was er wollte, beſonders bei den Mägden.
„Das ſoll aber auch ein ſeltſamer Menſch geweſen ſein, man wußte nicht woher er kam. Er konnte ſanft thun wie ein Lamm, und reißend wie ein Wolf; war er alleine bei einem Weibsbilde, ſo war er ein ſanftes Lamm, vor der Geſellſchaft aber war er wie ein reißen¬ der Wolf und that als ob er Alle haßte, als ob er über Alles aus wolle mit wüſten Thaten und Worten; ſolche ſollen den Weibsbildern aber gerade die liebſten ſein. Darum entſetzten ſich die Mägde öffentlich vor ihm, ſollen ihn aber doch, wenn ſie alleine waren, am liebſten von Allen gehabt haben. Er hatte ungleiche Augen, aber man wußte nicht von welcher Farbe, und beide haßten einander, ſahen nie den gleichen Weg, aber unter langem Augenhaar und demüthigem Nieder¬ ſehen wußte er es zu verbergen. Sein Haar war ſchön gelockt, aber man wußte nicht war es roth oder falb; im Schatten war es das ſchönſte Flachshaar, ſchien aber die Sonne darauf, ſo hatte kein Eichhörnchen einen röthern Pelz. Er quälte wie Keiner das Vieh. Daſſelbe haßte ihn auch darnach. Von den Knechten meinte ein Jeder, er ſei ſein Freund, und gegen Jeden wies er die Andern auf. Den Meiſterweibern war er unter Allen alleine recht; er alleine war oft im obern Hauſe, dann thaten unten die Mägde wüſt; ſo bald er es merkte, ſteckte er ſein Meſſer an den Zapfen und begann ſein Drohen, bis die Mägde zum Kreuze kro¬ chen. Doch behielt dieſes Spiel auch nicht lange ſeine Wirkung. Die Mägde wurden deſſen gewohnt und
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Zapfen los, und wolle ſehen was drinnen ſei, und
ſie müßten einmal auch was neues ſehn. Das weckte
neues Entſetzen, und der Burſche, der das that, ward
Allen Meiſter, und konnte zwingen was er wollte,
beſonders bei den Mägden.
„Das ſoll aber auch ein ſeltſamer Menſch geweſen
ſein, man wußte nicht woher er kam. Er konnte ſanft
thun wie ein Lamm, und reißend wie ein Wolf; war
er alleine bei einem Weibsbilde, ſo war er ein ſanftes
Lamm, vor der Geſellſchaft aber war er wie ein reißen¬
der Wolf und that als ob er Alle haßte, als ob er
über Alles aus wolle mit wüſten Thaten und Worten;
ſolche ſollen den Weibsbildern aber gerade die liebſten
ſein. Darum entſetzten ſich die Mägde öffentlich vor
ihm, ſollen ihn aber doch, wenn ſie alleine waren, am
liebſten von Allen gehabt haben. Er hatte ungleiche
Augen, aber man wußte nicht von welcher Farbe, und
beide haßten einander, ſahen nie den gleichen Weg,
aber unter langem Augenhaar und demüthigem Nieder¬
ſehen wußte er es zu verbergen. Sein Haar war ſchön
gelockt, aber man wußte nicht war es roth oder falb;
im Schatten war es das ſchönſte Flachshaar, ſchien
aber die Sonne darauf, ſo hatte kein Eichhörnchen
einen röthern Pelz. Er quälte wie Keiner das Vieh.
Daſſelbe haßte ihn auch darnach. Von den Knechten
meinte ein Jeder, er ſei ſein Freund, und gegen Jeden
wies er die Andern auf. Den Meiſterweibern war er
unter Allen alleine recht; er alleine war oft im obern
Hauſe, dann thaten unten die Mägde wüſt; ſo bald
er es merkte, ſteckte er ſein Meſſer an den Zapfen und
begann ſein Drohen, bis die Mägde zum Kreuze kro¬
chen. Doch behielt dieſes Spiel auch nicht lange ſeine
Wirkung. Die Mägde wurden deſſen gewohnt und
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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/107>, abgerufen am 26.06.2024.
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