Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.einem der späteren Bände eine sehr merkwürdige und dem Charakter nach ganz alleinstehende Dichtung G.'s, seinen "Kurt von Koppigen", zu bringen, freuen wir uns, bei der Armuth unserer Literatur an echt humoristischen Erzählungen, unserem Novellenschatz eine kleine "Stadtgeschichte" einfügen zu können, die von Allem, was G. geschrieben, dem Begriff der eigentlichen Novelle am nächsten kommen dürfte und eine sehr lustige Erfindung in glücklichster Weise durchführt. Zwar wirkt auch hier die unausbleibliche Säure gegen die liberale Richtung störend mit, da der Speculant, um den es sich handelt, der Naturwahrheit völlig unbeschadet eben so gut ein Conservativer als ein Radicaler sein könnte; aber die behagliche Schalkhaftigkeit aller andern Partieen überwiegt glücklich diesen unliebsamen tendenziösen Zug, und der unerwartet versöhnende und gutherzige Schluß entläßt uns mit dem heitersten Eindrücke. Noch erübrigt uns, die mundartlichen Ausdrücke, welche Gotthelf in sein mitunter ziemlich krauses Hochdeutsch einzuflechten pflegt, so weit als nöthig zu erklären: Seimeisterin: seien heißt im Berner Oberlande ein Gemeingut nach der Zahl der Kühe schätzen, die es ernähren kann. -- Ihns (mit nasalem i gesprochen) ist der Accusativ des persönlichen Es, das auf Diminutivnamen, z B. das Vreneli, aber auch auf Thiernamen, die im Neutrum stehen, z. B. das Eichhorn u. dgl., sich bezieht; kommt bekanntlich auch bei Hebel vor. -- Währschaft: entweder, was währt oder, was gewährleistet werden kann; dauerhaft, tüchtig, derb. -- Werweisen : in der Irre gehen, unentschieden schwanken, im Zweifel sein. -- Von wegen: denn. -- Ringgeln: schnallen, festschnüren. -- Bessern: besser werden. -- z'Best; z'Sach: das Beste; die Sache. -- Wo wird auch für das Relativpronomen gebraucht. einem der späteren Bände eine sehr merkwürdige und dem Charakter nach ganz alleinstehende Dichtung G.‘s, seinen „Kurt von Koppigen“, zu bringen, freuen wir uns, bei der Armuth unserer Literatur an echt humoristischen Erzählungen, unserem Novellenschatz eine kleine „Stadtgeschichte“ einfügen zu können, die von Allem, was G. geschrieben, dem Begriff der eigentlichen Novelle am nächsten kommen dürfte und eine sehr lustige Erfindung in glücklichster Weise durchführt. Zwar wirkt auch hier die unausbleibliche Säure gegen die liberale Richtung störend mit, da der Speculant, um den es sich handelt, der Naturwahrheit völlig unbeschadet eben so gut ein Conservativer als ein Radicaler sein könnte; aber die behagliche Schalkhaftigkeit aller andern Partieen überwiegt glücklich diesen unliebsamen tendenziösen Zug, und der unerwartet versöhnende und gutherzige Schluß entläßt uns mit dem heitersten Eindrücke. Noch erübrigt uns, die mundartlichen Ausdrücke, welche Gotthelf in sein mitunter ziemlich krauses Hochdeutsch einzuflechten pflegt, so weit als nöthig zu erklären: Seimeisterin: seien heißt im Berner Oberlande ein Gemeingut nach der Zahl der Kühe schätzen, die es ernähren kann. — Ihns (mit nasalem i gesprochen) ist der Accusativ des persönlichen Es, das auf Diminutivnamen, z B. das Vreneli, aber auch auf Thiernamen, die im Neutrum stehen, z. B. das Eichhorn u. dgl., sich bezieht; kommt bekanntlich auch bei Hebel vor. — Währschaft: entweder, was währt oder, was gewährleistet werden kann; dauerhaft, tüchtig, derb. — Werweisen : in der Irre gehen, unentschieden schwanken, im Zweifel sein. — Von wegen: denn. — Ringgeln: schnallen, festschnüren. — Bessern: besser werden. — z'Best; z'Sach: das Beste; die Sache. — Wo wird auch für das Relativpronomen gebraucht. <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0008"/> einem der späteren Bände eine sehr merkwürdige und dem Charakter nach ganz alleinstehende Dichtung G.‘s, seinen „Kurt von Koppigen“, zu bringen, freuen wir uns, bei der Armuth unserer Literatur an echt humoristischen Erzählungen, unserem Novellenschatz eine kleine „Stadtgeschichte“ einfügen zu können, die von Allem, was G. geschrieben, dem Begriff der eigentlichen Novelle am nächsten kommen dürfte und eine sehr lustige Erfindung in glücklichster Weise durchführt. Zwar wirkt auch hier die unausbleibliche Säure gegen die liberale Richtung störend mit, da der Speculant, um den es sich handelt, der Naturwahrheit völlig unbeschadet eben so gut ein Conservativer als ein Radicaler sein könnte; aber die behagliche Schalkhaftigkeit aller andern Partieen überwiegt glücklich diesen unliebsamen tendenziösen Zug, und der unerwartet versöhnende und gutherzige Schluß entläßt uns mit dem heitersten Eindrücke.</p><lb/> <p>Noch erübrigt uns, die mundartlichen Ausdrücke, welche Gotthelf in sein mitunter ziemlich krauses Hochdeutsch einzuflechten pflegt, so weit als nöthig zu erklären:</p><lb/> <p>Seimeisterin: seien heißt im Berner Oberlande ein Gemeingut nach der Zahl der Kühe schätzen, die es ernähren kann. — Ihns (mit nasalem i gesprochen) ist der Accusativ des persönlichen Es, das auf Diminutivnamen, z B. das Vreneli, aber auch auf Thiernamen, die im Neutrum stehen, z. B. das Eichhorn u. dgl., sich bezieht; kommt bekanntlich auch bei Hebel vor. — Währschaft: entweder, was währt oder, was gewährleistet werden kann; dauerhaft, tüchtig, derb. — Werweisen : in der Irre gehen, unentschieden schwanken, im Zweifel sein. — Von wegen: denn. — Ringgeln: schnallen, festschnüren. — Bessern: besser werden. — z'Best; z'Sach: das Beste; die Sache. — Wo wird auch für das Relativpronomen gebraucht.</p><lb/> </div> </front> </text> </TEI> [0008]
einem der späteren Bände eine sehr merkwürdige und dem Charakter nach ganz alleinstehende Dichtung G.‘s, seinen „Kurt von Koppigen“, zu bringen, freuen wir uns, bei der Armuth unserer Literatur an echt humoristischen Erzählungen, unserem Novellenschatz eine kleine „Stadtgeschichte“ einfügen zu können, die von Allem, was G. geschrieben, dem Begriff der eigentlichen Novelle am nächsten kommen dürfte und eine sehr lustige Erfindung in glücklichster Weise durchführt. Zwar wirkt auch hier die unausbleibliche Säure gegen die liberale Richtung störend mit, da der Speculant, um den es sich handelt, der Naturwahrheit völlig unbeschadet eben so gut ein Conservativer als ein Radicaler sein könnte; aber die behagliche Schalkhaftigkeit aller andern Partieen überwiegt glücklich diesen unliebsamen tendenziösen Zug, und der unerwartet versöhnende und gutherzige Schluß entläßt uns mit dem heitersten Eindrücke.
Noch erübrigt uns, die mundartlichen Ausdrücke, welche Gotthelf in sein mitunter ziemlich krauses Hochdeutsch einzuflechten pflegt, so weit als nöthig zu erklären:
Seimeisterin: seien heißt im Berner Oberlande ein Gemeingut nach der Zahl der Kühe schätzen, die es ernähren kann. — Ihns (mit nasalem i gesprochen) ist der Accusativ des persönlichen Es, das auf Diminutivnamen, z B. das Vreneli, aber auch auf Thiernamen, die im Neutrum stehen, z. B. das Eichhorn u. dgl., sich bezieht; kommt bekanntlich auch bei Hebel vor. — Währschaft: entweder, was währt oder, was gewährleistet werden kann; dauerhaft, tüchtig, derb. — Werweisen : in der Irre gehen, unentschieden schwanken, im Zweifel sein. — Von wegen: denn. — Ringgeln: schnallen, festschnüren. — Bessern: besser werden. — z'Best; z'Sach: das Beste; die Sache. — Wo wird auch für das Relativpronomen gebraucht.
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Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_notar_1910/8>, abgerufen am 04.07.2024. |