Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Vermittelung. Wir wollen nun nicht sagen, die Berner seien der ächten Vermittelung mehr zugethan gewesen als die Solothurner, und die Welt sei weniger mächtig über sie gewesen, sondern bloß das wollen wir sagen, daß die Berner für Wünsche der Klosterfrauen weniger Sinn gehabt, der Ehrgeiz war mächtig in ihnen, und in dessen Dienste ging ihnen Anstrengung über Genuß, sie entschuldigten sich daher gar zu oft bei anderweitigen Ansprüchen mit Mangel an Zeit und wichtigen Geschäften; freilich war es selbst dazumal bloßer Vorwand, indem sie an einem bequemen Behagen viel wohler lebten, als an einem Genusse, der etwelche Bewegung erforderte. Der Berner, welcher nach dem fünfzigsten Jahre noch den Narren mit Tanzen macht, ist ein rarer Vogel und muß stark blonde Haare haben. Wenn an andern Orten im Lande der Nebel einem Erbsmuß gleicht, so ist er in Solothurn accurat wie eine Chocoladecreme, Geruch und Geschmack ausgenommen. Ein solcher Nebel ist keiner Reise förderlich, sondern macht schwerfällig, legt sich wie Blei über jede Bewegung, lähmte sogar die Köchinnen, welche die Vorräthe bereiteten, welche die edlen Herren mitzunehmen gedachten. Es war nämlich nicht ein Ritt hungriger Ritter, welche wie Heuschrecken über ein Kloster herfallen wollten und, einmal eingebrochen, nicht abzogen, bis der letzte Bissen gegessen, der letzte Tropfen aus dem Keller getrunken war. Es waren Vermittelung. Wir wollen nun nicht sagen, die Berner seien der ächten Vermittelung mehr zugethan gewesen als die Solothurner, und die Welt sei weniger mächtig über sie gewesen, sondern bloß das wollen wir sagen, daß die Berner für Wünsche der Klosterfrauen weniger Sinn gehabt, der Ehrgeiz war mächtig in ihnen, und in dessen Dienste ging ihnen Anstrengung über Genuß, sie entschuldigten sich daher gar zu oft bei anderweitigen Ansprüchen mit Mangel an Zeit und wichtigen Geschäften; freilich war es selbst dazumal bloßer Vorwand, indem sie an einem bequemen Behagen viel wohler lebten, als an einem Genusse, der etwelche Bewegung erforderte. Der Berner, welcher nach dem fünfzigsten Jahre noch den Narren mit Tanzen macht, ist ein rarer Vogel und muß stark blonde Haare haben. Wenn an andern Orten im Lande der Nebel einem Erbsmuß gleicht, so ist er in Solothurn accurat wie eine Chocoladecreme, Geruch und Geschmack ausgenommen. Ein solcher Nebel ist keiner Reise förderlich, sondern macht schwerfällig, legt sich wie Blei über jede Bewegung, lähmte sogar die Köchinnen, welche die Vorräthe bereiteten, welche die edlen Herren mitzunehmen gedachten. Es war nämlich nicht ein Ritt hungriger Ritter, welche wie Heuschrecken über ein Kloster herfallen wollten und, einmal eingebrochen, nicht abzogen, bis der letzte Bissen gegessen, der letzte Tropfen aus dem Keller getrunken war. Es waren <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0160"/> Vermittelung. Wir wollen nun nicht sagen, die Berner seien der ächten Vermittelung mehr zugethan gewesen als die Solothurner, und die Welt sei weniger mächtig über sie gewesen, sondern bloß das wollen wir sagen, daß die Berner für Wünsche der Klosterfrauen weniger Sinn gehabt, der Ehrgeiz war mächtig in ihnen, und in dessen Dienste ging ihnen Anstrengung über Genuß, sie entschuldigten sich daher gar zu oft bei anderweitigen Ansprüchen mit Mangel an Zeit und wichtigen Geschäften; freilich war es selbst dazumal bloßer Vorwand, indem sie an einem bequemen Behagen viel wohler lebten, als an einem Genusse, der etwelche Bewegung erforderte. Der Berner, welcher nach dem fünfzigsten Jahre noch den Narren mit Tanzen macht, ist ein rarer Vogel und muß stark blonde Haare haben.</p><lb/> <p>Wenn an andern Orten im Lande der Nebel einem Erbsmuß gleicht, so ist er in Solothurn accurat wie eine Chocoladecreme, Geruch und Geschmack ausgenommen. Ein solcher Nebel ist keiner Reise förderlich, sondern macht schwerfällig, legt sich wie Blei über jede Bewegung, lähmte sogar die Köchinnen, welche die Vorräthe bereiteten, welche die edlen Herren mitzunehmen gedachten. Es war nämlich nicht ein Ritt hungriger Ritter, welche wie Heuschrecken über ein Kloster herfallen wollten und, einmal eingebrochen, nicht abzogen, bis der letzte Bissen gegessen, der letzte Tropfen aus dem Keller getrunken war. Es waren<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0160]
Vermittelung. Wir wollen nun nicht sagen, die Berner seien der ächten Vermittelung mehr zugethan gewesen als die Solothurner, und die Welt sei weniger mächtig über sie gewesen, sondern bloß das wollen wir sagen, daß die Berner für Wünsche der Klosterfrauen weniger Sinn gehabt, der Ehrgeiz war mächtig in ihnen, und in dessen Dienste ging ihnen Anstrengung über Genuß, sie entschuldigten sich daher gar zu oft bei anderweitigen Ansprüchen mit Mangel an Zeit und wichtigen Geschäften; freilich war es selbst dazumal bloßer Vorwand, indem sie an einem bequemen Behagen viel wohler lebten, als an einem Genusse, der etwelche Bewegung erforderte. Der Berner, welcher nach dem fünfzigsten Jahre noch den Narren mit Tanzen macht, ist ein rarer Vogel und muß stark blonde Haare haben.
Wenn an andern Orten im Lande der Nebel einem Erbsmuß gleicht, so ist er in Solothurn accurat wie eine Chocoladecreme, Geruch und Geschmack ausgenommen. Ein solcher Nebel ist keiner Reise förderlich, sondern macht schwerfällig, legt sich wie Blei über jede Bewegung, lähmte sogar die Köchinnen, welche die Vorräthe bereiteten, welche die edlen Herren mitzunehmen gedachten. Es war nämlich nicht ein Ritt hungriger Ritter, welche wie Heuschrecken über ein Kloster herfallen wollten und, einmal eingebrochen, nicht abzogen, bis der letzte Bissen gegessen, der letzte Tropfen aus dem Keller getrunken war. Es waren
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Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/160>, abgerufen am 16.02.2025. |