Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Fräuleins herab mit souverainer Verachtung, weidete sich am Aerger, den sie haben müßten bei seinem Anblicke, wenn sie denken müßten, wie sie ihn ausgespottet, und wie er sie jetzt verhöhnen könnte. Er ritt gerne nach Solothurn, labte sich an dem dortigen Gerede und wie man laut sich wunderte, wie Der jetzt einem Grafen gleich geworden an Männlichkeit und Anstand, den man früher ganz anders gesehen. Je öfter er sich also zeigte, um zu zeigen, wer er jetzt sei, desto mehr schien es ihm, er erfülle eine Pflicht, die Pflicht, seinen und seines Geschlechtes Ruf herzustellen und wieder zu Ehren zu bringen. Während auf diese Weise Kurt seiner Pflicht nachritt, lagen die beiden Damen zu Hause ihren Pflichten ob Jede wollte treu sein, und Jede war eifrig, aber Jede auf ihre Weise. Sie bildeten gleichsam zwei Kammern: Frau Grimhilde die Pairskammer, Frau Agnes die Kammer der Gemeinen. Frau Grimhilde war eine geborene Gräfin, das öde Häuschen war das ihre sammt Grund und Boden. Frau Agnes war die Jüngere, bloß eines Edelknechts Tochter, hatte aber die Finanzen, und was ins Haus gebracht wurde, das schickte ihr Vater. Begreiflich nahm Frau Grimhilde das Hausrecht in Anspruch, die angestammte Würde, betrachtete die Sohnsfrau als einen Eindringling, die froh sein sollte, wenn man sie aus Gnaden duldete, nicht todtschlüge, behandelte sie als eine Magd und forderte dafür noch Dankbarkeit, weil sie doch dabei Fräuleins herab mit souverainer Verachtung, weidete sich am Aerger, den sie haben müßten bei seinem Anblicke, wenn sie denken müßten, wie sie ihn ausgespottet, und wie er sie jetzt verhöhnen könnte. Er ritt gerne nach Solothurn, labte sich an dem dortigen Gerede und wie man laut sich wunderte, wie Der jetzt einem Grafen gleich geworden an Männlichkeit und Anstand, den man früher ganz anders gesehen. Je öfter er sich also zeigte, um zu zeigen, wer er jetzt sei, desto mehr schien es ihm, er erfülle eine Pflicht, die Pflicht, seinen und seines Geschlechtes Ruf herzustellen und wieder zu Ehren zu bringen. Während auf diese Weise Kurt seiner Pflicht nachritt, lagen die beiden Damen zu Hause ihren Pflichten ob Jede wollte treu sein, und Jede war eifrig, aber Jede auf ihre Weise. Sie bildeten gleichsam zwei Kammern: Frau Grimhilde die Pairskammer, Frau Agnes die Kammer der Gemeinen. Frau Grimhilde war eine geborene Gräfin, das öde Häuschen war das ihre sammt Grund und Boden. Frau Agnes war die Jüngere, bloß eines Edelknechts Tochter, hatte aber die Finanzen, und was ins Haus gebracht wurde, das schickte ihr Vater. Begreiflich nahm Frau Grimhilde das Hausrecht in Anspruch, die angestammte Würde, betrachtete die Sohnsfrau als einen Eindringling, die froh sein sollte, wenn man sie aus Gnaden duldete, nicht todtschlüge, behandelte sie als eine Magd und forderte dafür noch Dankbarkeit, weil sie doch dabei <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0114"/> Fräuleins herab mit souverainer Verachtung, weidete sich am Aerger, den sie haben müßten bei seinem Anblicke, wenn sie denken müßten, wie sie ihn ausgespottet, und wie er sie jetzt verhöhnen könnte. Er ritt gerne nach Solothurn, labte sich an dem dortigen Gerede und wie man laut sich wunderte, wie Der jetzt einem Grafen gleich geworden an Männlichkeit und Anstand, den man früher ganz anders gesehen. Je öfter er sich also zeigte, um zu zeigen, wer er jetzt sei, desto mehr schien es ihm, er erfülle eine Pflicht, die Pflicht, seinen und seines Geschlechtes Ruf herzustellen und wieder zu Ehren zu bringen.</p><lb/> <p>Während auf diese Weise Kurt seiner Pflicht nachritt, lagen die beiden Damen zu Hause ihren Pflichten ob Jede wollte treu sein, und Jede war eifrig, aber Jede auf ihre Weise. Sie bildeten gleichsam zwei Kammern: Frau Grimhilde die Pairskammer, Frau Agnes die Kammer der Gemeinen. Frau Grimhilde war eine geborene Gräfin, das öde Häuschen war das ihre sammt Grund und Boden. Frau Agnes war die Jüngere, bloß eines Edelknechts Tochter, hatte aber die Finanzen, und was ins Haus gebracht wurde, das schickte ihr Vater. Begreiflich nahm Frau Grimhilde das Hausrecht in Anspruch, die angestammte Würde, betrachtete die Sohnsfrau als einen Eindringling, die froh sein sollte, wenn man sie aus Gnaden duldete, nicht todtschlüge, behandelte sie als eine Magd und forderte dafür noch Dankbarkeit, weil sie doch dabei<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0114]
Fräuleins herab mit souverainer Verachtung, weidete sich am Aerger, den sie haben müßten bei seinem Anblicke, wenn sie denken müßten, wie sie ihn ausgespottet, und wie er sie jetzt verhöhnen könnte. Er ritt gerne nach Solothurn, labte sich an dem dortigen Gerede und wie man laut sich wunderte, wie Der jetzt einem Grafen gleich geworden an Männlichkeit und Anstand, den man früher ganz anders gesehen. Je öfter er sich also zeigte, um zu zeigen, wer er jetzt sei, desto mehr schien es ihm, er erfülle eine Pflicht, die Pflicht, seinen und seines Geschlechtes Ruf herzustellen und wieder zu Ehren zu bringen.
Während auf diese Weise Kurt seiner Pflicht nachritt, lagen die beiden Damen zu Hause ihren Pflichten ob Jede wollte treu sein, und Jede war eifrig, aber Jede auf ihre Weise. Sie bildeten gleichsam zwei Kammern: Frau Grimhilde die Pairskammer, Frau Agnes die Kammer der Gemeinen. Frau Grimhilde war eine geborene Gräfin, das öde Häuschen war das ihre sammt Grund und Boden. Frau Agnes war die Jüngere, bloß eines Edelknechts Tochter, hatte aber die Finanzen, und was ins Haus gebracht wurde, das schickte ihr Vater. Begreiflich nahm Frau Grimhilde das Hausrecht in Anspruch, die angestammte Würde, betrachtete die Sohnsfrau als einen Eindringling, die froh sein sollte, wenn man sie aus Gnaden duldete, nicht todtschlüge, behandelte sie als eine Magd und forderte dafür noch Dankbarkeit, weil sie doch dabei
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Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/114>, abgerufen am 16.02.2025. |