Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ihnen entgegenzureiten. Daß die Gegend unsicher sei, war zwar bekannt, aber daß die Strauchritter die Tollkühnheit haben sollten, über einen solchen Zug herzufallen, daran dachte man nicht. Bei allzu langem Ausbleiben von Freunden entsteht ein allgemeines Bangen, und in hunderterlei Gestalten stellt sich das Unglück dar, welches ihnen, wie man glaubt, begegnet sein muß, bis sie wohlbehalten vor einem stehen, oder von Etwas betroffen, an das man eben gar nicht gedacht. In der kalten Winternacht ritten die Herren scharf, und gut war's, denn noch waren sie oberhalb Bätterkinden, als die Flüchtlinge sie ansprengten und Kunde brachten vom Ueberfall. Da spornten sie die Rosse zum schnellsten Lauf, verjagten die Räuber, und wer der Gegend in etwas kundig war, jagte dem Geräusch der Fliehenden nach; sie fingen jedoch Niemanden, denn die Räuber kannten die Gegend doch noch besser, und bei Nacht und Nebel durch Sumpf und Busch, Fluß und Wald Fliehende verfolgen, ist ein schlimmes Unternehmen, welches man aufgiebt, sobald man kann. Da die Verfolger so nahe hinter ihnen waren, ritt Kurt, um der allgemeinen Sicherheit willen, nicht auf die Hütte zu, sondern hielt sich rechts weiter hinauf. Die Rache kochte in seinem Herzen, blutig sollte sie sein, das nahm er sich vor, und noch in dieser Nacht wollte er sie vollziehen. Die verfolgenden Feinde blieben zurück; Kurt ließ ab vom harten Jagen, und in dem Maße, als ihnen entgegenzureiten. Daß die Gegend unsicher sei, war zwar bekannt, aber daß die Strauchritter die Tollkühnheit haben sollten, über einen solchen Zug herzufallen, daran dachte man nicht. Bei allzu langem Ausbleiben von Freunden entsteht ein allgemeines Bangen, und in hunderterlei Gestalten stellt sich das Unglück dar, welches ihnen, wie man glaubt, begegnet sein muß, bis sie wohlbehalten vor einem stehen, oder von Etwas betroffen, an das man eben gar nicht gedacht. In der kalten Winternacht ritten die Herren scharf, und gut war's, denn noch waren sie oberhalb Bätterkinden, als die Flüchtlinge sie ansprengten und Kunde brachten vom Ueberfall. Da spornten sie die Rosse zum schnellsten Lauf, verjagten die Räuber, und wer der Gegend in etwas kundig war, jagte dem Geräusch der Fliehenden nach; sie fingen jedoch Niemanden, denn die Räuber kannten die Gegend doch noch besser, und bei Nacht und Nebel durch Sumpf und Busch, Fluß und Wald Fliehende verfolgen, ist ein schlimmes Unternehmen, welches man aufgiebt, sobald man kann. Da die Verfolger so nahe hinter ihnen waren, ritt Kurt, um der allgemeinen Sicherheit willen, nicht auf die Hütte zu, sondern hielt sich rechts weiter hinauf. Die Rache kochte in seinem Herzen, blutig sollte sie sein, das nahm er sich vor, und noch in dieser Nacht wollte er sie vollziehen. Die verfolgenden Feinde blieben zurück; Kurt ließ ab vom harten Jagen, und in dem Maße, als <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0166"/> ihnen entgegenzureiten. Daß die Gegend unsicher sei, war zwar bekannt, aber daß die Strauchritter die Tollkühnheit haben sollten, über einen solchen Zug herzufallen, daran dachte man nicht.</p><lb/> <p>Bei allzu langem Ausbleiben von Freunden entsteht ein allgemeines Bangen, und in hunderterlei Gestalten stellt sich das Unglück dar, welches ihnen, wie man glaubt, begegnet sein muß, bis sie wohlbehalten vor einem stehen, oder von Etwas betroffen, an das man eben gar nicht gedacht. In der kalten Winternacht ritten die Herren scharf, und gut war's, denn noch waren sie oberhalb Bätterkinden, als die Flüchtlinge sie ansprengten und Kunde brachten vom Ueberfall. Da spornten sie die Rosse zum schnellsten Lauf, verjagten die Räuber, und wer der Gegend in etwas kundig war, jagte dem Geräusch der Fliehenden nach; sie fingen jedoch Niemanden, denn die Räuber kannten die Gegend doch noch besser, und bei Nacht und Nebel durch Sumpf und Busch, Fluß und Wald Fliehende verfolgen, ist ein schlimmes Unternehmen, welches man aufgiebt, sobald man kann. Da die Verfolger so nahe hinter ihnen waren, ritt Kurt, um der allgemeinen Sicherheit willen, nicht auf die Hütte zu, sondern hielt sich rechts weiter hinauf. Die Rache kochte in seinem Herzen, blutig sollte sie sein, das nahm er sich vor, und noch in dieser Nacht wollte er sie vollziehen.</p><lb/> <p>Die verfolgenden Feinde blieben zurück; Kurt ließ ab vom harten Jagen, und in dem Maße, als<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0166]
ihnen entgegenzureiten. Daß die Gegend unsicher sei, war zwar bekannt, aber daß die Strauchritter die Tollkühnheit haben sollten, über einen solchen Zug herzufallen, daran dachte man nicht.
Bei allzu langem Ausbleiben von Freunden entsteht ein allgemeines Bangen, und in hunderterlei Gestalten stellt sich das Unglück dar, welches ihnen, wie man glaubt, begegnet sein muß, bis sie wohlbehalten vor einem stehen, oder von Etwas betroffen, an das man eben gar nicht gedacht. In der kalten Winternacht ritten die Herren scharf, und gut war's, denn noch waren sie oberhalb Bätterkinden, als die Flüchtlinge sie ansprengten und Kunde brachten vom Ueberfall. Da spornten sie die Rosse zum schnellsten Lauf, verjagten die Räuber, und wer der Gegend in etwas kundig war, jagte dem Geräusch der Fliehenden nach; sie fingen jedoch Niemanden, denn die Räuber kannten die Gegend doch noch besser, und bei Nacht und Nebel durch Sumpf und Busch, Fluß und Wald Fliehende verfolgen, ist ein schlimmes Unternehmen, welches man aufgiebt, sobald man kann. Da die Verfolger so nahe hinter ihnen waren, ritt Kurt, um der allgemeinen Sicherheit willen, nicht auf die Hütte zu, sondern hielt sich rechts weiter hinauf. Die Rache kochte in seinem Herzen, blutig sollte sie sein, das nahm er sich vor, und noch in dieser Nacht wollte er sie vollziehen.
Die verfolgenden Feinde blieben zurück; Kurt ließ ab vom harten Jagen, und in dem Maße, als
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Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/166>, abgerufen am 16.02.2025. |