Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.so begingen sie diese Sünde selten, und geschah es einmal, so machten sie dieselbe alsbald durch verdoppelte Anstrengung wieder gut. Ostern bezeichnete ihnen bloß den Frühlingsanfang. Schon glaubte Frau Grimhilde, der Plan sei aufgegeben, und ärgerte sich bitterlich über den Hengst, der sie gefährde und nichts nütze. Ein schöner Aprilmorgen war es, als Kurt eine doppelte Portion Hafermuß, zu welchem der Hafer nicht auf ihren Feldern gewachsen war, verzehrte, ein gewaltig Stück Fleisch verschlang; denn er wußte nicht, wann er wieder zum Essen kam; Jürg sattelte ihm den Hengst, es war der Tag des Aufbruches. Als er gegessen hatte, im Nothfalle für einige Tage, kündete er der Mutter seine Abfahrt an. Potz blind blau, wie loderte die Frau, spie Feuer und Flammen und sagte, wer Meister sei im Schlößchen. Kurt der Gewaltige schlotterte und wäre daheim geblieben, aber Jürg war nicht auf den Kopf gefallen, er sagte, sein erschlagener Herr wolle es, daß Kurt fortreite, er sehe ihn täglich im Stalle. Wenn die Frau es verhindere, so müsse sie sich gefaßt machen, was geschehe, er für sich wolle keine Schuld haben, aber wenn er was zu rathen hätte, so solle Kurt machen, daß er fort komme; Frau Grimhilde war nun nicht die, welche von ihrem Willen alsbald abstand, welche zugab, sie fürchte sich vor irgend einem Mann, sei es ein Lebendiger oder ein Todter. Indessen brauchte sie nicht Gewalt, schlug die Thore nicht zu, ließ Kurt ungefährdet ziehen. Als so begingen sie diese Sünde selten, und geschah es einmal, so machten sie dieselbe alsbald durch verdoppelte Anstrengung wieder gut. Ostern bezeichnete ihnen bloß den Frühlingsanfang. Schon glaubte Frau Grimhilde, der Plan sei aufgegeben, und ärgerte sich bitterlich über den Hengst, der sie gefährde und nichts nütze. Ein schöner Aprilmorgen war es, als Kurt eine doppelte Portion Hafermuß, zu welchem der Hafer nicht auf ihren Feldern gewachsen war, verzehrte, ein gewaltig Stück Fleisch verschlang; denn er wußte nicht, wann er wieder zum Essen kam; Jürg sattelte ihm den Hengst, es war der Tag des Aufbruches. Als er gegessen hatte, im Nothfalle für einige Tage, kündete er der Mutter seine Abfahrt an. Potz blind blau, wie loderte die Frau, spie Feuer und Flammen und sagte, wer Meister sei im Schlößchen. Kurt der Gewaltige schlotterte und wäre daheim geblieben, aber Jürg war nicht auf den Kopf gefallen, er sagte, sein erschlagener Herr wolle es, daß Kurt fortreite, er sehe ihn täglich im Stalle. Wenn die Frau es verhindere, so müsse sie sich gefaßt machen, was geschehe, er für sich wolle keine Schuld haben, aber wenn er was zu rathen hätte, so solle Kurt machen, daß er fort komme; Frau Grimhilde war nun nicht die, welche von ihrem Willen alsbald abstand, welche zugab, sie fürchte sich vor irgend einem Mann, sei es ein Lebendiger oder ein Todter. Indessen brauchte sie nicht Gewalt, schlug die Thore nicht zu, ließ Kurt ungefährdet ziehen. Als <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0035"/> so begingen sie diese Sünde selten, und geschah es einmal, so machten sie dieselbe alsbald durch verdoppelte Anstrengung wieder gut. Ostern bezeichnete ihnen bloß den Frühlingsanfang. Schon glaubte Frau Grimhilde, der Plan sei aufgegeben, und ärgerte sich bitterlich über den Hengst, der sie gefährde und nichts nütze.</p><lb/> <p>Ein schöner Aprilmorgen war es, als Kurt eine doppelte Portion Hafermuß, zu welchem der Hafer nicht auf ihren Feldern gewachsen war, verzehrte, ein gewaltig Stück Fleisch verschlang; denn er wußte nicht, wann er wieder zum Essen kam; Jürg sattelte ihm den Hengst, es war der Tag des Aufbruches. Als er gegessen hatte, im Nothfalle für einige Tage, kündete er der Mutter seine Abfahrt an. Potz blind blau, wie loderte die Frau, spie Feuer und Flammen und sagte, wer Meister sei im Schlößchen. Kurt der Gewaltige schlotterte und wäre daheim geblieben, aber Jürg war nicht auf den Kopf gefallen, er sagte, sein erschlagener Herr wolle es, daß Kurt fortreite, er sehe ihn täglich im Stalle. Wenn die Frau es verhindere, so müsse sie sich gefaßt machen, was geschehe, er für sich wolle keine Schuld haben, aber wenn er was zu rathen hätte, so solle Kurt machen, daß er fort komme; Frau Grimhilde war nun nicht die, welche von ihrem Willen alsbald abstand, welche zugab, sie fürchte sich vor irgend einem Mann, sei es ein Lebendiger oder ein Todter. Indessen brauchte sie nicht Gewalt, schlug die Thore nicht zu, ließ Kurt ungefährdet ziehen. Als<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0035]
so begingen sie diese Sünde selten, und geschah es einmal, so machten sie dieselbe alsbald durch verdoppelte Anstrengung wieder gut. Ostern bezeichnete ihnen bloß den Frühlingsanfang. Schon glaubte Frau Grimhilde, der Plan sei aufgegeben, und ärgerte sich bitterlich über den Hengst, der sie gefährde und nichts nütze.
Ein schöner Aprilmorgen war es, als Kurt eine doppelte Portion Hafermuß, zu welchem der Hafer nicht auf ihren Feldern gewachsen war, verzehrte, ein gewaltig Stück Fleisch verschlang; denn er wußte nicht, wann er wieder zum Essen kam; Jürg sattelte ihm den Hengst, es war der Tag des Aufbruches. Als er gegessen hatte, im Nothfalle für einige Tage, kündete er der Mutter seine Abfahrt an. Potz blind blau, wie loderte die Frau, spie Feuer und Flammen und sagte, wer Meister sei im Schlößchen. Kurt der Gewaltige schlotterte und wäre daheim geblieben, aber Jürg war nicht auf den Kopf gefallen, er sagte, sein erschlagener Herr wolle es, daß Kurt fortreite, er sehe ihn täglich im Stalle. Wenn die Frau es verhindere, so müsse sie sich gefaßt machen, was geschehe, er für sich wolle keine Schuld haben, aber wenn er was zu rathen hätte, so solle Kurt machen, daß er fort komme; Frau Grimhilde war nun nicht die, welche von ihrem Willen alsbald abstand, welche zugab, sie fürchte sich vor irgend einem Mann, sei es ein Lebendiger oder ein Todter. Indessen brauchte sie nicht Gewalt, schlug die Thore nicht zu, ließ Kurt ungefährdet ziehen. Als
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/35 |
Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/35>, abgerufen am 27.07.2024. |