Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.auf ihm fühlte er sich in die Tiefe gelastet -- des Ofens Gewölbe brach ein unter der Last -- seine Flammen umwirbelten ihn -- tiefer und tiefer in eine unabsehbare Tiefe sank er hinunter, er und der Schatten über ihm, und oben, hoch oben, über den durchsichtigen Flammen schwebte der Geist des Erschlagenen, ernst und steinern seine Züge, er schwebte je höher, je tiefer er sank. -- -- Während er so saß und sich nicht losreißen konnte von diesem sich vor seine Seele hinstellenden Bilde, wilde Angst ihn durchglühte, rief sein Gefährte nach einem neuen Glase Branntwein, jedoch sollte es Rum sein. Er fragte auch den Kellner nach den Speisen und befahl davon. Dem Bier that er nicht viel, dem gebrach es nach seiner Ansicht an Kraft. Des Kellners offne Hand weckte unsern Meister. Er bezahlte. -- Einen Blick ließ er schweifen in die lärmdurchtobte und doch so ruhig erscheinende Mondnacht -- dann faßte er seinen Gefährten ins Auge. Dieser bemerkte es und hielt inne mit der Arbeit seiner Zähne. Ehre -- Gemeingut für Alle, Essen und Trinken aber nicht minder, Bruderherz! In der Regel zwar esse ich nicht viel, ich halte es noch immer mit dem Trinken, Etwas aber muß man dem Magen doch bieten. Iß nur und trink, unterbrach ihn der Meister, es ist ja zu haben für Geld. Nun siehst du, nun siehst du, du bist, wie ich mir's dachte, ein vernünftiger Kerl! -- Noch einen Rum, auf ihm fühlte er sich in die Tiefe gelastet — des Ofens Gewölbe brach ein unter der Last — seine Flammen umwirbelten ihn — tiefer und tiefer in eine unabsehbare Tiefe sank er hinunter, er und der Schatten über ihm, und oben, hoch oben, über den durchsichtigen Flammen schwebte der Geist des Erschlagenen, ernst und steinern seine Züge, er schwebte je höher, je tiefer er sank. — — Während er so saß und sich nicht losreißen konnte von diesem sich vor seine Seele hinstellenden Bilde, wilde Angst ihn durchglühte, rief sein Gefährte nach einem neuen Glase Branntwein, jedoch sollte es Rum sein. Er fragte auch den Kellner nach den Speisen und befahl davon. Dem Bier that er nicht viel, dem gebrach es nach seiner Ansicht an Kraft. Des Kellners offne Hand weckte unsern Meister. Er bezahlte. — Einen Blick ließ er schweifen in die lärmdurchtobte und doch so ruhig erscheinende Mondnacht — dann faßte er seinen Gefährten ins Auge. Dieser bemerkte es und hielt inne mit der Arbeit seiner Zähne. Ehre — Gemeingut für Alle, Essen und Trinken aber nicht minder, Bruderherz! In der Regel zwar esse ich nicht viel, ich halte es noch immer mit dem Trinken, Etwas aber muß man dem Magen doch bieten. Iß nur und trink, unterbrach ihn der Meister, es ist ja zu haben für Geld. Nun siehst du, nun siehst du, du bist, wie ich mir's dachte, ein vernünftiger Kerl! — Noch einen Rum, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0025"/> auf ihm fühlte er sich in die Tiefe gelastet — des Ofens Gewölbe brach ein unter der Last — seine Flammen umwirbelten ihn — tiefer und tiefer in eine unabsehbare Tiefe sank er hinunter, er und der Schatten über ihm, und oben, hoch oben, über den durchsichtigen Flammen schwebte der Geist des Erschlagenen, ernst und steinern seine Züge, er schwebte je höher, je tiefer er sank. — —</p><lb/> <p>Während er so saß und sich nicht losreißen konnte von diesem sich vor seine Seele hinstellenden Bilde, wilde Angst ihn durchglühte, rief sein Gefährte nach einem neuen Glase Branntwein, jedoch sollte es Rum sein. Er fragte auch den Kellner nach den Speisen und befahl davon. Dem Bier that er nicht viel, dem gebrach es nach seiner Ansicht an Kraft.</p><lb/> <p>Des Kellners offne Hand weckte unsern Meister. Er bezahlte. — Einen Blick ließ er schweifen in die lärmdurchtobte und doch so ruhig erscheinende Mondnacht — dann faßte er seinen Gefährten ins Auge.</p><lb/> <p>Dieser bemerkte es und hielt inne mit der Arbeit seiner Zähne.</p><lb/> <p>Ehre — Gemeingut für Alle, Essen und Trinken aber nicht minder, Bruderherz! In der Regel zwar esse ich nicht viel, ich halte es noch immer mit dem Trinken, Etwas aber muß man dem Magen doch bieten. </p><lb/> <p>Iß nur und trink, unterbrach ihn der Meister, es ist ja zu haben für Geld.</p><lb/> <p>Nun siehst du, nun siehst du, du bist, wie ich mir's dachte, ein vernünftiger Kerl! — Noch einen Rum,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
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Während er so saß und sich nicht losreißen konnte von diesem sich vor seine Seele hinstellenden Bilde, wilde Angst ihn durchglühte, rief sein Gefährte nach einem neuen Glase Branntwein, jedoch sollte es Rum sein. Er fragte auch den Kellner nach den Speisen und befahl davon. Dem Bier that er nicht viel, dem gebrach es nach seiner Ansicht an Kraft.
Des Kellners offne Hand weckte unsern Meister. Er bezahlte. — Einen Blick ließ er schweifen in die lärmdurchtobte und doch so ruhig erscheinende Mondnacht — dann faßte er seinen Gefährten ins Auge.
Dieser bemerkte es und hielt inne mit der Arbeit seiner Zähne.
Ehre — Gemeingut für Alle, Essen und Trinken aber nicht minder, Bruderherz! In der Regel zwar esse ich nicht viel, ich halte es noch immer mit dem Trinken, Etwas aber muß man dem Magen doch bieten.
Iß nur und trink, unterbrach ihn der Meister, es ist ja zu haben für Geld.
Nun siehst du, nun siehst du, du bist, wie ich mir's dachte, ein vernünftiger Kerl! — Noch einen Rum,
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Zitationshilfe: | Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_wiedersehen_1910/25>, abgerufen am 16.02.2025. |