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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Eicheln. Das waren so kurzweilige Mittel, einen langen Winter zu verkürzen, daß mancher laichende Lachs mit dem Leben wieder zur Aar und von da weiter kam, statt in Koppigen verspeis't zu werden, mancher Eber die nächsten Eicheln noch erlebte und Wölfe ungestraft brüllten in der Nähe. Endlich dämmerte der Frühling, die günstige Zeit, dem Glück entgegenzureiten, nahte. Der Junker war fertig genagelt und gefeilt, sogar ziemlich eingehauen, nur Eins fehlte, um auszureiten, und welches in der That für Jemand, der ausreiten will, von ziemlicher Bedeutung ist, ein Pferd nämlich. Vor alten Zeiten waren Pferde in Koppigen gewesen, aber längst den Weg alles Fleisches gegangen, andere zu kaufen hatte man kein Geld, sie zu stehlen war die Gefahr größer als bis dahin das Bedürfniß. Jetzt war das Bedürfniß da, und wenn Kurt gleich mit dem Raub weiter ritt in die weite Welt hinaus, die Gefahr nicht groß. Jetzt war Noth am Mann, jetzt mußte eins gestohlen werden, ohne Roß konnte begreiflich der Junker nicht ausreiten, die Welt zu erobern. Guter Rath war theuer. Denn zum Pferdestehlen war die Zeit gar zu ungünstig. Bekanntlich stiehlt man Pferde am Leichtesten von der Weide; aus wohlverwahrten Ställen aber in aller Stille einen Hengst zu bringen von bekannten Stuten weg und mit unbekannten Händen, ist ein vermessenes Stücklein. Gern hätte Jürg für seinen Zögling einen rechten Staatshengst gehabt, einen Aus-

Eicheln. Das waren so kurzweilige Mittel, einen langen Winter zu verkürzen, daß mancher laichende Lachs mit dem Leben wieder zur Aar und von da weiter kam, statt in Koppigen verspeis't zu werden, mancher Eber die nächsten Eicheln noch erlebte und Wölfe ungestraft brüllten in der Nähe. Endlich dämmerte der Frühling, die günstige Zeit, dem Glück entgegenzureiten, nahte. Der Junker war fertig genagelt und gefeilt, sogar ziemlich eingehauen, nur Eins fehlte, um auszureiten, und welches in der That für Jemand, der ausreiten will, von ziemlicher Bedeutung ist, ein Pferd nämlich. Vor alten Zeiten waren Pferde in Koppigen gewesen, aber längst den Weg alles Fleisches gegangen, andere zu kaufen hatte man kein Geld, sie zu stehlen war die Gefahr größer als bis dahin das Bedürfniß. Jetzt war das Bedürfniß da, und wenn Kurt gleich mit dem Raub weiter ritt in die weite Welt hinaus, die Gefahr nicht groß. Jetzt war Noth am Mann, jetzt mußte eins gestohlen werden, ohne Roß konnte begreiflich der Junker nicht ausreiten, die Welt zu erobern. Guter Rath war theuer. Denn zum Pferdestehlen war die Zeit gar zu ungünstig. Bekanntlich stiehlt man Pferde am Leichtesten von der Weide; aus wohlverwahrten Ställen aber in aller Stille einen Hengst zu bringen von bekannten Stuten weg und mit unbekannten Händen, ist ein vermessenes Stücklein. Gern hätte Jürg für seinen Zögling einen rechten Staatshengst gehabt, einen Aus-

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[0029] Eicheln. Das waren so kurzweilige Mittel, einen langen Winter zu verkürzen, daß mancher laichende Lachs mit dem Leben wieder zur Aar und von da weiter kam, statt in Koppigen verspeis't zu werden, mancher Eber die nächsten Eicheln noch erlebte und Wölfe ungestraft brüllten in der Nähe. Endlich dämmerte der Frühling, die günstige Zeit, dem Glück entgegenzureiten, nahte. Der Junker war fertig genagelt und gefeilt, sogar ziemlich eingehauen, nur Eins fehlte, um auszureiten, und welches in der That für Jemand, der ausreiten will, von ziemlicher Bedeutung ist, ein Pferd nämlich. Vor alten Zeiten waren Pferde in Koppigen gewesen, aber längst den Weg alles Fleisches gegangen, andere zu kaufen hatte man kein Geld, sie zu stehlen war die Gefahr größer als bis dahin das Bedürfniß. Jetzt war das Bedürfniß da, und wenn Kurt gleich mit dem Raub weiter ritt in die weite Welt hinaus, die Gefahr nicht groß. Jetzt war Noth am Mann, jetzt mußte eins gestohlen werden, ohne Roß konnte begreiflich der Junker nicht ausreiten, die Welt zu erobern. Guter Rath war theuer. Denn zum Pferdestehlen war die Zeit gar zu ungünstig. Bekanntlich stiehlt man Pferde am Leichtesten von der Weide; aus wohlverwahrten Ställen aber in aller Stille einen Hengst zu bringen von bekannten Stuten weg und mit unbekannten Händen, ist ein vermessenes Stücklein. Gern hätte Jürg für seinen Zögling einen rechten Staatshengst gehabt, einen Aus-

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/29>, abgerufen am 28.03.2024.