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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Schlange sei oder ein Tiger, weiß man nicht, aber ängstlich sieht man nach allen Seiten, von welcher es kommen wolle, und wenn nirgends was sich rührt, so bleibt das Auge haften auf dem Menschen, welcher da sitzt, als wenn dieser Mensch das Gebüsch wäre, aus welchem das wilde Thier brechen müsse. -- Die zweite Person stellte eine Frau vor mit sieben Kröpfen rings um den Hals, schwammigem Gesicht, plumper Gestalt, Schweinsaugen im Gesichte, eine viereckige Nase darunter, und darunter ein Maul weit geschlitzt und tief, fast hätte man ein einspännig Fuhrwerk darin wenden können. In solch widerwärtigen, viereckigen, schwammigen, weiblichen Gestalten mit Schweinsaugen wohnt gewöhnlich eine grausame, erbarmungslose Seele. -- Die dritte Person war schlank und hoch, gelblichblaß das Gesicht, Augen darin, von denen man selten recht wußte, wollten sie Feuer sprühen oder Thränen weinen, einen fest geschlossenen Mund unter einer geraden Nase. In der ganzen Person war etwas Fremdartiges, als ob sie als eine Art Meteorstein durch den Rauchfang herabgefahren wäre, und doch war es die Tochter des obenbeschriebenen Ehepaares, welche mit ihren Eltern hier häufte und Fische verkaufte in Solothurn, wo man etwas Gutes von jeher liebte, besonders wenn es nicht viel kostete, und noch mehr liebte, wenn es gar nichts kostete. Wenn irgend ein Platz in der lieben Eidgenossenschaft (welche damals freilich noch keine war) zu einer

Schlange sei oder ein Tiger, weiß man nicht, aber ängstlich sieht man nach allen Seiten, von welcher es kommen wolle, und wenn nirgends was sich rührt, so bleibt das Auge haften auf dem Menschen, welcher da sitzt, als wenn dieser Mensch das Gebüsch wäre, aus welchem das wilde Thier brechen müsse. — Die zweite Person stellte eine Frau vor mit sieben Kröpfen rings um den Hals, schwammigem Gesicht, plumper Gestalt, Schweinsaugen im Gesichte, eine viereckige Nase darunter, und darunter ein Maul weit geschlitzt und tief, fast hätte man ein einspännig Fuhrwerk darin wenden können. In solch widerwärtigen, viereckigen, schwammigen, weiblichen Gestalten mit Schweinsaugen wohnt gewöhnlich eine grausame, erbarmungslose Seele. — Die dritte Person war schlank und hoch, gelblichblaß das Gesicht, Augen darin, von denen man selten recht wußte, wollten sie Feuer sprühen oder Thränen weinen, einen fest geschlossenen Mund unter einer geraden Nase. In der ganzen Person war etwas Fremdartiges, als ob sie als eine Art Meteorstein durch den Rauchfang herabgefahren wäre, und doch war es die Tochter des obenbeschriebenen Ehepaares, welche mit ihren Eltern hier häufte und Fische verkaufte in Solothurn, wo man etwas Gutes von jeher liebte, besonders wenn es nicht viel kostete, und noch mehr liebte, wenn es gar nichts kostete. Wenn irgend ein Platz in der lieben Eidgenossenschaft (welche damals freilich noch keine war) zu einer

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[0136] Schlange sei oder ein Tiger, weiß man nicht, aber ängstlich sieht man nach allen Seiten, von welcher es kommen wolle, und wenn nirgends was sich rührt, so bleibt das Auge haften auf dem Menschen, welcher da sitzt, als wenn dieser Mensch das Gebüsch wäre, aus welchem das wilde Thier brechen müsse. — Die zweite Person stellte eine Frau vor mit sieben Kröpfen rings um den Hals, schwammigem Gesicht, plumper Gestalt, Schweinsaugen im Gesichte, eine viereckige Nase darunter, und darunter ein Maul weit geschlitzt und tief, fast hätte man ein einspännig Fuhrwerk darin wenden können. In solch widerwärtigen, viereckigen, schwammigen, weiblichen Gestalten mit Schweinsaugen wohnt gewöhnlich eine grausame, erbarmungslose Seele. — Die dritte Person war schlank und hoch, gelblichblaß das Gesicht, Augen darin, von denen man selten recht wußte, wollten sie Feuer sprühen oder Thränen weinen, einen fest geschlossenen Mund unter einer geraden Nase. In der ganzen Person war etwas Fremdartiges, als ob sie als eine Art Meteorstein durch den Rauchfang herabgefahren wäre, und doch war es die Tochter des obenbeschriebenen Ehepaares, welche mit ihren Eltern hier häufte und Fische verkaufte in Solothurn, wo man etwas Gutes von jeher liebte, besonders wenn es nicht viel kostete, und noch mehr liebte, wenn es gar nichts kostete. Wenn irgend ein Platz in der lieben Eidgenossenschaft (welche damals freilich noch keine war) zu einer

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:57:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:57:28Z)

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/136>, abgerufen am 25.11.2024.