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Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.

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Die Erbschleicher.
Weinhold (trocken.) Ich führe Bären und
Affen!
Gerhard. Nein, Er muß meinen Jahren
ein wenig Unfreundlichkeit zu Gute halten. Er
muß meine unschuldige Neugierde befriedigen.
Weinhold. Können Sie schweigen?
Gerhard. Wie ein Freymäurer, ob ich gleich
ferne von der Sekte bin.
Weinhold (führt ihn geheimnißvoll wieder vor.)
Ich bin ein Sohn des Lichts -- ich bin der Her-
metischen einer.
Gerhard (verächtlich.) Ein Goldmacher et-
wann, der andrer Leute Gold in seinen Beutel
hext?
Weinhold. Gott verzeih Ihnen den Ver-
dacht!
(Mit zunehmender Begeisterung in Miene und
Geberden, aber mit dumpfer, leiser Stimme.)
Ich la-
borire nicht -- ich wirke. Mein Ziel ist köstli-
cher, als alle Metalle und Edelsteine der Welt.
Mein Studium ist die Vervollkommung der
menschlichen Natur, die Wiederbringung ihrer
verlorenen Urkraft, die Ausdehnung und Befesti-
gung ihrer Dauer.
Gerhard (tief seufzend.) Ach, du liebe Zeit!
Er wirds auch nicht weiter bringen, als Andere.
H
Die Erbſchleicher.
Weinhold (trocken.) Ich fuͤhre Baͤren und
Affen!
Gerhard. Nein, Er muß meinen Jahren
ein wenig Unfreundlichkeit zu Gute halten. Er
muß meine unſchuldige Neugierde befriedigen.
Weinhold. Koͤnnen Sie ſchweigen?
Gerhard. Wie ein Freymaͤurer, ob ich gleich
ferne von der Sekte bin.
Weinhold (führt ihn geheimnißvoll wieder vor.)
Ich bin ein Sohn des Lichts — ich bin der Her-
metiſchen einer.
Gerhard (verächtlich.) Ein Goldmacher et-
wann, der andrer Leute Gold in ſeinen Beutel
hext?
Weinhold. Gott verzeih Ihnen den Ver-
dacht!
(Mit zunehmender Begeiſterung in Miene und
Geberden, aber mit dumpfer, leiſer Stimme.)
Ich la-
borire nicht — ich wirke. Mein Ziel iſt koͤſtli-
cher, als alle Metalle und Edelſteine der Welt.
Mein Studium iſt die Vervollkommung der
menſchlichen Natur, die Wiederbringung ihrer
verlorenen Urkraft, die Ausdehnung und Befeſti-
gung ihrer Dauer.
Gerhard (tief ſeufzend.) Ach, du liebe Zeit!
Er wirds auch nicht weiter bringen, als Andere.
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[113/0119] Die Erbſchleicher. Weinhold (trocken.) Ich fuͤhre Baͤren und Affen! Gerhard. Nein, Er muß meinen Jahren ein wenig Unfreundlichkeit zu Gute halten. Er muß meine unſchuldige Neugierde befriedigen. Weinhold. Koͤnnen Sie ſchweigen? Gerhard. Wie ein Freymaͤurer, ob ich gleich ferne von der Sekte bin. Weinhold (führt ihn geheimnißvoll wieder vor.) Ich bin ein Sohn des Lichts — ich bin der Her- metiſchen einer. Gerhard (verächtlich.) Ein Goldmacher et- wann, der andrer Leute Gold in ſeinen Beutel hext? Weinhold. Gott verzeih Ihnen den Ver- dacht! (Mit zunehmender Begeiſterung in Miene und Geberden, aber mit dumpfer, leiſer Stimme.) Ich la- borire nicht — ich wirke. Mein Ziel iſt koͤſtli- cher, als alle Metalle und Edelſteine der Welt. Mein Studium iſt die Vervollkommung der menſchlichen Natur, die Wiederbringung ihrer verlorenen Urkraft, die Ausdehnung und Befeſti- gung ihrer Dauer. Gerhard (tief ſeufzend.) Ach, du liebe Zeit! Er wirds auch nicht weiter bringen, als Andere. H

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Zitationshilfe: Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/119>, abgerufen am 09.05.2024.