Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Erbschleicher.
Schicksal hie und da auf meine Laufbahn gestreut
hat, mit mir theilen.
Gerhard (gerührt zu Justinen.) Und mich ver-
lassen?
Justine. Herr Gerhard --
Gerhard. Genug! -- (Zu Bieder.) Sie
rauben einem alten kranken Mann seine letzte
Stütze -- aber ich will -- ich darf kein Hin-
derniß Eures Glückes werden. -- Für deine
Ausstattung hast du nicht zu sorgen -- zieh hin!
Bieder. Tausend Dank, gütiger Mann!
Justine. Gott lohn' es Ihnen, als unserm
besten Freunde!
Gerhard (in Thränen.) O, wenn ich Euer
Freund bin -- wenn Ihr wüßtet, wie mir vor
dieser Trennung grauet -- ich habe niemanden
mehr, auf den ich mein Vertrauen setzen könnte
-- meine Kräfte nehmen täglich ab -- Gott
weiß, was aus mir werden wird -- Laßt mich
mit Euch ziehen! Nehmt mich auf in Eure Frey-
statt!
Bieder. Herr Gerhard, das ist wohl nur
hypochondrische Laune.
Gerhard. Der heisseste Wunsch meines Her-
zens!
Die Erbſchleicher.
Schickſal hie und da auf meine Laufbahn geſtreut
hat, mit mir theilen.
Gerhard (gerührt zu Juſtinen.) Und mich ver-
laſſen?
Juſtine. Herr Gerhard —
Gerhard. Genug! — (Zu Bieder.) Sie
rauben einem alten kranken Mann ſeine letzte
Stuͤtze — aber ich will — ich darf kein Hin-
derniß Eures Gluͤckes werden. — Fuͤr deine
Ausſtattung haſt du nicht zu ſorgen — zieh hin!
Bieder. Tauſend Dank, guͤtiger Mann!
Juſtine. Gott lohn’ es Ihnen, als unſerm
beſten Freunde!
Gerhard (in Thränen.) O, wenn ich Euer
Freund bin — wenn Ihr wuͤßtet, wie mir vor
dieſer Trennung grauet — ich habe niemanden
mehr, auf den ich mein Vertrauen ſetzen koͤnnte
— meine Kraͤfte nehmen taͤglich ab — Gott
weiß, was aus mir werden wird — Laßt mich
mit Euch ziehen! Nehmt mich auf in Eure Frey-
ſtatt!
Bieder. Herr Gerhard, das iſt wohl nur
hypochondriſche Laune.
Gerhard. Der heiſſeſte Wunſch meines Her-
zens!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#BIE">
            <p><pb facs="#f0220" n="214"/><fw place="top" type="header">Die Erb&#x017F;chleicher.</fw><lb/>
Schick&#x017F;al hie und da auf meine Laufbahn ge&#x017F;treut<lb/>
hat, mit mir theilen.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard</hi> </speaker>
            <stage>(gerührt zu Ju&#x017F;tinen.)</stage>
            <p>Und mich ver-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#JUS">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;tine.</hi> </speaker>
            <p>Herr Gerhard &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard.</hi> </speaker>
            <p>Genug! &#x2014;</p>
            <stage>(Zu Bieder.)</stage>
            <p>Sie<lb/>
rauben einem alten kranken Mann &#x017F;eine letzte<lb/>
Stu&#x0364;tze &#x2014; aber ich will &#x2014; ich darf kein Hin-<lb/>
derniß Eures Glu&#x0364;ckes werden. &#x2014; Fu&#x0364;r deine<lb/>
Aus&#x017F;tattung ha&#x017F;t du nicht zu &#x017F;orgen &#x2014; zieh hin!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BIE">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Bieder.</hi> </speaker>
            <p>Tau&#x017F;end Dank, gu&#x0364;tiger Mann!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#JUS">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;tine.</hi> </speaker>
            <p>Gott lohn&#x2019; es Ihnen, als un&#x017F;erm<lb/>
be&#x017F;ten Freunde!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard</hi> </speaker>
            <stage>(in Thränen.)</stage>
            <p>O, wenn ich Euer<lb/>
Freund bin &#x2014; wenn Ihr wu&#x0364;ßtet, wie mir vor<lb/>
die&#x017F;er Trennung grauet &#x2014; ich habe niemanden<lb/>
mehr, auf den ich mein Vertrauen &#x017F;etzen ko&#x0364;nnte<lb/>
&#x2014; meine Kra&#x0364;fte nehmen ta&#x0364;glich ab &#x2014; Gott<lb/>
weiß, was aus mir werden wird &#x2014; Laßt mich<lb/>
mit Euch ziehen! Nehmt mich auf in Eure Frey-<lb/>
&#x017F;tatt!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BIE">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Bieder.</hi> </speaker>
            <p>Herr Gerhard, das i&#x017F;t wohl nur<lb/>
hypochondri&#x017F;che Laune.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard.</hi> </speaker>
            <p>Der hei&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te Wun&#x017F;ch meines Her-<lb/>
zens!</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0220] Die Erbſchleicher. Schickſal hie und da auf meine Laufbahn geſtreut hat, mit mir theilen. Gerhard (gerührt zu Juſtinen.) Und mich ver- laſſen? Juſtine. Herr Gerhard — Gerhard. Genug! — (Zu Bieder.) Sie rauben einem alten kranken Mann ſeine letzte Stuͤtze — aber ich will — ich darf kein Hin- derniß Eures Gluͤckes werden. — Fuͤr deine Ausſtattung haſt du nicht zu ſorgen — zieh hin! Bieder. Tauſend Dank, guͤtiger Mann! Juſtine. Gott lohn’ es Ihnen, als unſerm beſten Freunde! Gerhard (in Thränen.) O, wenn ich Euer Freund bin — wenn Ihr wuͤßtet, wie mir vor dieſer Trennung grauet — ich habe niemanden mehr, auf den ich mein Vertrauen ſetzen koͤnnte — meine Kraͤfte nehmen taͤglich ab — Gott weiß, was aus mir werden wird — Laßt mich mit Euch ziehen! Nehmt mich auf in Eure Frey- ſtatt! Bieder. Herr Gerhard, das iſt wohl nur hypochondriſche Laune. Gerhard. Der heiſſeſte Wunſch meines Her- zens!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/220
Zitationshilfe: Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/220>, abgerufen am 09.05.2024.