Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

etwas ganz Anderes ist's, zwischen Mutter und Frau zu stehen, wenn diese Feuer geben; nun hatte Kurt gewissermaßen ein weiches Gemüth; wenn er ein Gesicht machte, daß eine siebenhundertjährige Eiche ein zartes Aussehen dagegen hatte, so war es eben nur, um darunter etwas Zartes zu verbergen, daß es Niemand merke; wäre er ein rechter Holzbock gewesen, wie man zu sagen pflegt, so hätte das Weibergezänk ihn so wenig berührt, als das Mühlrad im Schlafe den Müller stört, kaltblütig hätte er sie tschädern lassen nach Belieben. Nun aber, weil er eben kein Klotz war, Plagte ihn der ewige Krieg; es war ihm Nichts peinlicher, als wenn er bald der Einen, bald der Andern Recht geben sollte, Keine mit ihm zufrieden war, weil er sie nicht unbedingt im Recht fand; die Mutter ihn ausschimpfte, das Weib mit ihm schmollte. Die geistige Kraft, welche bei solcher Sachlage Ordnung schafft, hatte er nicht, er machte sich daher aus dem Staube, nahm die Flucht, d. h. er war je länger, je weniger daheim, sein Haus war seine Marterkammer. Das ist aber ein böses Mittel, das Fliehen, es hilft gar nichts, und am Ende gehen dabei Mann und Haus zu Grunde, und trotzdem wird dieses Mittel so oft angewandt. Es war Kurt leid und bange, wenn er einmal einen Tag daheim sein sollte, sein Schlößchen kam ihm so eng und unheimlich vor, daß ihm der Wald im wildesten Schneesturme ein viel anmuthigerer Aufenthalt war. Doch hatte Koppigen ein anderes

etwas ganz Anderes ist's, zwischen Mutter und Frau zu stehen, wenn diese Feuer geben; nun hatte Kurt gewissermaßen ein weiches Gemüth; wenn er ein Gesicht machte, daß eine siebenhundertjährige Eiche ein zartes Aussehen dagegen hatte, so war es eben nur, um darunter etwas Zartes zu verbergen, daß es Niemand merke; wäre er ein rechter Holzbock gewesen, wie man zu sagen pflegt, so hätte das Weibergezänk ihn so wenig berührt, als das Mühlrad im Schlafe den Müller stört, kaltblütig hätte er sie tschädern lassen nach Belieben. Nun aber, weil er eben kein Klotz war, Plagte ihn der ewige Krieg; es war ihm Nichts peinlicher, als wenn er bald der Einen, bald der Andern Recht geben sollte, Keine mit ihm zufrieden war, weil er sie nicht unbedingt im Recht fand; die Mutter ihn ausschimpfte, das Weib mit ihm schmollte. Die geistige Kraft, welche bei solcher Sachlage Ordnung schafft, hatte er nicht, er machte sich daher aus dem Staube, nahm die Flucht, d. h. er war je länger, je weniger daheim, sein Haus war seine Marterkammer. Das ist aber ein böses Mittel, das Fliehen, es hilft gar nichts, und am Ende gehen dabei Mann und Haus zu Grunde, und trotzdem wird dieses Mittel so oft angewandt. Es war Kurt leid und bange, wenn er einmal einen Tag daheim sein sollte, sein Schlößchen kam ihm so eng und unheimlich vor, daß ihm der Wald im wildesten Schneesturme ein viel anmuthigerer Aufenthalt war. Doch hatte Koppigen ein anderes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="0">
        <p><pb facs="#f0120"/>
etwas ganz Anderes ist's, zwischen Mutter und Frau zu stehen,                     wenn diese Feuer geben; nun hatte Kurt gewissermaßen ein weiches Gemüth; wenn er                     ein Gesicht machte, daß eine siebenhundertjährige Eiche ein zartes Aussehen                     dagegen hatte, so war es eben nur, um darunter etwas Zartes zu verbergen, daß es                     Niemand merke; wäre er ein rechter Holzbock gewesen, wie man zu sagen pflegt, so                     hätte das Weibergezänk ihn so wenig berührt, als das Mühlrad im Schlafe den                     Müller stört, kaltblütig hätte er sie tschädern lassen nach Belieben. Nun aber,                     weil er eben kein Klotz war, Plagte ihn der ewige Krieg; es war ihm Nichts                     peinlicher, als wenn er bald der Einen, bald der Andern Recht geben sollte,                     Keine mit ihm zufrieden war, weil er sie nicht unbedingt im Recht fand; die                     Mutter ihn ausschimpfte, das Weib mit ihm schmollte. Die geistige Kraft, welche                     bei solcher Sachlage Ordnung schafft, hatte er nicht, er machte sich daher aus                     dem Staube, nahm die Flucht, d. h. er war je länger, je weniger daheim, sein                     Haus war seine Marterkammer. Das ist aber ein böses Mittel, das Fliehen, es                     hilft gar nichts, und am Ende gehen dabei Mann und Haus zu Grunde, und trotzdem                     wird dieses Mittel so oft angewandt. Es war Kurt leid und bange, wenn er einmal                     einen Tag daheim sein sollte, sein Schlößchen kam ihm so eng und unheimlich vor,                     daß ihm der Wald im wildesten Schneesturme ein viel anmuthigerer Aufenthalt war.                     Doch hatte Koppigen ein anderes<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0120] etwas ganz Anderes ist's, zwischen Mutter und Frau zu stehen, wenn diese Feuer geben; nun hatte Kurt gewissermaßen ein weiches Gemüth; wenn er ein Gesicht machte, daß eine siebenhundertjährige Eiche ein zartes Aussehen dagegen hatte, so war es eben nur, um darunter etwas Zartes zu verbergen, daß es Niemand merke; wäre er ein rechter Holzbock gewesen, wie man zu sagen pflegt, so hätte das Weibergezänk ihn so wenig berührt, als das Mühlrad im Schlafe den Müller stört, kaltblütig hätte er sie tschädern lassen nach Belieben. Nun aber, weil er eben kein Klotz war, Plagte ihn der ewige Krieg; es war ihm Nichts peinlicher, als wenn er bald der Einen, bald der Andern Recht geben sollte, Keine mit ihm zufrieden war, weil er sie nicht unbedingt im Recht fand; die Mutter ihn ausschimpfte, das Weib mit ihm schmollte. Die geistige Kraft, welche bei solcher Sachlage Ordnung schafft, hatte er nicht, er machte sich daher aus dem Staube, nahm die Flucht, d. h. er war je länger, je weniger daheim, sein Haus war seine Marterkammer. Das ist aber ein böses Mittel, das Fliehen, es hilft gar nichts, und am Ende gehen dabei Mann und Haus zu Grunde, und trotzdem wird dieses Mittel so oft angewandt. Es war Kurt leid und bange, wenn er einmal einen Tag daheim sein sollte, sein Schlößchen kam ihm so eng und unheimlich vor, daß ihm der Wald im wildesten Schneesturme ein viel anmuthigerer Aufenthalt war. Doch hatte Koppigen ein anderes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:57:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:57:28Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/120
Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/120>, abgerufen am 04.05.2024.