Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und her, nahm einige Male einen Ansatz zum Reden, biß sich dann wieder auf die Lippen, legte zuletzt seine Hände über den Knopf seines Stockes zusammen und blickte starr zur Erde. Was sah er da? Er sah sich gehen und wandeln, überall hin von einem Schatten verfolgt, der war bleich in der Sonne, Nachts wurde er roth. Er hörte sich sein Weib fragen: was ist das für ein häßlicher Schatten? und wußte ihr ebenfalls keine Antwort zu geben; er sah sein Weib herfallen über den Schatten -- sie wollte ihn nicht dulden in ihren vier Pfählen und dachte das Ding bewältigen zu können, weil sie es sah -- aber der Schatten erhob sich und hatte tausend Augen und tausend Mäuler -- und sein Weib sank zu Boden vor ihm. Er sah den Schatten wachsen und sich legen über all sein Gut, und er verzehrte es. Er sah sich danach von dem Schatten gejagt, gejagt, bis ihm der Athem verging, gejagt durch Wälder und Felder, über Berg und Thal, und sah sich springen und stürzen zuletzt in das Loch über dem Backofen, durch welches er einst, als der Vorderste, in des Juden, seines Meisters, Wohnzimmer eingestiegen war. -- -- Hier knickte und brach er zusammen, hier fühlte er sich gebannt und geknebelt, hier warf sich der Schatten auf ihn, und er wog eine unaussprechliche Last. -- Er fühlte sich geschlagen wie mit einem Beile, sich wollte er wehren davor und konnte es nicht; er hörte sich ächzen, und es ächzte sein Meister aus ihm; vor der Wucht und her, nahm einige Male einen Ansatz zum Reden, biß sich dann wieder auf die Lippen, legte zuletzt seine Hände über den Knopf seines Stockes zusammen und blickte starr zur Erde. Was sah er da? Er sah sich gehen und wandeln, überall hin von einem Schatten verfolgt, der war bleich in der Sonne, Nachts wurde er roth. Er hörte sich sein Weib fragen: was ist das für ein häßlicher Schatten? und wußte ihr ebenfalls keine Antwort zu geben; er sah sein Weib herfallen über den Schatten — sie wollte ihn nicht dulden in ihren vier Pfählen und dachte das Ding bewältigen zu können, weil sie es sah — aber der Schatten erhob sich und hatte tausend Augen und tausend Mäuler — und sein Weib sank zu Boden vor ihm. Er sah den Schatten wachsen und sich legen über all sein Gut, und er verzehrte es. Er sah sich danach von dem Schatten gejagt, gejagt, bis ihm der Athem verging, gejagt durch Wälder und Felder, über Berg und Thal, und sah sich springen und stürzen zuletzt in das Loch über dem Backofen, durch welches er einst, als der Vorderste, in des Juden, seines Meisters, Wohnzimmer eingestiegen war. — — Hier knickte und brach er zusammen, hier fühlte er sich gebannt und geknebelt, hier warf sich der Schatten auf ihn, und er wog eine unaussprechliche Last. — Er fühlte sich geschlagen wie mit einem Beile, sich wollte er wehren davor und konnte es nicht; er hörte sich ächzen, und es ächzte sein Meister aus ihm; vor der Wucht <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0024"/> und her, nahm einige Male einen Ansatz zum Reden, biß sich dann wieder auf die Lippen, legte zuletzt seine Hände über den Knopf seines Stockes zusammen und blickte starr zur Erde.</p><lb/> <p>Was sah er da?</p><lb/> <p>Er sah sich gehen und wandeln, überall hin von einem Schatten verfolgt, der war bleich in der Sonne, Nachts wurde er roth. Er hörte sich sein Weib fragen: was ist das für ein häßlicher Schatten? und wußte ihr ebenfalls keine Antwort zu geben; er sah sein Weib herfallen über den Schatten — sie wollte ihn nicht dulden in ihren vier Pfählen und dachte das Ding bewältigen zu können, weil sie es sah — aber der Schatten erhob sich und hatte tausend Augen und tausend Mäuler — und sein Weib sank zu Boden vor ihm. Er sah den Schatten wachsen und sich legen über all sein Gut, und er verzehrte es. Er sah sich danach von dem Schatten gejagt, gejagt, bis ihm der Athem verging, gejagt durch Wälder und Felder, über Berg und Thal, und sah sich springen und stürzen zuletzt in das Loch über dem Backofen, durch welches er einst, als der Vorderste, in des Juden, seines Meisters, Wohnzimmer eingestiegen war. — — Hier knickte und brach er zusammen, hier fühlte er sich gebannt und geknebelt, hier warf sich der Schatten auf ihn, und er wog eine unaussprechliche Last. — Er fühlte sich geschlagen wie mit einem Beile, sich wollte er wehren davor und konnte es nicht; er hörte sich ächzen, und es ächzte sein Meister aus ihm; vor der Wucht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0024]
und her, nahm einige Male einen Ansatz zum Reden, biß sich dann wieder auf die Lippen, legte zuletzt seine Hände über den Knopf seines Stockes zusammen und blickte starr zur Erde.
Was sah er da?
Er sah sich gehen und wandeln, überall hin von einem Schatten verfolgt, der war bleich in der Sonne, Nachts wurde er roth. Er hörte sich sein Weib fragen: was ist das für ein häßlicher Schatten? und wußte ihr ebenfalls keine Antwort zu geben; er sah sein Weib herfallen über den Schatten — sie wollte ihn nicht dulden in ihren vier Pfählen und dachte das Ding bewältigen zu können, weil sie es sah — aber der Schatten erhob sich und hatte tausend Augen und tausend Mäuler — und sein Weib sank zu Boden vor ihm. Er sah den Schatten wachsen und sich legen über all sein Gut, und er verzehrte es. Er sah sich danach von dem Schatten gejagt, gejagt, bis ihm der Athem verging, gejagt durch Wälder und Felder, über Berg und Thal, und sah sich springen und stürzen zuletzt in das Loch über dem Backofen, durch welches er einst, als der Vorderste, in des Juden, seines Meisters, Wohnzimmer eingestiegen war. — — Hier knickte und brach er zusammen, hier fühlte er sich gebannt und geknebelt, hier warf sich der Schatten auf ihn, und er wog eine unaussprechliche Last. — Er fühlte sich geschlagen wie mit einem Beile, sich wollte er wehren davor und konnte es nicht; er hörte sich ächzen, und es ächzte sein Meister aus ihm; vor der Wucht
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Zitationshilfe: | Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_wiedersehen_1910/24>, abgerufen am 16.07.2024. |